Umzug von Röxe nach Magdeburg / Gerichtstage auch weiterhin in Stendal Auflösung des Sozialgerichts Einspareffekt scheint fraglich
Nach dem Gefängnis verlässt das Sozialgericht als zweite Justizeinrichtung in diesem Jahr Stendal. Akten und Mobiliar sind verpackt und werden aus dem Gebäude an der Schulstraße getragen, um sie nach Magdeburg ins Justizzentrum zu bringen. Am Freitag schließt Jürgen Jansen, bisher Direktor des Stendaler Sozialgerichts, die Tür des dann leer stehenden Hauses ab.
Stendal. Von freudiger Umzugsstimmung kann nicht die Rede sein. "Wir alle bedauern die Auflösung des Gerichts sehr", sagt Jürgen Jansen, der bisher als Direktor des in der ehemaligen Röxer Schule ansässigen Sozialgerichts fungierte. Mit ihm verlassen sieben Richter und zehn Mitarbeiter im nichtrichterlichen Dienst bis Freitag das Haus an der Schulstraße. Von Letzteren bleiben drei in Stendal – an Land- und Amtsgericht –, eine Mitarbeiterin verlässt die Justiz, eine andere wird künftig die Rechtsantragstelle des Magdeburger Sozialgerichts in Stendal betreuen.
Alle anderen fahren künftig zur Arbeit in die Landeshauptstadt. Das bisherige Sozialgericht Stendal geht nach der 2007 beschlossenen Justizstrukturreform im Sozialgericht Magdeburg auf, angesiedelt im Justizzentrum am Breiten Weg, dem ehemaligen Postamt. Direktor Jürgen Jansen wird ab 1. November als Ständiger Vertreter des Sozialgerichtsdirektors in Magdeburg tätig sein.
Ob diese Konzentration den gewünschten Einspareffekt bringt – weder Jürgen Jansen noch sein Vertreter in Verwaltungssachen, Olaf Hosenfeld, wollen das kommentieren. Fest steht: Den Klägern im bisherigen Gerichtsbezirk Stendal sollen möglichst keine Nachteile entstehen. Niemand soll künftig von Aulosen oder Diesdorf aus eine Tagesreise nach Magdeburg auf sich nehmen müssen.
Deshalb wird im Stendaler Justizzentrum "Albrecht der Bär" – dorthin sollte das Sozialgericht nach den Plänen von vor 2007 eigentlich ziehen – eine Rechtsantragstelle eingerichtet, in der Klagen eingereicht und Eilanträge aufgegeben werden können. Und deshalb wird das Magdeburger Sozialgericht in Zukunft auswärtige Gerichtstage im Stendaler Justizzentrum abhalten. Das Amtsgericht stellt dafür dauerhaft einen Verhandlungssaal zur Verfügung.
Das bedeutet aber auch, dass ein Teil der Richter ständig zwischen Magdeburg und Stendal auf Achse sein wird. Drei Stunden, so schätzen Jansen und seine Mitarbeiter, müssten allein für die Hin- und Rückfahrt mit dem Dienstwagen einschließlich des Ein- und Auspackens der Prozessakten – das tut ein Richter stets eigenhändig – eingeplant werden. Zeit, die für die eigentliche Arbeit des Richters, die Verhandlung, verloren geht. "Statt zehn Sachen, die wir bisher an einem Tag verhandeln, werden dann nur noch fünf oder sechs geschafft", rechnet Jürgen Jansen.
Auch angesichts der seit der Hartz-IV-Reform stark angewachsenen Klagewelle scheint die Schließung des Stendaler Sozialgerichts fragwürdig. "Wir nehmen 4000 Verfahren, die zurzeit in Arbeit sind, mit nach Magdeburg", sagt Jansen. "Monat für Monat verzeichnen wir 230 bis 250 Neueingänge. Dafür wären eigentlich neun Richter notwendig. Als die Auflösung beschlossen wurde, gab es hier Arbeit für vier Richter. Die Situation hat sich also stark gewandelt." Ob das Land indes eine Wiedereinrichtung des Sozialgerichts Stendal in Erwägung zieht, glaubt er nicht.
Vor genau neun Jahren, am 1. November 2001, zog das Sozialgericht aus einem engen Provisorium im Landgerichtsgebäude Am Dom in die leer stehende Albert-Schweitzer-Schule in Röxe. Diese war von einem privaten Investor für 1,2 Millionen D-Mark renoviert und umgebaut worden. In diesem Zuge war das ehemalige Hausmeisterhaus abgerissen und durch einen neuen Anbau für Archiv und Bibliothek des Sozialgerichts ersetzt worden. Damals – die Behörde verfügte nur über drei Richter – war die Zahl der monatlich eingehenden Fälle von 70 auf 100 angestiegen. Was aus dem Gebäude jetzt wird? Für Jürgen Jansen ist eine Nachnutzung bisher nicht in Sicht.