"Reichsbürger" 47.000 Euro Steuern hinterzogen
Steuerhinterziehung stand am Montag am Amtsgericht Stendal zur Verhandlung. Als Urteil gab es eine Geldstrafe von 5700 Euro.
Stendal l Vor Prozessbeginn sind erhöhte Sicherheitsvorkehrungen unübersehbar. Personenkontrolle direkt vor dem Gerichtssaal 112, statt wie üblich im Eingangsbereich des Gebäudes. Im Saal selbst sitzen zwei Beamte der Schutzpolizei des Reviers Stendal. Und das alles wegen eines Falles von Steuerhinterziehung? Die Wachtmeister vor der Tür geben sich wortkarg: „Routine“. Warten auf den Angeklagten. Der kommt nicht. Staatsanwaltschaft und Gericht verhandeln trotzdem – in Abwesenheit des Angeklagten.
Und dann wird schnell klar, warum die erhöhte Sicherheitsstufe gilt. Offenbar handelt es sich bei dem Angeklagten um einen Mann, der der sogenannten Reichsbürgerbewegung zuzurechnen ist. Dazu gehören laut Wikipedia Menschen, die Verschwörungstheorien nachhängen und die die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen, so also auch nicht deren Rechtsprechung. Somit können sie ihrer Ansicht nach auch nicht verurteilt werden. Für sie besteht das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937. Sie leben teils in Scheinstaaten wie Germanitien, Fürstentum Germania oder Königreich Deutschland und werden von einer Kommissarischen Reichsregierung regiert.
Weiter erfährt man, dass Reichsbürger zuweilen als Querulanten oder anderweitig verhaltensauffällige Personen bezeichnet werden und sehr häufig Justitia beschäftigen. Ob er und wenn ja, welcher Gruppierung der Reichsbürgerbewegung der Angeklagte angehört, blieb letztlich offen. Aus Gründen des Steuergeheimnisses dürfen an dieser Stelle auch keine persönlichen Daten genannt werden.
Zu den Tatvorwürfen: Der selbständig tätige Angeklagte hat über vier Jahre unvollständige Angaben zu seinem Einkommen gemacht und somit dem Staat von 2009 bis 2012 Steuern in einer Gesamtsumme von 46 665 Euro vorenthalten. Die Steuerfahndung ist ihm auf die Schliche gekommen. Und darum sitzt am Tisch neben der Anklagevertreterin der Staatsanwaltschaft auch ein hochrangiger Steuerfahnder.
Eigentlich sollte der Fall per schriftlichem Strafbefehl über die dem Urteil gleich hohe Geldstrafe geahndet werden. Doch das Amtsgericht beraumte eine mündliche Hauptverhandlung an. Nimmt der Angeklagte das Urteil nicht an, was wohl zu erwarten ist, muss er die Geldstrafe ersatzweise absitzen: 190 Tage, für jeden Tagessatz einen Tag Haft.