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Betreuung Viele Fragezeichen ohne Antwort

Die Eltern der Staßfurter Kita „Bergmännchen“ wissen nicht, wie es mit ihrer Einrichtung weiter geht.

01.10.2020, 07:13

Staßfurt l Und dann waren die Plakate weg. Die angespannte Stimmung hatte ihren Tiefpunkt erreicht. Noch immer bleibt Kristina Schmidt sachlich in der Tonlage, doch ihr Unverständnis packt sie in deutliche Worte. Am Freitag hatte die Vorsitzende des Elternkuratoriums der Kita „Bergmännchen“ in Staßfurt mit Eltern eine friedliche Protestaktion am Standort Schlachthofstraße organisiert. Die Kinder hatten große Laken bemalt und mit ihren Händen farbige Abdrücke hinterlassen. Ringsherum war der Zaun farbenfroh geschmückt.

Am Dienstag war alles weg. Die Plakate wurden abgenommen. „Es ist beschämend, dass diese im Müllsack landen. Das ist respektlos und eine Schande. Schließlich ist es Eigentum der Kinder“, sagte Kristina Schmidt. Wer ist verantwortlich? „Es muss jemand von der Stadt gewesen sein. Die Tore standen offen und nur die Stadt hat Schlüssel.“ Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD) hat es jedenfalls nicht angeordnet. Er wisse davon nichts, sagte er. Auch Fachbereichsleiter Hans-Georg Köpper hatte zuerst keine Kenntnis davon. Er fragte gestern aber intern nach und teilte mit: „Durch das Regenwetter hingen einige Plakate und Transparente herunter und lagen zum Teil auf der Straße. Vieles war nicht mehr lesbar. Der Stadtpflegebetrieb hat es daher abgenommen.“

Eigentlich sollte die Kita, die etwa 80 Kinder besuchen und derzeit in der Kita „Sandmännchen“ ausgelagert ist, saniert werden. Nachdem Fehler des Planers bekannt wurden und die Sanierung ausgesetzt wurde, schlug die Stadt Anfang September sechs Varianten vor, wie es weitergehen kann. Neben der Sanierung mit oder ohne Anbau am alten Standort, steht auch ein Umzug nach Leopoldshall auf das Gelände der Uhlandschule als Vorschlag im Raum. Und damit die Schließung des Standortes in der Schlachthofstraße. Die Zusammenlegung mit der Kita „Leopoldshaller Spatzennest“ ist eine Option, um dem Überangebot an Betreuungsplätzen, das die Stadt festgestellt hat, entgegenzutreten. Lohnt es sich, in einen alten Standort wie in der Schlachthofstraße zu investieren, wenn in der Kernstadt nicht mehr alle Kita-Plätze gebraucht werden? Diese Frage steht im Raum.

In den Ausschüssen und im Stadtrat waren die Politiker mehrheitlich der Meinung, dass der Standort Schlachthofstraße erhalten werden soll. Kristina Schmidt hatte dazu im Sozialausschuss vor vier Wochen Fragen formuliert. Warum wurde das Elternkuratorium nicht einbezogen? Warum wurden die Kinder ausgelagert, obwohl nicht klar war, dass die Kita saniert werden kann? Wie ist die Planung mit dem Hort? Bekommt die Kita wegen der weitergegebenen Fördergelder einen Ausgleich? Wie ist der weitere Zeitplan? Am Dienstag war Schmidt erneut im Sozialausschuss und fragte, wann die Fragen beantwortet werden. Sie fragte zudem nach den nächsten Schritten und wie der zeitliche Rahmen aussieht.

Zu den nächsten Schritten teilte OB Wagner mit, dass sich am Donnerstag das Elternkuratorium, das aus Elternvertretern, der Kita-Leitung sowie der Vorsitzenden des Fachdienstes besteht, trifft. „Das war mein Vorschlag, damit wir sachlich nach Lösungen suchen“, sagte er. Am Montag gibt es zudem ein Treffen der Fraktionsvorsitzenden. Wann die weiteren Fragen von Schmidt beantwortet werden, konnte am Dienstag nicht gesagt werden. Die Frist von vier Wochen für die Beantwortung ist jedenfalls verstrichen. „Ich möchte die Antwort in 14 Tagen auf dem Tisch haben, damit wir in der nächsten Sitzung darüber diskutieren können“, sagte Michael Hauschuld (SPD), Vorsitzender des Ausschusses. „Ich bitte zudem darum, dass ein Vertreter des Ausschusses beim Termin mit dem Elternkuratorium teilnimmt.“

Ralf-Peter Schmidt von der Unabhängigen Bürgervertretung Staßfurt (UBvS) kritisierte: „Ich habe damit gerechnet, dass es heute eine Vorlage gibt, über die wir abstimmen können. Wir brauchen eine zügige Lösung. Ich weiß nicht, worauf wir warten?“

Peter Rotter (CDU) kam zu Ohren, dass Beschäftigte der kommunalen Kita nicht beim Protest am Freitag teilnehmen durften. „Ist da was dran?“, fragte er. Köpper: „Den Beschäftigten ist in der Tat nahe gelegt worden, an der Protestaktion nicht teilzunehmen, weil sich diese gegen den Dienstherren, den Oberbürgermeister, richten könnte. Ich denke, dafür gibt es Verständnis.“ Das Personal habe dabei von sich aus entschieden, nicht teilzunehmen. Diese Empfehlung gab es auch von der Verwaltung.

Ralf-Peter Schmidt hatte dafür kein Verständnis. „Das ist pädagogisch total fragwürdig. Das ist ein schlechtes Zeichen für die Kinder 30 Jahre nach dem Mauerfall“, sagte er. „Protest muss man aushalten können. So erzieht man Kinder nicht zu Teilhabe und Demokratie, wenn man den Kindern vermittelt: Euer Protest geht uns nichts an.“ Das passe auch ins Bild, dass den Kindern der Kita untersagt wurde, beim Protest Bergmännchen-Kostüme zu tragen. Die Plakate durften nicht während der Kita-Zeit gestaltet werden. Beim Protest am Freitag war das Gelände zugesperrt und durfte von den über 50 Teilnehmern nicht betreten werden.

Kristina Schmidt geht mit einem unguten Gefühl in das Treffen heute. „Die Vertrauensbasis zum Träger ist völlig zerstört. Ich habe das Gefühl, dass man uns nicht ernst nimmt und die Stadt um sich beißt. Die Verwaltung scheint gegen den Erhalt des Standortes zu sein, wir wissen aber nicht warum.“ Von den Stadträten hingegen fühlt sie sich mitgenommen. „Die scheinen auf unserer Seite zu sein. Das stärkt den Rücken. Ich bin froh, dass jemand vom Sozialausschuss mitkommt.“

Die Vorsitzende des Elternkuratoriums befürwortet die Sanierung samt Anbau in der Schlachthofstraße. Sollte das Grundstück nicht ausreichen, hat sie eine Lösungsoption. „Die Stadt könnte das Vorkaufsrecht nutzen und ein Stück vom angrenzenden ehemaligen Drahtwerk kaufen. Es ist aber Eile geboten.“