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Quereinsteiger Neuanfang mit 59 Jahren in Staßfurt

Das Staßfurter Silbitz-Werk begegnet dem Fachkräftemangel mit Quereinsteigern: Fünf Männer im Alter von 34 bis 59 Jahren.

18.04.2019, 05:32

Staßfurt l „Es ist schwer, entsprechende Mitarbeiter zu finden, die den Ausbau unserer Vorhaben mit vollziehen können“, beschreibt Steffen Russ, als er jetzt fünf neuen Mitarbeiter im Staßfurter Werk der Silbitz-Group begrüßt. Es sind keine Jugendlichen mehr, sondern Männer im gestandenen Alter – zwischen 34 und 59 Jahre. Allesamt Quereinsteiger, teils aus völlig artfremden Berufen. Sie nutzten das Quereinsteiger-Projekt der Arbeitsagentur. Aus verschiedenen Gründen.

Der Erfahrenste unter ihnen ist Gerald Matthey. Der Warmsdorfer fand den Weg über die Rentenversicherung und die Arbeitsagentur zu seinem neuen Job. Der sogenannte Branchentag „Quereinsteiger“ hatte den Warmsdorfer und seinen neuen Arbeitgeber im September zusammengebracht. Im folgenden Frühjahr nun, nach einem halben Jahr passgenauer Qualifizierung im Bildungszentrum Teutloff Schönebeck, hat der 59-Jährige einen Arbeitsvertrag von Silbitz in der Hand. „Es war der letzte Strohhalm. Mit 59 möchte man an Rente denken, kann man aber noch nicht“, ist sich Gerald Matthey bewusst, der zuvor als Landmaschinenmechaniker beschäftigt war. Er wird nunmehr CNC-Maschinen- und Anlagen bedienen und ist froh, „dass Silbitz nicht aufs Alter guckt, sondern mir eine Chance zum Arbeiten gibt“.

Eine Umstellung auf das neue Arbeitsumfeld waren derweil für Christian Wernicke vor allem die Größenordnungen, mit denen er jetzt arbeiten muss: „Als Zimmermann habe ich meist in Zentimetern gerechnet, jetzt geht‘s bei den Werkstücken um Tausendstel-Millimeter“. Aber der Staßfurter weiß, worauf er sich eingelassen hat.

Den größten Vorteil sieht der 38-jährige Familienvater jedenfalls darin, nicht mehr auf Montage zu müssen. „Montage – das wollte ich einfach nicht mehr.“

Roland Merkel als ehemaliger Elektriker und Timo Becker (Maler/Lackierer) freuen sich ebenfalls über den gelungenen Neustart.

Christian Eisner ist der Jüngste im Bunde. Vier Jahre hat er bei Porsche in Leipzig gearbeitet, als Leiharbeiter im Karossieriebau. Da gehöre man zu den Ersten, die bei Umstrukturierungen gehen können. Die sich mit der Umschulung ergebende Chance ergriff der Köthener sofort.

„Der Weg zur Arbeit hat sich halbiert“, sieht der junge Mann als einen unbezahlbaren Vorteil. „Geld ist nicht alles. Ich habe jetzt täglich eine Stunde mehr Zeit für meine Familie“, so Eisner. So eine Entscheidung müsse man sich aber auch ausrechnen.

Für Werkleiter Russ ist das Pilotprojekt eine willkommene Möglichkeit, „dem nicht zu unterschätzenden Problem Fachkräftemangel im Salzlandkreis entgegenzuwirken“. Die Silbitz-Group müsse in den nächsten fünf bis sieben Jahren altersbedingt immerhin 30 Stellen neu besetzen. Auch die im Werk Staßfurt für das Projekt zuständige Verantwortliche Kathrin Sander sieht viele Vorteile in diesem Angebot. „Es war ein voller Erfolg für uns. Quereinsteiger sind Menschen, die es sich gut überlegen, den Beruf zu wechseln. Sie sind sehr motiviert, und sie bringen neue Anregungen mit.“

Das Projekt habe das große Potenzial der Quereinsteiger sichtbar gemacht und den Teilnehmern den Weg zur beruflichen Weiterbildung geebnet, so Sander.

Von ursprünglich acht Bewerbern hatten sich sechs für die Qualifizierung entschieden. Ein Teilnehmer war aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausgestiegen. „Aber auch für ihn werden wir nach seiner Genesung einen Weg finden, um die Zusammenarbeit fortzusetzen“, ist die Projektverantwortliche optimistisch.

Im Zuständigkeitsbereich der Arbeitsagentur des Salzlandkreises haben sich im Rahmen des Quereinsteiger-Projekts 13 Arbeitgeber und 105 Männer und Frauen kennengelernt, resümiert die Agentur, davon in Staßfurt vier Arbeitgeber mit insgesamt 22 Arbeitsuchenden.

Agenturchefin Anja Huth schätzt die Ergebnisse der Branchentage „Quereinsteiger“ als Erfolg: „Ich freue mich, dass unsere Herangehensweise Unternehmen und Arbeitsuchende zusammenzuführen, auch zu einer Weiterführung des Projekts bei der Silbitz-Group in Staßfurt zum Erfolg geführt hat. Aus der Not, nicht passgenaue Bewerber zu haben, haben wir eine Tugend gemacht.“ Und man werde auch 2019 den Branchentag ,Quereinsteiger‘ im Salzlandkreis durchführen, kündigt sie an.

Zum Branchentag „Quereinsteiger“ melden Arbeitgeber konkreten Personalbedarf für die Besetzung offener Stellen, welche nicht ohne Anpassung/Qualifizierung von beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten möglich sind. Arbeitssuchende werden zum Kennenlernen eingeladen, auch wenn ihre Qualifikation nicht dem gewünschten Profil entspricht. Im Vordergrund steht dabei die Motivation und das Interesse, Neues auszuprobieren.