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Abschiebung Landkreis trickste das Land aus

21-jährige Frau aus Stendal wurde im August gegen den Willen der Integrationsbeauftragten abgeschoben.

Von Bernd-Volker Brahms 28.09.2019, 09:16

Stendal l Im August schob die Ausländerbehörde des Landkreises Stendal eine junge Frau Hals über Kopf nach Serbien ab. Sie musste nach einem Gerichtsentscheid noch am gleichen Tag zurückgeholt werden. Nun stellt sich heraus, dass der Fall der jungen Frau schon länger zur Härtefallkommission des Landes gehörte.

Den Verlust der Arbeitsstelle der 21-jährigen Adea F. (Name geändert) aus Stendal nutzte die Ausländerbehörde des Landkreises im August diesen Jahres, um die in Gardelegen geborene Frau in die Heimat ihrer Eltern abzuschieben. Die Frau, die eine ausgebildete Kosmetikerin ist, hatte im Juni ihre Arbeit verloren. Einen neuen Job hatte sie allerdings in Aussicht.

Die zuständige Sachbearbeiterin beim Landkreis Stendal schlussfolgerte, dass die junge Frau den eigenen Lebensunterhalt offensichtlich nicht bestreiten und sich in die deutschen Lebensverhältnisse nicht einfügen könne. Eine bis zum 20. Januar 2020 geltende Aufenthaltsgenehmigung wurde nachträglich auf den 26. Juli verkürzt und die Abschiebung eingeleitet. Diese wurde – wie berichtete – am 13. August von Berlin aus nach Belgrad umgesetzt. Der Landkreis wurde vom Verwaltungsgericht zurückgepfiffen. Es seien Fristen nicht eingehalten worden.

Wie sich nun herausstellt, hatte sich die Integrationsbeauftragte des Landes Susi Möbbeck (SPD) schon länger um die junge Frau aus der Altmark gekümmert – und setzte sich auch für die schnellstmögliche Rückholung ein. Der Fall von Adea F. gehörte zur Härtefallkommission des Landes, wie Andreas Pinkert, der Pressesprecher des Sozialministeriums, auf Volksstimme-Anfrage bestätigte.

Adea F. hatte sich bereits im Sommer 2018 zusammen mit Mitarbeitern des DRK Stendal an die Integrationsbeauftragte gewandt, da sie ihren Aufenthaltstitel verloren hatte und nur noch geduldet wurde. Das Sozialministerium unterstützte die Frau zusammen mit DRK und Arbeitsagentur bei der Arbeitssuche. Es sei schließlich gelungen, dass die Frau den Aufenthaltstitel von der Ausländerbehörde in Stendal zurückerhielt.

Nach der Berichterstattung der Volksstimme über den Fall forderte Kreistagsmitglied Katrin Kunert (Linke) zunächst im Sozialausschuss und später auch im Kreistag genauere Informationen. Der 2. Beigeordnete des Landrates, Sebastian Stoll (CDU), gab zunächst an, den Fall nicht zu kennen und verwies zuletzt darauf, dass es sich um ein laufendes Verfahren handele und er daher keine Auskünfte erteilen könne. Es gehe stets um eine Einzelfallentscheidung, sagte er.

„Die Entscheidung über die Durchführung einer Abschiebung liegt im Rahmen der gesetzlichen Regelungen beim Landkreis“, teilt das Sozialministerium mit. Seitens des Landes könne nur geprüft werden, ob die Entscheidung rechtlich fehlerhaft war, dies obliege dem Innenministerium.

„Grundsätzlich setzen wir darauf, im Austausch mit den Ausländerbehörden Abläufe und Terminsetzungen so zu gestalten, dass die Interessen der Betroffenen berücksichtigt bleiben“, sagt Ministeriumssprecher Pinkert.

Er würde es sehr begrüßen, wenn der Landkreis einmal offenlegen würde, nach welchen Maßstäben gehandelt wird, sagt Rechtsanwalt Frank Seiler, der sich um die 21-jährige Adea F. kümmert.

Am Tag der Abschiebung war das Sozialministerium in Magdeburg durch das DRK Stendal über die Abschiebung informiert worden. Die von der Ausländerbehörde getroffene Entscheidung sei von der Integrationsbeauftragten insbesondere wegen der kurzen Fristen als unverhältnismäßig eingestuft worden. Es wurde das Innenministerium zur Prüfung und gegebenenfalls Intervention eingeschaltet. Auch der Kontakt zum Rechtsanwalt der Frau wurde gesucht. Noch am gleichen Tag stoppte das Verwaltungsgericht die Abschiebung.

Mittlerweile hat Adea F. wieder eine Arbeit. Allerdings wurde mittlerweile ihre Mutter nach Serbien abgeschoben, sie war vor mehr als 20 Jahren aus dem Kosovo gekommen. Adea F. kümmert sich um ihren 14-jährigen Bruder. Der Vater, der eine Aufenthaltserlaubnis hat, ist aus gesundheitlichen Gründen nicht dazu in der Lage. Derweil muss das Verwaltungsgericht die am 13. August getroffene Vorab-entscheidung noch abschließend beurteilen. Außerdem läuft noch ein Widerspruch bei der Ausländerbehörde.