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Staßfurter Kitas Beiträge sozial verträglich erhöhen

Geht es nach den Plänen der Stadt, müssen Eltern in Staßfurt für ihre Krippen-, Kindergarten- und Hortkinder tiefer in die Tasche greifen.

04.08.2017, 23:01

Staßfurt l Kaum ist die Sommerpause zu Ende, haben die Mitglieder des Staßfurter Stadtrates Unterlagen vor sich, die es in sich haben. Die Stadt will die Elternbeiträge für die Kindergarten-, Krippen- und Hortbetreuung erhöhen. In allen Bereichen müssen die Eltern – mit einer Ausnahme, der Fünf-Stunden-Kita-Betreuung – mehr bezahlen. Gravierend sind in der Kinderkrippe zum Beispiel die Neun- und Zehn-Stunden-Betreuungskosten. Ähnlich sieht es im Kindergartenbereich aus. Sie steigen von 163 auf 197 Euro. Neu ist aber auch, dass eine Acht-Stunden-Regelung für Krippe (167 Euro) und Kindergarten (138 Euro) bei den Betreuungszeiten angeboten wird. Das gab es bisher noch nicht.

Das Rathaus begründet die Erhöhungen mit Kostensteigerungen. Personalkosten steigen, auch die Ausstattung der Häuser müsse immer aktuell sein und den Anforderungen moderner Bildungsstandards genügen. Das Kinderförderungsgesetz des Landes regele hier klar, dass Eltern über die Beiträge zu beteiligen sind. Über das Wie allerdings, können Politiker und Verwaltung der Kommune selbst entscheiden (Text nebenan). Im Pressegespräch mit der Staßfurter Volksstimme sagt Oberbürgermeister Sven Wagner. „Die Beschlussvorlage stellt dar, wie die Beiträge unter Berücksichtigung der Entwicklung der Kosten in den Einrichtungen sinnvoll gestaltet werden können.“ Die Vorlage für die Räte selbst wird deutlicher und gibt an, dass auch die Haushaltslage der Stadt eine Rolle spiele.

Erste Planungen der Verwaltung verfolgten demnach auch den Ansatz, den Anteil der Gemeinde an den Kitabeiträgen möglichst flach zu halten. Diese Vorlage allerdings wird es nicht einmal bis in den Rat schaffen. Denn es gilt die Anhörungspflicht von Kuratorien, also den Elternvertretungen in den Kitas, von freien Trägern und der Gemeindeelternvertretung. Hier bekam das Rathaus die rote Karte gezeigt. Die Volksstimme erfragte beim Volkssolidarität Kinder-, Jugend- und Familienwerk , bei der Lebenshilfe „Bördeland“ und bei der Stiftung Staßfurter Waisenhaus, wo die Missbilligung lag. Alle haben in der Salzstadt und den Ortschaften eigene Einrichtungen. Die Träger loben das neu geschaffene Acht-Stunden-Angebot. Gleichzeitig kritisierten sie die auf die Eltern zukommenden Kosten und forderten vom Rathaus sozial verträgliche Lösungen. Vor allem im Krippenbereich hätten die Ausgangspläne aus dem Rathaus zu Erhöhungen geführt, die nicht von allen Eltern zu verkraften gewesen wären.

Die Träger, alle haben sich in Stellungnahmen auch schriftlich an die Stadt gewandt, stellen die Elternbeiträge in einen größeren Zusammenhang. Sie machten deutlich, dass einer Kommune daran gelegen sein müsse, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen und auch Angebote für junge Familien zu schaffen. Das sei in einer Region, die immer noch unter dem Wegzug vor allem junger Menschen leide, ein wichtiger Standortvorteil, ein Beweggrund für Familien, hier zu bleiben. Zehn Stunden Betreuungszeit würden von vielen Eltern für ihre Kinder in Anspruch genommen, weil sie zum Teil – das ist auch typisch für das Salzland – weite Fahrwege zum Arbeitsplatz in Kauf nehmen müssten. Hier allerdings fordere die Stadt die höchsten Beiträge.

Orientierung für alle Beiträge sollte dagegen vielmehr das Kindergeld sein. Der Satz liegt aktuell bei 194 Euro. „Die Eltern geben ihre Kinder zur Betreuung, Bildung und Erziehung in eine Einrichtung. Dafür können sie auch das Elterngeld einsetzen“, sagt Cornelia Kurowski. Geschäftsführerin des Volkssolidarität Familienwerkes. „Übersteigen aber die Platzkosten die Summe des Elterngeldes, wie in Staßfurt bei der Neun-Stunden-Krippenbetreuung, ist das nicht mehr sozial verträglich.“ Auch für Stefan Labudde, Geschäftsführer bei der Lebenshilfe Bördeland, gilt der Richtwert Kindergeld. Er gibt zu bedenken, dass meist weitere Kosten wie Essens- und Getränkegelder für die Eltern entstehen. „Wenn dann allein schon der Platz mehr kostet, ist das nicht mehr vermittelbar.“ Birgit Walter, stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung Staßfurter Waisenhaus, sagt wie die anderen auch, dass man „grundsätzlich den Erhöhungsbedarf nachvollziehen“ könne, dann aber „sozial verträglich.“ Die ersten Planungen vor allem mit der Erhöhung von über 20 Prozent im Krippenbereich hätten nicht diese Ausrichtung gehabt.

Volkssolidarität wie Lebenshilfe weisen darauf hin, dass in ihren Einrichtungen viele Kinder betreut werden, denen eine Kostenübernahme durch den Salzlandkreis zusteht. Im Umkehrschluss führe das auch wieder zu Mehrkosten, die letztendlich über die Kreisumlage von der Gemeinde neu aufgebracht werden müsste. Stefan Labudde befürchtet gar „sozialen Unfrieden“, der geschürt werde, weil ein Teil der Eltern die Erhöhungen voll zu spüren bekämen, bei anderen seitens des Kreises Übernahmen stattfänden.

Nicht zuletzt fordern Birgit Walter, Stefan Labudde und Cornelia Kurowski, dass sich die Stadt für die Umsetzung der neuen Elternbeiträge mehr Zeit lässt. Das sei im Sinne aller, der Eltern, der Träger und der Kommune. Denn zum einen hat das Land im vergangenen Jahr noch zusätzliches Geld in die Betreuung geschoben, wovon die Eltern profitieren. Zum anderen müssten Eltern die Veränderungen in ihren Budgets einplanen oder die Möglichkeit haben, entsprechende Anträge für eine Übernahme der Beiträge durch den Landkreis stellen zu können. Bei erhöhten Kostenbeiträgen und der Flexibilisierung der Betreuungsstunden könne es zudem zu Änderungen und Anpassungen in den von den Eltern gewünschten Betreuungszeiten kommen. „Das hat einen zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbaren Einfluss auf den Personalbedarf, der sich direkt aus den Betreuungsstunden errechnet“, so Birgit Walter. Alle Träger aber würden grundsätzlich die Platzkosten in der Kita prospektiv für ein Haushaltsjahr verhandeln. Unterjährige Veränderungen könnten Nachverhandlungen erforderlich machen. Aus allen dieses Gründen sei es sinnvoll, die Erhöhung der Elternbeiträge erst ab 1. Januar 2018 umzusetzen.

Der Stadtrat wird in seiner Sitzung Ende August über die Elternbeiträge abstimmen. In der kommenden Woche beginnen die Beratungen in den Ortschaftsräten, eine Woche später in den Ausschüssen. Die Kritik im Vorfeld hat Wirkung gezeigt. Denn das Rathaus hat nach der ersten Anhörungsrunde reagiert: Die Gemeindeelternvertretung fasste für ihre Stellungnahme alle Hinweise der Träger und Kuratorien zusammen und machte eigene Vorschläge, bei denen die Steigerungen der Gebühren moderater ausfallen, als im ersten Vorschlag der Stadt. Die Beschlussvorlage, die jetzt den Räten zur Abstimmung vorliegt, greift alle diese Hinweise auf. Oberbürgermeister Sven Wagner hofft, dass das Verfahren auch die politische Diskussion trägt. „Wir haben uns alles angehört und die Vorschläge ernst genommen.“

Die Stadt erhofft sich Mehreinnahmen von 238 770,60 Euro. Stefan Labudde deutet auf die Verhältnismäßigkeiten hin. „Gerade bei einer familienfreundlichen Kommunalpolitik, welche für die Zukunft unserer Orte dringend notwendig ist, ist die Belastung der Familien und der Kinder sehr sensibel zu diskutieren.“

Der Stadtrat steht nun vor der Aufgabe, eine Entscheidung zu treffen - im Spannungsfeld einer seriösen Finanzpolitik, aber auch einer fairen Sozialpolitik.