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Japanerin in Stendal Von Kirchenmusik begeistert

Mako Kusagaya ist die neue Kirchenmusikerin im Dekanat Stendal.

Von Donald Lyko 24.02.2016, 23:00

Stendal l Tokio, Stuttgart, Berlin, die jordanische Hauptstadt Amman – und nun Stendal und die Altmark. Mako Kusagaya ist schon viel herumgekommen. Nicht, weil sie es nirgendwo lange aushält, sondern, weil neue Aufgaben und Herausforderungen sie reizen, weil sie sich ausprobieren möchte. Ende vergangenen Jahres hat sie dieser Lebensweg in den Norden Sachsen-Anhalts geführt. Seit Mitte November ist die Japanerin Dekanatskirchenmusikerin für das Dekanat Stendal. Ein großes Gebiet, das neben der Altmark Teile des Bördekreises und des Jerichower Landes umfasst und bis ins Brandenburgische hinein reicht. Ihr Sitz ist die Pfarrei St. Anna Stendal, zu der die Kirchengemeinden Stendal, Osterburg, Seehausen und Tangerhütte gehören.

Sie selbst sitzt nicht in jeder Kirche an der Orgel oder betreut alle Kirchenchöre im Dekanat, zu dem sieben Pfarreien mit zusammen 27 katholischen Gemeinden gehören. Sie hält die organisatorischen Fäden in den Händen, koordiniert die Einsätze der Organisten und Musikgruppen, sie bietet Fortbildungen für ehrenamtliche Chorleiter an. In den Gemeinden Stendal und Osterburg spielt sie aber während der Gottesdienste die Orgel, an beiden Orten leitet sie die Kirchenchöre, zudem gibt es zwei sogenannte Kinderscholas in Stendal (siehe Infokasten).

Messen, Proben, Sitzungen – von Dienstag bis Sonntag gibt es täglich Termine. Der Montag ist der freie Tag, Ostern, Pfingsten und wichtige Kirchentage ausgenommen. Wenn es die Zeit erlaubt, übt Mako Kusagaya täglich auf der Orgel. Denn die Kirchenmusikerin ist eine erfolgreiche Konzert­organistin, hat Auftritte in Asien ebenso wie in Europa, wo sie seit 1993 lebt. Nachdem sie in ihrer Heimat Musik studiert und sich auf Orgelspiel spezialisiert hatte, zog sie nach Deutschland, nach Stuttgart. Für sie war dies ein logischer Schritt, auch wegen ihrer Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach und Max Reger. Und wegen der komplexen Ausbildung an der Orgel und für das Leiten von Chören. Nicht überall ist dies so, erklärt sie, zum Beispiel in Frankreich werde beides getrennt. „Ich wollte immer Kirchenmusik studieren“, erklärt Mako Kusagaya.

In Stuttgart konzentrierte sie sich weiter auf die Orgelmusik. Zwei Jahre sollte sie anfangs in Deutschland bleiben, so hatte sie es mit ihrem Vater vereinbart. Aber der Wunsch, hier das Studium fortzusetzen und beruflich Fuß zu fassen, wurde immer stärker. Als der Vater dann nach zwei Jahren die finanzielle Unterstützung einstellte, suchte die junge Studentin nach anderen Möglichkeiten, sich ihren Wunsch zu erfüllen. „Ich habe mich an mehreren Hochschulen um Stipendien beworben“, erzählt sie.

In Berlin wurde sie angenommen, dorthin zog sie 1996, beendete erfolgreich ihr Studium in der B-Kirchenmusik, erwarb einen Abschluss als staatlich anerkannte Konzert­organistin. Ihre erste Stelle nahm sie in Berlin-Weißensee an. Es folgten zeitlich begrenzte Stellen, zehn Jahre lang war sie freiberuflich als Organistin für Berliner Kirchengemeinden tätig, übernahm Vertretungen. Für eine Fernseh- und Filmproduktionsfirma hat sie als Musikleiterin gearbeitet. „Ich habe immer irgendwo gespielt oder dirigiert. Die Wochenenden waren immer ausgebucht“, berichtet die Kirchenmusikerin, die lange Zeit Freiheit und Unabhängigkeit im Beruf geschätzt hat.

Vor zwei Jahren machte sie dann einen großen Schritt – mit fünf Koffern reiste sie nach Jordanien. An der Universität Amman bildete sie Musiklehrer aus, denn das Interesse an klassischer Musik hat dort stark zugenommen. Auch wenn die Arbeit sehr viel Spaß gemacht hat, wollte sie doch wieder zurück nach Europa.

Da kam ein Hinweis von Freunden aus Berlin gerade recht. Sie hatten eine Annonce gelesen, dass für das Dekanat Stendal eine neue Kirchenmusikerin gesucht wird. Und sie rieten ihr zu, auch aus Sorge, dass es im Nahen Osten zu gefährlich wird. „Das war in einer Zeit, in der ich mich ohnehin gefragt habe, wo ich künftig leben möchte, wo ich mir eine Grundbasis aufbauen möchte“, sagt Mako Kusagaya, die nach Jahren der Selbstständigkeit und der beruflichen Wechsel heute sagt: „Ich benötige eine kleine Sicherheit.“ Ob es nun Zufall oder Schicksal war, dass sie gerade in dieser Zeit des Lebens-Überdenkens auf die freie Stelle stieß? „Ich habe mir gesagt: Warum probierst du es nicht einfach aus?“ Sie bewarb sich, wurde zum Gespräch eingeladen – und hat überzeugt.

Am 15. November 2015 hatte sie ihren ersten Arbeitstag als Dekanatskirchenmusikerin im Dekanat Stendal. Diese Stelle ist erstmals als 100-prozentige Stelle vergeben.

Ihren Lebensmittelpunkt hat Mako Kusagaya nun nach Stendal verlegt. „Von Vorteil ist, dass vieles fußläufig erreichbar ist“, sagt die Japanerin. In den vergangenen Monaten war sie mit den neuen Aufgaben zu sehr beschäftigt, um die Region und ihre kulturellen Angebote richtig kennenzulernen. Doch das soll sich ändern. Das Theater der Altmark möchte sie besuchen, die Umgebung erkunden. Und wenn es sie nach Berlin oder sogar Amsterdam zieht, weil Ausstellungen und Konzerte locken, „dann komme ich da mit dem Zug sehr gut hin von Stendal aus“.

Konzert, das ist ein gutes Stichwort. „Ich gestalte mein Leben mit Musik“, sagt Mako Kusagaya, die gern Opern hört und sich als „totalen Sinfoniefan“ bezeichnet. Wenn wie im Januar, nach der veranstaltungsintensiven Advents- und Weihnachtszeit, für Kirchenmusiker ein paar ruhige Wochen anstehen, dann passiert es schon mal, dass sie gleich an mehreren Abenden hintereinander Konzerte oder Musiktheater-Inszenierungen besucht. Außerdem geht sie gern schwimmen und reist viel, einmal im Jahr auch zur Familie in Japan, wo sie dann Konzerte gibt. Japan, was sie daran vermisst, sind die schlanken Inselmaße, „wodurch man im Urlaub Berge und Meer meist zusammen hat“.

Wo die Reise beruflich hingehen wird, da ist sich Mako Kusagaya schon sicher: „Ich werde immer bei der Musik bleiben.“ Gern auch weiterhin als Konzertorganistin. Als solche ist sie am 6. März in der Annenkirche in Stendal zu hören. Die Orgelandacht beginnt um 17 Uhr.