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Haubold „Wir legen die Firma ins Koma“

Das Gänsefurther Unternehmen Haubold muss ohne Auftrag Konsequenzen ziehen.

Von Franziska Richter 18.11.2020, 00:01

Gänsefurth/Naumburg l Seit August sind es nun vier Monate, in denen die Busse von der Regionalverkehr Salzland GmbH aus Gänsefurth nicht mehr fahren. Zuvor hatte die Firma von Torsten Haubold jahrzehntelang im Auftrag der öffentlichen Hand Buslinien in Staßfurt, Egeln und Hecklingen bedient und war für die Personennahverkehrsgesellschaft Salzland PNVG, eine Betriebsgesellschaft der Kreisverkehrsgesellschaft (KVG), Tochter des Salzlandkreises, als Subunternehmer unterwegs.

Im August verlor Haubold die europaweite Ausschreibung der KVG für die Staßfurter Linien und versucht seitdem über verschiedene Gerichts- und Verwaltungsverfahren doch noch weiter den Linienverkehr in Staßfurt bedienen zu dürfen.

Der Gänsefurther Unternehmer musste seine Mitarbeiter so lang in Kurzarbeit schicken. Von damals 33 Busfahrern sind heute noch etwa 20 übrig. „Vielen reicht der Anteil des eigentlichen Lohns beim Kurzarbeitergeld natürlich nicht, das kann ich ihnen nicht verübeln“, so Haubold. Nach und nach kündigten einige Mitarbeiter seit August und fanden neue Anstellungen bei Busunternehmen in benachbarten Regionen und Landkreisen.

Das Familienunternehmen, das mit „Haubold Reisen“ noch ein zweites Standbein hat, bereitet sich auf schwierige Zeiten vor: „Wir haben die Firma quasi ins Koma gelegt“, so Torsten Haubold. Er trenne sich schweren Herzens von den verbliebenen Fahrern. Die Fahrer hätten jedoch zugesichert, zurückzukommen, falls oder sobald die Firma reaktiviert werden könne.

Auch den Verkauf von Fahrzeugen schiebt man vorsichtshalber in Gänsefurth langsam an. Einige Linienbusse sind aktuell im Internet zu finden. Solche Angebote hießen nicht, so Haubold, dass Busse sofort weggingen, sondern Verkäufe dieser Art ziehen sich durchaus über Wochen und Monate hin. Auch hier kann der Unternehmer noch die Notbremse ziehen und die Busse doch behalten.

All das geschieht jetzt unter Vorbehalt weiterer Gerichtstermine. „Die Firma kann jederzeit wieder aus dem Koma aufgeweckt werden“, so Haubold, der sich mit einer Katze vergleicht, die laut Volksmund sieben Leben hat. So summierten sich seinen Angaben zufolge die offenen Rechnungen an seinen früheren Auftraggeber mittlerweile auf eine Million Euro. Auch deswegen hatte Haubold die Gerichte angerufen – der Richter in Magdeburg will den Streit demnächst durch einen Gutachter klären lassen.

Ein wichtiger Termin findet am 4. Dezember vor dem Oberlandesgericht Naumburg statt. Hier soll das Gericht beurteilen, ob die geplante Vergabe der Staßfurter Linien an das Busunternehmen Mendorf aus Aschersleben rechtswidrig war. Die Kreisverkehrsgesellschaft KVG, als Inhaberin der Linienrechte im Salzlandkreis, hatte angekündigt, den Zuschlag an Mendorf längerfristig für zwei Jahre mit Option auf ein Jahr Verlängerung zu erteilen. Ein Ergebnis ist bis Ende des Jahres zu erwarten. „Wir halten das aus“, so Haubold, „und werden weiter durchhalten.“

Haubolds Anwalt Dr. Christoph Stumpf ist zuversichtlich: „Wir gehen davon aus, dass Naumburg die Entscheidung der Vergabekammer bestätigen wird.“ Falls Haubold Recht bekomme, könne das Gericht die KVG auffordern, die Ausschreibung neu und nach bestimmten Kriterien auszuwerten. Vieles spreche dafür, dass dann Haubold den Auftrag erhalte. Neu ausgeschrieben dürfe der Staßfurter Linienverkehr jedenfalls nicht.

Jedoch kann das Gericht immer nur sagen, was nicht in Ordnung war, und nicht über die Vergabe selbst entscheiden.

Haubold meint: „Wenn man mir Recht gibt, heißt das noch nicht, dass ich auch fahre. Wer weiß, was denen dann wieder einfällt?“ Bei einer Niederlage vor Gericht bleibe seine Firma für den Linienverkehr auch weiter auf Eis gelegt. „Aber Gänsefurth wird nicht aufgegeben“, so der alteingesessene Familienunternehmer, dessen zweite Firma für Tagesausflüge weiterhin besteht, auch wenn die Corona-Beschränkungen momentan keine Aktivitäten zulassen.

Ähnlich äußert sich Haubolds Anwalt Dr. Stumpf: „Wir sehen keinen Grund aufzugeben.“ Es sind verschiedene Gerichts- und Verwaltungsverfahren anhängig. Etwa zur Frage, ob Haubolds Firma den ganzen Buslinienverkehr im Salzlandkreis übernehmen kann. Hier ist aber völlig unklar, wann eine Entscheidung kommt.

Aktuell ist der Buslinienverkehr im Bereich Staßfurt bis Ende November geregelt: Das Ascherslebener Unternehmen Mendorf, das nach dem Willen der Kreisverkehrgesellschaft KVG auch langfristig hier tätig werden soll, bedient die Linien. Dies findet übergangsweise statt, da die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Haubold noch laufen.

Für Dezember und eventuelle Folgemonate braucht es erneut eine Lösung, zumal die Gerichtsverhandlung erst Anfang Dezember stattfindet und eventuelle Folgen daraus erst noch umgesetzt werden müssen. Was die KVG ab Dezember für Staßfurt plant, beantwortete sie bis gestern nicht.

Die KVG sieht sich mit ihrer Auswahl des Unternehmens Mendorf im Recht. Als das Oberlandesgerichts Naumburg im Oktober Haubolds Antrag gegen die Übergangsvergabe an Mendorf ablehnte, erklärte sie: „Die Kreisverkehrsgesellschaft hat bei der Ausschreibung zur vorübergehenden Leistungserbringung im Verkehrsraum Staßfurt nicht gegen geltendes Recht verstoßen.“ Damit könne Mendorf solange als Auftragnehmer auftreten bis anhängige Gerichtsverfahren beendet seien.