1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Wut, Frust und Unverständnis

Corona Wut, Frust und Unverständnis

Wie beim ersten Lockdown sind Gastronomen, Museen und Sportvereine betroffen. Unverständnis zeigt sich bei Betroffenen in Staßfurt.

01.11.2020, 23:01

Staßfurt l Der Blick von Ramona Osterburg geht fast verzweifelt in den Gastraum. „Schauen Sie mal“, sagt sie. „Wir haben schon nach dem ersten Lockdown Maßnahmen ergriffen.“ Die Inhaberin des Staßfurter Landhauses zeigt auf Tische ohne Stühle. Hier ist es gar nicht mehr möglich, ohne Abstände zu anderen Tischen zu speisen. Kontaktlisten werden geführt, alle Mitarbeiter tragen einen Gesichtsschutz. Die Gäste müssen einen solchen tragen und dürfen diesen erst am Tisch abnehmen.

Wie in anderen Restaurants wurden im Landhaus an der Bode umfangreiche Maßnahmen getroffen, damit überhaupt ein Gaststättenbetrieb möglich ist. Es gab nie Probleme, alle Hygienebestimmungen wurden eingehalten. Und doch müssen Restaurants schließen, währenddessen andere Geschäfte offen bleiben dürfen. „Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet“, sagt Ramona Osterburg. „Ich bin wütend und traurig.“

Es wird wie im Frühjahr einen Außer-Haus-Verkauf geben, immer von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 15 Uhr. Auch die zwei Wagen in der Förderstedter Straße und am Lidl verkaufen weiter warme Speisen. Das Restaurant aber bleibt zu. Was hat das für Auswirkungen? „Es wird jetzt wieder Kurzarbeit geben. Und das direkt vor Weihnachten. Es sind Familien dabei. Vielleicht sucht sich mancher Mitarbeiter nun etwas Anderes. Ich könnte das verstehen“, sagt Osterburg. Sie kann nicht planen und blickt erneut in eine ungewisse Zukunft.

Im Salzlandtheater in Staßfurt fand am Sonntag mit der Krimi-Lesung von Lothar Schirmer die vorerst letzte Veranstaltung statt. „Danach machen wir das Licht aus“, kündigte Theaterleiter Stephan Czuratis bereits davor an. Das klingt bittersüß und traurig. „Das trifft uns natürlich mit voller Härte. Wir hatten für November und Dezember viele Karten verkauft. Wir hatten gerade wieder angefangen, das zarte Pflänzchen Vertrauen aufzubauen. Hoffentlich verspielen wir das jetzt nicht“, sagt Czuratis. Insgesamt 15 Veranstaltungen müssen laut Czuratis verschoben oder abgesagt werden.

Erneut wird es eine Gutschein-Regelung geben. Bei verschobenen Veranstaltungen behalten Tickets ihre Gültigkeit, für die ausgefallenen Events bekommen die Kulturfreunde einen wertgleichen Gutschein. So sollen Verluste minimiert werden. Was Czuratis stört: „Die Theatergänger gehen Kompromisse ein, halten sich an Regeln. Und trotzdem reicht es nicht.“ Da schwingt Frust mit. Er versteht die politische Verantwortung. Als Theaterleiter war er aber „sehr traurig“. Immerhin dürfen sich die Trainingsgruppen weiter treffen.

Gestrichen ist auch der Auftritt der Hengstmann-Brüder aus Egeln am 13. November. Das war bereits ein verschobener Termin. „Ich bin absolut empört und ein Stück weit verzweifelt“, sagt Tobias Hengstmann. „Das ist eine Riesenunverschämtheit mit dem Lockdown. Wir haben in der Spielstätte in Magdeburg vierstellige Summen in Mundschutz, Wegeleitsysteme, Plexiglasscheiben und Hygieneartikel investiert, haben nur noch ein Drittel der Einnahmen. Und zum Dank wird der Laden zugemacht.“

Hengstmann hält die Maßnahmen für nicht ausgewogen. „Das bringt Zorn in die Gesellschaft. Ich bin wütend, dass die Veranstaltungsbranche anscheinend überhaupt keinen Stellenwert hat. Wir sind ein knallhartes Unternehmen, zahlen Steuern und werden komplett ignoriert.“ Was ihn rührt, ist die Solidarität, die sich erneut breitmacht. „Wir werden kämpfen, wir haben keine Angst.“

Geschlossen bleibt auch das Stadt- und Bergbaumuseum in Staßfurt. Museumsleiter Michael Scholl trifft das hart, auch weil das kleine kommunale Haus gar keine riesigen Zuläufe hat. „Die Leute waren sehr diszipliniert, wir haben Kontaktlisten geführt, alles umgesetzt, gelüftet. Das ist ein herber Schlag für uns“, sagt Scholl. Bis zum 17. Dezember gibt es vier Ausstellungen, die nun ungesehen hängen. Der Adventszauber ist sowieso schon abgesagt.

Ziemlich verärgert ist auch Sebastian Retting, Trainer beim Handballverein HV Rot-Weiss Staßfurt, der in der Sachsen-Anhalt-Liga (5. Liga) spielt und nicht mehr spielen und trainieren darf. „Ich verstehe es nicht. Wir hatten elf Wochen Vorbereitung. Wir haben alle Hygienemaßnahmen umgesetzt, haben sehr viel Zeit und Geld investiert“, sagt er. Flaschen sind nummeriert, in der Kabine wird Abstand gehalten, es wird desinfiziert, beim Betreten der Halle werden Masken getragen, Listen geführt. „Die Jungs gehen auf keine Partys, sind diszipliniert und verantwortungsvoll.“ Wer krank ist, bleibt zu Hause. Die Mission Aufstieg sollte nicht gefährdet werden. Nun schiebt die Politik den Riegel vor, während im Profibereich Spiele ohne Zuschauer zugelassen sind. „Das ist sehr schade“, so Retting.

Weil auch die Fitnessstudios geschlossen sind, müssen sich seine Spieler selbst fit halten. Übungen auf der Isomatte oder am Stuhl und in der Küche werden wieder Alltag. „Dabei betreiben wir unseren Sport genauso professionell wie die Profis.“ Retting klingt verzweifelt. Aber aucht machtlos. Ihm bleibt wie auch Gastronomen und Künstlern die Hoffnung, dass in vier Wochen alles wieder anläuft. Auch wenn da der Wunsch der Vater des Gedankens ist.