1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Giftige Chemikalien in der Ehle

Umweltskandal Giftige Chemikalien in der Ehle

Die Ehle in Westeregeln, Egeln und Tarthun ist mit hochgradig giftigen Schadstoffen belastet.

24.01.2018, 18:00

Egeln l Die Ehle, die in der Verbandsgemeinde Egelner Mulde die Gemarkungen Westeregeln, Egeln und Tarthun passiert und bei Rothenförde in die Bode mündet, ist mit hochgradig giftigen Schadstoffen belastet. Das hat ein vom Land in Auftrag gegebenes Gutachten festgestellt. „In der vergangenen Woche wurden wir durch die Landesanstalt für Altlastenfreistellung über einen Bericht zur humantoxikologischen Beurteilung von PCB und PCN in Böschungen, im Boden und in Pflanzen entlang der Ehle unterrichtet. Es wurden Sedimentproben der Ehle und Bodenproben aus dem Gewässerrandstreifen entlang der Ehle von Westeregeln bis zur Einmündung in die Bode genommen. Sie weisen zum Teil sehr hohe Konzentrationen von PCB und PCN auf.“ Das teilte der Verbandsgemeinde-Bürgermeister Michael Stöhr (UWGE) gestern der Volksstimme in einem Pressegespräch mit.

Bei PCB und PCN handelt es sich um Chlorverbindungen, die zum Beispiel in Transformatoren, Kondensatoren, Hydraulikanlagen (PCB) sowie aufgrund ihrer fungiziden und insektiziden Wirkung zum Beispiel in Holzschutzmitteln (Xylamon) verwendet wurden. Heute sind Produktion und Verwendung von PCB und PCN verboten.

Stöhr: „Diese chemischen Stoffe sind beständig, reichern sich im Organismus an, gelten als krebserzeugend und beeinträchtigen das Immunsystem. Sie erfordern aus diesem Grund weitreichende Schutz- ­und Gefahrenabwehrmaßnahmen sowie Verhaltensregeln.“

Der Verbandsgemeinde-Bürgermeister geht davon aus, dass diese Belastungen durch die ehemaligen Deutschen Solvey-Werke in Westeregeln verursacht wurden. Dort wurde von 1932 bis 1964 das Holzschutzmittel Xylamon und von 1955 bis 1964 das DDR-PCB-Produkt Orophen hergestellt. „Die Einträge in die Ehle erfolgten vermutlich durch produktionsbedingte Abwassereinleitungen und durch den Brand des Xylamonlagers im Jahr 1961“, sagte Stöhr.

Am 15. Januar 1961 war es in Westeregeln kurz vor 10 Uhr zu einer Brandhavarie gekommen, bei der unter anderem 500 Tonnen des als gesundheitsschädlich und umweltgefährlich geltenden Naphtalin verbrannten sowie nicht mehr genau ermittelbare Mengen des „Orophen“.

Da es sich in Westeregeln um eine PCB-Herstellungsanlage handelte, kann laut Berliner Zeitung davon ausgegangen werden, dass die entstandenen Dioxinmengen vergleichbar groß waren. Der Vorgang wurde als „Geheime Verschlusssache“ eingestuft. Außer den unmittelbar Betroffenen erfuhr damals niemand etwas offiziell davon.

„Diese chemischen Stoffe sind beständig, reichern sich im Organismus an, gelten als krebserzeugend und beeinträchtigen das Immunsystem. Sie erfordern aus diesem Grund weitreichende Schutz- ­und Gefahrenabwehrmaßnahmen sowie Verhaltensregeln.“

Der Verbandsgemeinde-Bürgermeister wurde über diese Umweltvergiftung am Freitag zusammen mit Egelns Bürgermeister Reinhard Luckner (UWGE) und Hauptamtsleiterin Dagmar Witzke in einer eilig anberaumten Sitzung im Umweltministerium in Magdeburg informiert. „Dort waren rund 30 Vertreter von sämtlichen dafür zuständigen Behörden anwesend. Das war eine Riesenrunde“, sagte Stöhr.

Den Anstoß für die Untersuchung des Ehlewassers und des in dem Bächlein enthaltenen Schlammes hatte die geplante grundhafte Entschlammung der Ehle durch den Unterhaltungsverband „Untere Bode“ gegeben. Da es sich hier um einen wichtigen Vorfluter handelt, sollten Fördermittel zur Ehle-Renaturierung beantragt werden. Dabei sei die Frage aufgekommen, was mit dem Schlamm passieren solle.

Vor zwei Jahren seien davon Proben genommen worden. Darin habe ein Ingenieurbüro, das vom Landesamt für Altlastenfreistellung mit der Erstellung eines Gutachten beauftragt wurde, eine PCB-Belastung festgestellt, teilte der Verbandsgemeinde-Bürgermeister gestern mit. Der Gutachter habe dazu einen Katalog mit 29 kurz-, mittelfristig- und langfristig abzuarbeitenden Maßnahmen erarbeitet.

Stöhr hat inzwischen die Bürgermeister und die Stadt- und Gemeinderäte der betroffenen Kommunen in eigens dafür angesetzten Beratungen im Egelner Rathaus über die Umweltvergiftung informiert.

Gemeinsam mit dem Umwelt- und Landwirtschaftsministerium des Landes, der Landesanstalt für Altlastenfreistellung, dem Salzlandkreis und weiteren Behörden hat sich die Verbandsgemeinde dazu entschlossen, die Bürger von Egeln, Tarthun und Westeregeln so schnell wie möglich über die neuen Erkenntnisse aufzuklären und ihre Fragen durch Umweltexperten des Landes beantworten zu lassen.

Dazu wurden 3700 Haushalte zu einer Donnerstag, 24. Januar, um 19 Uhr in der Aula des Schulzentrums „An der Wasserburg“ in Egeln anberaumten Informationsveranstaltung eingeladen. „Dort sollen die Ergebnisse des Gutachtens vorgestellt und die Bürger über das weitere Vorgehen informiert werden“, sagte der Verbandsgemeinde-Bürgermeister.

Für den Fall, dass dort die Plätze nicht ausreichen, hat Michael Stöhr Vorsorge getroffen und auch noch die angrenzende Waldsporthalle geordert, wohin die Veranstaltung aus der Schule per Video übertragen wird. Dort können jedoch keine Fragen gestellt werden. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, die Runde per Livestream im Internet unter: www.md-webtv.de/event/ zu verfolgen.