Gespräch zum Jahreswechsel Salzlandkreis-Landrat Markus Bauer sieht verbesserte Kommunikation mit Ameos
Wie geht es mit den Krankenhäusern im Salzlandkreis weiter? Im zweiten Teil des Interviews spricht Landrat Markus Bauer darüber, wie Familien besser unterstützt werden können und welche Reformideen er hat.

Salzlandkreis - Wie können die Probleme im ländlichen Raum gelöst werden? Wie kann der Bevölkerungsschwund bekämpft werden, die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr verbessert werden? Wie kann die medizinische Versorgung gewährleistet bleiben und wie die Finanzierung gesichert werden? Im zweiten Teil des Jahresinterviews spricht Landrat Markus Bauer (SPD) mit Enrico Joo über Reformmodelle und den Einfluss, den er selbst hat.
Wie können Familien besser unterstützt werden?
Markus Bauer: Viele Paare entscheiden sich gegen ein zweites Kind oder komplett gegen Kinder. Hier muss auch über Anreize gesprochen werden, Kinder zu bekommen, eine Familie zu gründen. Das hat auch etwas mit Sicherheit zu tun. Das ist auch die Frage, wie ich mir das leisten kann. Das könnte man auch strukturieren. Aber nicht über das Thema Bürgergeld. Man könnte sagen: Wenn jemand sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, dann bekommt er Unterstützung, wenn Nachwuchs geboren wird.
Von den Firmen?
Nein, vom Staat.
Ähnliche Modelle hatten wir doch schon. In einem anderen Staat, zu DDR-Zeiten.
Ich will nicht sagen, dass es Bargeld gibt. Aber man könnte über eine deutliche Erhöhung der Steuerfreibeträge sprechen. Das tut keinem weh. Im Gegenteil: Familien könnten mehr in ihr Eigentum investieren. Das kommt auch dem Nachwuchs zugute, der ja übermorgen gebraucht wird.
Als Belohnung sozusagen.
Als Anreiz. Und das nicht pauschal mit der Gießkanne. Sondern die, die sich wirklich intensiv um das Thema kümmern. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Spagat. Eine Entlastung würde da eine große Rolle spielen. Vor allem im ländlichen Raum. Hier wohnen 70 Prozent der Bevölkerung. Das spielt eine zu geringe Rolle in den Betrachtungen. Alle lieben den ländlichen Raum, freuen sich über Bilder, fahren hier gern Fahrrad. Aber das entsteht nur, weil sich hier Leute engagieren. Das kommt mir oft zu kurz.
Gesundheitsversorgung darf kein Glück sein.
Markus Bauer, Landrat Salzlandkreis
Das Thema gesundheitliche Versorgung war 2024 auch sehr präsent im Salzlandkreis. In Staßfurt wurden im Frühling des vergangenen Jahres die letzten stationären Abteilungen geschlossen, diese sind nach Bernburg gegangen. Wie ist die Kommunikation mit dem Krankenhausträger Ameos? Braucht es einen besseren Draht? Erwarten Sie weitere Umstrukturierungen?
Seit Corona haben wir eine Konferenz mit den Krankenhausdirektoren, die alle zwei Wochen stattfindet. Aber die strategisch-politischen Fragen werden natürlich bei Ameos intern besprochen. Da haben wir kein Mitspracherecht.
Glauben Sie, dass Ihr Einfluss groß genug ist, damit es in Aschersleben weiter eine Geburtsstation gibt?
Ich bin ja nicht nur der Landrat als Mensch Markus Bauer, sondern ich bin die Vertretung der Bevölkerung über die Behörde. Meine Aufgabe ist es, den Willen der Bevölkerung auch an den entsprechenden Ebenen darzustellen.
Kommt das bei Ameos an?
Ja, nach den Erfahrungen im vergangenen Jahr hat sich die Kommunikation wieder verbessert. Wir stimmen uns zu den verschiedensten Themen regelmäßig ab. Uns eint bei allen Differenzen mit Ameos das gemeinsame Ziel, eine qualitativ hochwertige stationäre Gesundheitsversorgung.
Die Spezialisierung wird bei Ameos ja schon seit einigen Jahren aktiv vorangetrieben. Wie sehen Sie das?
Zunächst: Spezialisierung ist ein bundesweites Phänomen, mit der aktuellen Gesundheitsreform politisch auch so gewollt. Für mich nachvollziehbar, denn als Patient möchte ich natürlich zu einem Facharzt, der möglichst viel Erfahrung hat. Nur: Gesundheitsversorgung darf kein Glück sein. Eine gewisse Spezialisierung gab es schon mal in Form von Polikliniken.
Der ländliche Raum braucht genauso die Möglichkeit, Fachärzte zu erreichen. Und dazu bedarf es im ländlichen Raum höhere Anreize. Vielleicht muss die Kassenärztliche Vereinigung finanziell mehr Anreize setzen und Wohnstandorte zur Verfügung stellen, damit der Arzt sagt: Ich will nicht nur in Berlin, Leipzig oder Magdeburg bleiben, sondern ich will mit meiner Familie im ländlichen Raum wohnen, weil es da schön ist.
Viele junge Leute sagen: Ich will gar kein eigenes Auto, das kostet mir viel zu viel Geld.
Markus Bauer, Landrat Salzlandkreis
Ja, aber es braucht natürlich auch eine gewisse Erreichbarkeit. Viele Dörfer haben gar keinen Bahnhof und der Bus hält auch nur zweimal am Tag, im übertragenen Sinne. Sie begleiten seit vielen Jahren auch das Thema Salzlandbahn, um zwischen Magdeburg und Halle eine bessere Verbindung über Bernburg zu ermöglichen. Wie kann denn der Salzlandkreis besser angebunden werden?
Dass wir über eine Verbindung zwischen Halle und Magdeburg über Bernburg mit S-Bahn-Charakter überhaupt reden, geht auf meine Initiative zurück. Wie wichtig ein solches Mobilitätsangebot ist, sehen wir doch mittlerweile. Das Bewusstsein einer ganzen Generation hat sich verändert. Viele junge Leute sagen: Ich will gar kein eigenes Auto, das kostet mir viel zu viel Geld. Ich würde viel lieber mit der Bahn fahren.
Ich erinnere an 2012. Damals sollte die Strecke zwischen Bernburg und Schönebeck über Calbe tot gelegt werden. Ich habe als Bürgermeister von Nienburg dafür gekämpft, dass das nicht passiert. Danach haben wir die Landesregierung von der Notwendigkeit einer solchen Verbindung überzeugt. Deshalb können wir heute überhaupt über das Projekt Salzlandbahn sprechen. Sicher: Es läuft nicht immer so, wie zu Beginn geplant. Aber: Der Rückspiegel darf nicht größer sein als die Frontscheibe.
Zur Salzlandbahn ist eine Machbarkeitsstudie erstellt worden. Das wurde vor drei Jahren angeschoben. Es gibt einen Arbeitskreis dazu. Wir sehen: Ein solch großes Infrastrukturprojekt realisieren wir nicht mit einem Fingerschnippen. Das kann sich nur Stück für Stück entwickeln. Meine Botschaft ist deshalb: Durchhalten! Hier geht der Ruf zur Deutschen Bahn und zur Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH. Der Wunsch der Bevölkerung ist: Wir wollen in die Landeshauptstadt, wir wollen nach Halle.

Wir wollen auch diesen Reiz, in unter drei Stunden nach München oder nach Frankfurt zu fahren, nicht nur aus der Zeitung kennen. Dass nicht nur die Hallenser das dürfen, sondern wir auch. Der Bahnhof in Halle ist nicht nur für Halle gebaut, sondern für alle. Wenn ich den aber aus dem ländlichen Raum nicht erreiche, dann habe ich von dem Vorteil nichts, dass mit Steuergeldern die Verbindungen gestärkt wurden.
Das eine Thema ist die Salzlandbahn. Aber es gibt kleinere Kommunen im Salzlandkreis, die nicht an dieser Strecke liegen. Eine Stadt wie Staßfurt hat zum Beispiel eine direkte Verbindung nach Magdeburg, aber nicht nach Halle.
Da braucht es eine differenziertere Betrachtung beim ÖPNV. Kann alles nur der Staat managen oder kann man vielleicht auch selbst etwas machen. Als ich jung war, bin ich zum Beispiel mit dem Moped nach Schönebeck gefahren und bin dann aus Kostengründen in die S-Bahn gestiegen. Man kann nie alles gleich machen. Das ist auch nicht der Sinn von Politik. Aber es gibt auch positive Beispiele, die zeigen, dass sich etwas tut. Wir haben uns starkgemacht, dass die ehemalige Bahnbrücke in Barby im Bundesverkehrswegeplan überhaupt wieder drin ist. Die sollte 2015/2016 verkauft werden. Wäre das passiert, dann wäre die Brücke nicht mehr da. Unsere Aufgabe ist es, zu erklären, dass Projekte auch manchmal weit über eine Legislaturperiode hinausgehen. Vielleicht ist es dann ein neuer Kreistag, der es anschieben kann. Es ist doch schön, vielleicht nicht selbst zu bauen, aber Ideengeber zu sein.
Wie ist denn die Zusammenarbeit mit dem im Sommer 2024 neu gewählten Kreistag?
Sehr gut.
Der hat sich ja ein bisschen verändert ...
Hier geht es um den Faktor Mensch. Hier geht es um Ideen, wie die Region weiter vorangebracht werden kann. Wir haben ja trotz der Finanzsituation in den Kommunen einen vom Kreistag beschlossenen Haushalt. 17 Millionen Euro Defizit. Schlimmer geht’s nicht, denkt man. Aber wir haben den Nachbarkreis Mansfeld-Südharz, da sind es 65 Millionen Euro Defizit. Es ist ein Unding, dass man die Kommunen mit diesem Defizit allein lässt. Das Geld passt nicht zu den Aufgaben, die wir haben. Die Aufgaben sind so nicht leistbar. Das beschäftigt uns natürlich auch bei den verschiedenen Klagen, die wir beim Thema Kreisumlage haben. Wenn ich dann an freiwilligen Aufgaben sparen sollte, dann frage ich mich, wie soll sich eine Gesellschaft dann noch entwickeln können.
Wie kann denn dieser Spagat gelingen? Die Kommunen wehren sich, wenn die Kreisumlage erhöht wird. Wie können die Kommunen mitgenommen werden, damit es nicht eine erneute Klagewelle gibt, aber gleichzeitig die Daseinsvorsorge im Salzlandkreis gewährleistet ist?
Bei einem Defizit von 17 Millionen Euro ist die Auskömmlichkeit nicht gegeben. Das heißt: Wir haben Bedarf an zusätzlichen Einnahmen. Ergo ist es absurd, trotz Möglichkeit der Kreisumlage einen Haushalt mit einem solchen Defizit aufzustellen. Andere Landkreise haben Defizite von 40 oder 50 Millionen. Das ist aber kein Phänomen allein in Sachsen-Anhalt. Schauen Sie nach Sachsen oder Thüringen.
Ist die Kreisumlage also nicht mehr zeitgemäß?
Vielleicht braucht es eine Reform. Vielleicht braucht es vom Land eine Zuweisung A, B oder C nach Anzahl von Einwohnern. Ich bin nicht in der Landesregierung, aber ich stelle fest, dass das Modell zur Erhebung der Kreisumlage seit einigen Jahren nicht mehr funktioniert. Ich kann den Ruf nach mehr Geld verstehen. Aber wir als Landkreis haben den Fehlbetrag in den vergangenen zehn Jahren deutlich abgebaut. Aber nicht durch das Streichen von Investitionen. Wir haben viele Konzepte aufgestellt, viele Fördermittel akquiriert. Da geht es auch um die Frage, was mit leer gewordenem Raum passiert. Beheize ich den weiter? Wir haben allein im vergangenen Jahr durch das Energiemanagement fast 700.000 Euro eingespart. Diese Eigenkritik braucht es auch in höheren Ebenen. Diese Frage haben wir uns als Landkreistag ja auch gestellt. Brauchen wir eine Dreistufigkeit der Verwaltungsstruktur in Sachsen-Anhalt? Ministerium, Landesverwaltungsamt, Landkreis? Oder können wir Aufgaben des Landesverwaltungsamts auf das Ministerium oder den Landkreis übertragen? Aber nicht nur die Aufgaben, sondern auch das Know-how und die Finanzen.
Nach vorn zu schauen ist das Ziel für unsere Gesellschaft in der Region zwischen Halle und Magdeburg.
Markus Bauer, Landrat Salzlandkreis
Wollen Sie noch ein paar persönliche Worte an die Bürgerinnen und Bürger im Salzlandkreis richten?
Wichtig ist mir die Beantwortung der Frage: Wie wollen wir leben? Die können wir nur beantworten, in dem wir es selbst beschreiben. Nach vorn zu schauen ist das Ziel für unsere Gesellschaft in der Region zwischen Halle und Magdeburg; ein Scharnier zu sein. Weil das die Chance ist, den ländlichen Raum zu stärken. Mit solchen Botschaften gewinnen wir. Dann sagen die Leute: Da wollen wir hinziehen! Dann können auch Firmen wie Avnet, Florida-Eis oder Mercury sehen, was wir in den vergangenen Jahren gemeinsam erreicht haben. Ich finde, wir können stolz sagen: Ich komme nicht aus der Region zwischen Leipzig und Hannover, sondern: Ich komme aus Bernburg, Aschersleben, Schönebeck oder aus Staßfurt. Damit provoziere ich immer die Gegenfrage: Wo ist denn das? Und schon komme ich ins Gespräch.
Und was macht die Region aus?
Ein Miteinander, ein sehr intaktes Vereinsleben und die Möglichkeit, Tourismus, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Ein Beispiel: Ich war 18 Jahre alt, als die Mauer fiel. Fahrradfahren hieß damals: Der Vater fährt mit dem Rad zur Schicht und abends vielleicht noch in die Kneipe oder in die Gartensparte. Heute bedeutet Fahrradfahren: Ganze Familien sind mit dem Rad über mehrere Tage in der Region unterwegs, um die Heimat neu zu entdecken.
Heute hat das einen anderen Stellenwert.
Ganz anders. Meine erste Investition als Bürgermeister von Nienburg war damals – ich war stolz wie Oskar – eine 100-Prozent-Förderung für einen Radweg zwischen Bernburg, Latdorf und Nienburg. Da gab's die Frage: Hat der nichts Wichtigeres zu tun? Heute ist Radtourismus ein echter Wirtschaftsfaktor. Dahinter steckt der Verkauf von Fahrrädern, technisches Know-how, Hotelbetrieb, Gastronomie. Das ist wie ein Sog. Das meine ich mit Strategie. Wir haben jetzt nach 35 Jahren die Saale und die Bode mit dem Bau der Steganlagen und Treppen sowie den R1 in den Fokus gerückt. Wenn das gewollt gewesen wäre, hätte das schon lange passiert sein können. Und das Geld haben wir gemeinsam in alle Projekte gesteckt, um damit ein Image auszustrahlen.