1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Gottesdienst auf den Fundamenten der Johannis-Kirche soll Erinnerung wachhalten

Am 9. September zwei wichtige Termine für das einstige Wahrzeichen der Salzstadt Gottesdienst auf den Fundamenten der Johannis-Kirche soll Erinnerung wachhalten

Von René Kiel 31.08.2012, 05:29

Genau 106 Jahre nach dem letzten Gottesdienst in der St. Johannis Kirche in Staßfurt soll es am Sonntag, dem 9. September, um 9 Uhr an der Stelle, an dem sich das Gotteshaus einst befand, wieder eine solche kirchliche Feier geben.

Staßfurt l Die Vorbereitungen für diesen Gottesdienst unter freiem Himmel laufen jetzt auf Hochtouren. Pfarrer Thomas Weigel, die Mitglieder des Gemeindekirchenrates und der Staßfurter Geschichtsverein, der dieses Vorhaben unterstützt, tuen an diesem Tag so, als ob die Kirche nicht in den 1960er Jahr abgerissen, sondern heute noch stehen würde.

Sie wollen im einstigen Kirchenschiff Bänke für rund 200 Besucher aufstellen. "Das besondere dieses Gottesdienstes wird es sein, das Geläute der Kirche zu imitieren", sagte der Pfarrer.

Eine Glocke soll vor ihrer Zerstörung im Jahr 1943 in ihrem Klang dem des Prager Veitsdomes sehr ähnlich gewesen sein. Deshalb wird genau diese Stimme aus Tschechien am 9. September in der Nähe des Staßfurter Stadtsees zu hören sein.

Abhalten wird diesen Gottesdienst am 14. Sonntag nach Trinitatis Pfarrer Thomas Weigel. Dabei will er bei jedem Teil einen Teil aus der Kirchengeschichte mit einbeziehen, zum Beispiel auch den Ablassbrief aus dem Jahr 1476, den die Kirchengemeinde von der Stadt als Leihgabe erhalten hat. Außerdem sollen auch geistliche Lieder aus dem 17. Jahrhundert erklingen, die einst für Staßfurt komponiert wurden und sich jetzt in der Schlossbibliothek in Wernigerode befinden. "Zwei dieser insgesamt sechs Lieder werden am 9. September in Staßfurt zu Gehör gebracht", sagte der Pfarrer.

Er sowie der Geschichtsverein haben großes Interesse daran, die Geheimnisse dieser Kirche zu ergründen. Ihr Turm war zwischen 1420 und 1430 als Ausgangspunkt für den 1469 begonnenen gotischen Kirchenneubau erbaut worden, der 1484 abgeschlossen wurde. Dieses Bauwerk war über Jahrhunderte das Wahrzeichen der alten Salzstadt. Um die Jahrhundertwende hatte das Gotteshaus unter den Bergbaufolgeschäden enorm gelitten und wurde baupolizeilich gesperrt, so dass am 9. September 1906 der letzte Gottesdienst stattfand.

Knapp 42 Jahre später, am 27. Mai 1948 brannte das Kirchenschiff aufgrund von Brandstiftung durch Kinder völlig aus, so das man sich gezwungen sah, es komplett abzutragen. Übrig blieb lediglich der Kirchturm, der wegen seiner starken Neigung von zuletzt 4,65 Meter aus dem Lot als "Schiefer Turm" von Staßfurt Berühmtheit erlangte.

Der Wunsch der Bürger, ihn zu erhalten und zu sichern, erfüllte sich nicht, denn 1964 wurde er eingerüstet und bis 1965 Stein für Stein abgetragen. Letztere wurden am Ende des Neumarktes in Richtung Rossbahn verkippt.

Mit der Umgestaltung des Areals und der Anlage eines Stadtsees im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2010 wurde der Standort der Kirche optisch wieder sichtbar gemacht.

"Wer sehen möchte, wie

unsere Kirche einmal aussah, muss nach Salzelmen fahren. Dort hat sich im Gegensatz zu Staßfurt die Inneneinrichtung zu 100 Prozent erhalten", sagte Pfarrer Weigel.

Wer hat Fotos von innen?

Unter seiner Leitung begann sich im August des vergangenen Jahres eine Arbeitsgruppe zu formieren, um Material, Fotos, kirchliche Gegenstände und einzigartiges Filmmaterial zu sichten, zu sortieren und für die geplante Ausstellung über die St. Johannis Kirche vom 9. September bis zum 24. Oktober im Stadt- und Bergbaumuseum zu bearbeiten.

"Wir haben uns darum bemüht, so viel Originalgegenstände wie möglich zu sammeln und im Museum zu präsentieren", berichtete der Pfarrer. Während der Zeit der Ausstellungen wollen er und seine Mitstreiter auch Führungen anbieten.

Was sie noch dringend suchen sind zum Beispiel Innenaufnahmen aus dem Kirchenschiff. Wer noch einige Exemplare davon besitzt, wird gebeten, sie dem evangelischen Pfarramt zur Herstellung von Kopien kurzfristig zur Verfügung zu stellen.

Wie Weigel informierte, wird auch das originale Löschfahrzeug der Hecklinger Ortswehr am 9. September mit anwesend sein, dass am 27. Mai 1948 zur Brandbekämpfung mit eingesetzt worden war.

Der Vorsitzende des Geschichtsvereins der Stadt, Heinz Czerwienski, äußerte sich erfreut über die Aktivitäten der evangelischen Kirchengemeinde. Die werde man weiterhin tatkräftig unterstützen.