1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Reichsflagge in Hakeborn gehisst: Corona-Protestler nach Volksverhetzung vor Gericht

Gerichtsurteil Reichsflagge in Hakeborn gehisst: Corona-Protestler nach Volksverhetzung vor Gericht

Nachdem der Besitzer des Saals in Hakeborn den Fahnenmast der Gemeinde mit der Reichskriegsflagge bestückt hatte, fiel im Schaukasten ein Pamphlet von ihm auf. Das brachte den Familienvater jetzt vor Gericht wegen Volksverhetzung.

Von vs Aktualisiert: 13.10.2021, 09:35
In Hakeborn hat ein Mann im Dezember letzten Jahres die Reichskriegsflagge gehisst.
In Hakeborn hat ein Mann im Dezember letzten Jahres die Reichskriegsflagge gehisst. Foto: vs

Hakeborn - Eine Anklage wegen Volksverhetzung führte den Besitzer des Saals in Hakeborn jetzt vor das Amtsgericht in Aschersleben. Als Zeuge war Michael Stöhr geladen, der Verbandsgemeindebürgermeister der Egelner Mulde.

Der 40-jährige Angeklagte gehört offenbar zu einer Verbindung von Personen aus dem Landkreis Börde, die als Corona-Protestler mit Nähe zu Rechtsextremismus und Reichsbürgertum von sich reden machen. Erst hatte sich die Gruppierung immer sonntags an der B 81 bei Egeln mit Reichskriegsflaggen aufgestellt und bei einem „Stillen Protest“ auf Aufmerksamkeit gehofft.

Protestaktionen an der B 81

Nachdem die Stadt Egeln die Aktionen verbieten ließ, begrüßen die Protestler die Autofahrer nun regelmäßig in einem kleinen Ort im Harz. Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt ordnet sie nicht den Reichsbürgern und Selbstverwaltern zu, die den deutschen Staat nicht anerkennen. Er sammelt dennoch Informationen über sie.

Wie sich der Hakeborner selbst überführte, erklärte Michael Stöhr nach der Verhandlung: „Er hatte die schwarz-weiß-rote Flagge in Hakeborn am Fahnenmast gehisst. Das war dem Bürgermeister Axel Großheim aufgefallen und er ließ die Fahne von Gemeindearbeitern entfernen.“

Der Besitzer des Saals, der keine Genehmigung zum Betrieb als Kneipe oder Veranstaltungsort hat, erstattete übrigens eine Anzeige wegen Sachbeschädigung der Fahne. Die lief aber ins Leere, weil die Gemeindearbeiter richtig gehandelt hatten – der Mast gehört der Gemeinde Börde-Hakel.

Auf Fahne folgte Aushang

In dem Zuge fiel einem Gemeindearbeiter aber der Aushang im Schaukasten auf, den die Gemeinde dann am 8. Dezember 2020 zum Beweis abfotografieren ließ. Mit dem Pamphlet handelte sich der Hakeborner eine Anklage wegen Volksverhetzung ein.

Der Aushang, gespickt mit Bildchen in Anlehnung an die Reichskriegsflagge, richtete sich „an alle in der Gemeinde Börde-Hakel.“ Darin stand: Die Familie habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Gemeinde aufzuklären und zusammenzubringen. Während der Schreiber im Hauptteil gegen Impfen, Masken, Merkels Regierung, Medien und eine große Verschwörung wettert, heißt es am Anfang: Es sei eine Lüge, dass das Deutsche Volks Juden getötet und Krieg geführt habe.

Der Schreiber erklärte weiterhin, er wolle den Menschen aus Hakeborn im Saal eine Dokumentation zeigen, die sie aufkläre. Und er setze sich für die Gemeinschaft ein, weil er Osterfeuer und anderes organisiert habe.

Für die Staatsanwaltschaft aus Magdeburg war eindeutig der Tatbestand der Volksverhetzung bewiesen. Den laut Paragraf 130 Strafgesetzbuch bedeutet „Volksverhetzung“ auch, eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung, Holocaust und Völkermord, öffentlich oder in einer Versammlung zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen.

Gleich zu Beginn der Verhandlung gibt der Hakeborner zu, den Text im Schaukasten angebracht zu haben und auch die Flagge gehisst zu haben. Mit dem Geständnis wird Stöhrs Zeugenaussage überfällig, er verfolgt den Prozess dennoch weiter.

"Sie dürfen nicht denken, dass alle anderen so blöd sind und die Ähnlichkeit zur Hitler-Fahne nicht bemerken."

Richter Schröter zum Angeklagten

Ebenfalls gleich zu Beginn stört ein Kumpel des Angeklagten im Zuschauerraum die Verhandlung und fängt sich die erste Ermahnung von Richter Robert Schröter ein. Der Zuschauer macht immer wieder durch Kopfschütteln und Lachen seine Haltung deutlich und ist wesentlich ungehaltener als der Angeklagte.

„Ich habe den Text aus dem Internet abgetippt“, erklärt der Hakeborner vor Gericht. Es sei ihm ja gar nicht um die Leugnung der NS-Verbrechen gegangen. „Ich wollte eigentlich sagen, dass das nicht unter schwarz-weiß-roter Flagge passiert ist“, rudert er zurück.

Öffentliches Leugnen von NS-Verbrechen ist strafbar

„Der erste Teil des Textes ist strafrechtlich relevant. Den ganzen anderen Mist hätten Sie ruhig absondern können, das hätte niemanden gestört“, fasst Richter Robert Schröter zusammen. Der Angeklagte habe sehr wohl bewusst das alles in einen Topf geworfen und die Fahne des deutschen Kaiserreichs gehisst, die ja angeblich nur „rein zufällig“ dieselben Farben hat wie die Hitlerfahne. „Sie dürfen nicht denken, dass alle anderen so blöd sind und das nicht merken“, so Richter Schröter.

Vor Gericht stellt sich heraus, dass der Hakeborner verheiratet ist und Kinder hat und bereits wegen Trunkenheit am Steuer aufgefallen ist. Weil Kinder im Haushalt leben, sollen diese nach Richter Schröter nicht noch unter Geldmangel leiden. Er geht bei der Geldstrafe vom üblichen Tagsatz runter auf 30 Tagessätze à zehn Euro, die der Hakeborner nun inklusive der Kosten des Verfahrens zu zahlen hat.

Kurz vor Schluss der Verhandlung fliegt der Kumpel des Angeklagten im Zuschauerraum übrigens raus. Er fiel dem Richter während der Urteilsverkündung ins Wort, das machte eine zweite Ermahnung überflüssig. Mit den Worten „Lass dir das schriftlich geben“ verließ der pöbelnde Zuschauer den Gerichtssaal, worauf Richter Schröter nur lachen konnte und dem Angeklagten riet: „Sie sollten sich auch neue Freunde suchen.“

Mit einem Aushang hoffte der Hakeborner, weitere Gleichgesinnte im Ort zu finden.
Mit einem Aushang hoffte der Hakeborner, weitere Gleichgesinnte im Ort zu finden.
Foto: vs