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Pflegedienste Betreutes Wohnen statt Pflegeheim

Die Zahl Pflegebedürftiger ist in den letzten zwei Jahren im Landkreis deutlich gestiegen. Doch auch die Art der Betreuung liegt im Wandel.

Von Teja Banzhaf und David Boos 27.05.2020, 11:00

Stendal l Knapp 5400 Menschen im Kreis Stendal galten zum Jahreswechsel 2017/2018 als pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Im Vergleich zur letzten Erhebung vor zwei Jahren bedeutete das einen Anstieg von 572 oder 11,9 Prozent. Dabei sank die Zahl der vollstationär in Pflegeheimen versorgten Menschen um vier. Ambulante Dienste wurden aber deutlich mehr in Anspruch genommen, nämlich 269 mal mehr als noch Ende 2015, als diese Zahlen zuletzt erhoben wurden. Damit wurden im Landkreis Stendal rund 71,9 Prozent der Pflegebedürftigen zuhause betreut. Das sind weniger als im bundesweiten Schnitt, den die Statistiker mit 75,7 Prozent angeben.

Im Zuge der Corona-Pandemie gerieten die Seniorenresidenzen aller Angebotsklassen verstärkt in den öffentlichen Fokus. Tatsächlich verbringt aber die überwiegende Mehrheit der Älteren den Lebensabend eher zuhause oder bei Angehörigen. Im Kreis Stendal waren es zuletzt 3887, also rund 72 Prozent der Pflegebedürftigen.

Für viele Pflegedienste bedeutet der Trend weg vom stationären Pflegeheim eine Chance für neue Modelle. So zum Beispiel auch für Ronny Buch, Geschäftsführer des Stendaler Pflegedienstes MED-i-VER. Erst vor knapp eineinhalb Jahren gründete er den Pflegedienst, seit dem 1. Mai bietet MED-i-VER nun auch Intensivpflege-Wohngemeinschaften. Selbst durch Corona hat sich für den Stendaler Betrieb nichts verändert, „weder zum Positiven, noch zum Negativen“, resümiert Buch. Die Nachfrage sei „unverändert“, wobei der Geschäftsführer einschränkt, dass der Pflegedienst noch nicht lange existiert und Erfahrungswerte begrenzt sind.

Alle zwei Jahre nehmen die Statistischen Landesämter den Pflegebereich unter die Lupe. Die Daten zum Stichtag des 31. Dezembers 2019 liegen aber frühestens 2021 vor. Doch auch mit dem aktuellen Datenmaterial lässt sich feststellen, dass der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr Berufstätigkeit die Pflege wandelt: Wo sich bis vor ein, zwei Generationen noch Angehörige kümmerten, übernehmen heute zunehmend professionelle Pflegekräfte. Vor allem das Waschen und Füttern von kranken, zuweilen geistig verwirrten Älteren wird zur Aufgabe von ambulanten Pflegediensten.

Der Job der Altenpflegenden ist bei steigender Seniorenzahl krisensicher, gutes Pflegepersonal ist gefragt, aber die Entlohnung gilt meist als gering. Zum Jahresende 2017 waren 779 Pflegerinnen und Pfleger bei hiesigen Pflegediensten angestellt, 197 mehr als bei der Erhebung vor zwei Jahren.

Ein weiterer Stendaler Jungunternehmer auf dem boomenden Sektor der Pflegedienstleistungen ist Sven Hain. Obwohl er seine Firma erst im August des Vorjahres gegründet hat, berichtet Hain von stetig wachsender Nachfrage: „Unser Patientenstamm wuchs in diesem Zeitraum um rund 60 Prozent“.

Das Konzept seines Unternehmens zentriert sich um eine „Kombination von Tagespflege und ambulantem Pflegedienst“. Dazu wurde bereits ein Wohnblock erworben, in dem behindertengerechte, barrierefreie Wohnungen vermietet werden, so dass Familien mit ihren pflegebedürftigen Angehörigen zusammen leben können. „Das Ziel ist“, erklärt Hain, „Familien zusammen zu halten und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen“. So berichtet er von einem berührenden Moment, als eine höchst pflegebedürftige Patientin wieder mit ihrem Ehemann zusammengeführt werden konnte: „In den letzten acht Tagen hat sich ihr Zustand sehr verbessert. Da bekommt man eine Gänsehaut!“