1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Ideen gegen Leerstand auf dem Dorf

Wohnungen Ideen gegen Leerstand auf dem Dorf

Mehr als 30 Prozent der Wohnungen stehen auf den Dörfern nördlich von Staßfurt leer. Wie die Wohnungsgesellschaft Förderstedt damit umgeht.

24.10.2019, 23:01

Förderstedt l Der Trend ist eindeutig. Ja, junge Menschen ziehen auch um Staßfurt drumherun wieder lieber auf das Dorf. So entsteht zum Beispiel in Förderstedt in der Straße „Hinter den Gärten“ ein neues Wohngebiet. Neue Einfamilienhäuser sprießen aus dem Boden. Gut ist: Jede Parzelle ist mittlerweile verkauft. Das große Aber folgt aber auf den Fuß. „Wir brauchen uns nicht einbilden, dass junge Familien zur Miete auf das Dorf ziehen“, sagt Ralf Klar, Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft Förderstedt (WGF). Das ist unattraktiv. Und so verwundern auch die Zahlen nicht, die er präsentiert.

Ende des Jahres 2018 hatte die WGF 467 Wohnungen. 202 standen leer. Das macht eine Quote von 43,3 Prozent. „Das ist relativ hoch, aber nicht Spitze in Sachsen-Anhalt“, sagt Klar. Klar ist aber: „Der Leerstand ist unser größtes Problem.“ Weil es utopisch ist, alle leer stehenden Wohnungen wieder zu besetzen, hat die WGF in einem ersten Schritt die Häuser in drei Kategorien eingeteilt. Kernbestand I heißt: Diese Wohnungen will die Gesellschaft unbedingt behalten. Kernbestand II heißt: Kommt auf den Prüfstand. Und Kernbestand III bedeutet: „Davon müssen wir uns konsequent trennen.“

In Frage kommen Abriss und Verkauf. „Weil eine Sanierung von Vierfamilienhäusern nicht realisierbar ist, versuchen wir Grundstücke zu verkaufen“, so Klar. Gab es 2017 noch 504 Wohnungen, die die WGF betreuen musste, sind es nun nur noch 390 (Stand 30. September 2019). Aktuell gebe es nur noch einen Leerstand von 33,1 Prozent. 116 Wohnungen stünden noch leer.

Der Umgang mit den Mietwohnungen auf dem Dorf ist eine Philosophiefrage. Gerne würde die WGF noch mehr abreißen. Aber: „Es gibt keine Förderung für den Abriss im ländlichen Raum.“ Das Förderprogramm Stadtumbau Ost hält zum Beispiel Fördermittel für den Abriss in Städten wie Staßfurt vor. Nicht aber in Atzendorf, Förderstedt, Brumby oder Glöthe.

Es braucht also neue Vermarktungsideen. Günter Döbbel (FDP) fragt: „Ist es vielleicht möglich, eine Förderung für barrierefreies und integratives Bauen zu bekommen?“ Er regt zudem an, dass eine Prioritätenliste für den Abriss erstellt wird, innerörtliches Bauen favorisiert wird (statt in den Randlagen) und bringt als Idee an, Häuschenbauer zu begünstigen, indem diese zehn Jahre keine Steuern zahlen für ihr Grundstück.

Mathias Cosic (CDU) fordert: „Man sollte Werbung machen für die Sanierung einzelner Wohnungen.“ Denn die WGF nimmt sich Mietern an, die in leere Wohnungen wollen und modernisiert diese. Cosic sagt zudem: „Lückenbebauung ist schwierig.“ Wer auf drei Seiten keine freie Sicht hat, könne schwer begeistert werden.

Detlev Kiel (SPD) nimmt die Wirtschaftsförderung in die Pflicht: „Es gibt eine Stadtflucht. Wir sollten Förderstedt herausstellen und die Häuser richtig anbieten und die Interessenten gut betreuen.“

In Brumby wurden in letzter Zeit drei Häuser der WGF verkauft. Darunter auch das Schloss. Peter Maier (Linke) will daher wissen: „Gibt es eine Chance, diese Häuser vollzubekommen?“ Diese Frage konnte Ralf Klar nicht beantworten. Förderstedts Ortsbürgermeister Peter Rotter (CDU) sagte dazu aber: „Eigentum verpflichtet.“

Generell müsse die Region besser vermarktet werden. „Wir sind der Speckgürtel von Magdeburg und Halle“, sagte Rotter. „In Halle und Magdeburg sind die Mieten kaum noch bezahlbar. Wir haben in Förderstedt eine direkte Zugverbindung nach Magdeburg ohne Umstieg.“ Ralf Klar meinte dazu: „Bis wir der Speckgürtel von Magdeburg sind, ist es noch eine Weile hin. Da kommen erst Schönebeck und Calbe.“ Gerade Schönebeck sagt Detlev Kiel dabei eine positive Entwicklung voraus. „Die Industrie entwickelt sich dort gut, viele Arbeitsplätze entstehen. Immer mehr Magdeburger kommen nach Schönebeck. In Staßfurt und den Ortsteilen dauert das noch ein bisschen.“

Aber aber aber. So negativ will Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD) seine Stadt nicht dargestellt wissen. „Wir sind in den vergangenen drei Jahren Gewerbesteuersieger. So weit wie wir sind andere Kommunen noch lange nicht.“ Es gebe durchaus positive Entwicklungen an der Bode. Man müsse nur den Blickwinkel ändern. Als Maßnahme, um Menschen nach Staßfurt zu holen, sieht Wagner als ersten Schritt einen Flächennutzungsplan. „Dafür ist Geld vorgesehen. Das ist der einzige Weg.“

Die Wohnungsgesellschaft Förderstedt forciert die Verkäufe. Erfreulich ist es dann zum Beispiel, wenn es für verkaufte Objekte konkrete Nachnutzungsideen gibt. So berichtet Ralf Klar, dass sich die WGF in Glöthe in der Straße des Aufbaus von einem Objekt getrennt habe. „Das nutzt das Kinder- und Jugendhilfezentrum Groß Börnecke jetzt als Außenstelle. Wir können nur mit Konzepten und Projekten etwas entwickeln.“

Durch außerplanmäßige Abschreibungen in Folge des demografischen Wandels steht die WGF vor Problemen. Trotzdem sind die Zahlen, die Klar präsentiert, nicht unbedingt negativ. So gebe es bei einem Anlagevermögen von 8,5 Millionen ein Eigenkapital von 5,4 Millionen Euro. 4,1 Millionen Euro wären an Verbindlichkeiten offen. Im Jahr erzielt die Wohnungsgesellschaft im Schnitt Erlöse von 1,2 Millionen Euro. 400.000 Euro wurden für Instandhaltungsmaßnahmen ausgegeben. Auch deshalb gab es Ende 2018 ein negatives Ergebnis von 445.000 Euro.