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Ein Kämpfer, ruhig und besonnen Harald Gatzke starb am 2. Dezember einen friedlichen Tod in seinem Haus in Wischer

Von Reinhard Opitz 11.12.2012, 01:30

Wischer l Der erste Advent 2012 wird im Gedächtnis von Heidi Gatzke für immer als unvergesslich schöner und zugleich unvergesslich trauriger Tag eingebrannt bleiben. Nach einer schweren Operation im Sommer, die sie um das Leben ihres Mannes bangen ließ, ging es seit Wochen wieder aufwärts mit seiner Gesundheit. Beide waren voller Optimismus. Am Sonntagnachmittag setzte er sich ans Klavier und spielte seiner Frau Weihnachtslieder vor. "Das war so wunderbar", denkt sie daran zurück. "Die Kerzen brannten, wir tranken Kaffee und ich schnitt die erste Stolle an. Wir machten Pläne für die Weihnachtsfeiertage."

Danach wollte Harald Gatzke kurz in die Sauna, die er schon angeheizt hatte. "Wenn er sich nicht wohl gefühlt hätte", überlegt seine Frau, "hätte er das nicht getan." Er kam an diesem ersten Advent aus dem Obergeschoss ihres Hauses in Wischer nicht zurück. Als sie nach ihm sah, war er tot. Herzversagen. Und er hatte ein Lächeln auf dem Gesicht.

Für Heidi Gatzke sind diese Umstände ebenso tröstlich wie verstörend. "Ich werde wohl erst nach einigen Wochen begreifen, was passiert ist", sagt sie. Die Urnenbeisetzung wird im engsten Familienkreis stattfinden. Wer von Harald Gatzke Abschied nehmen möchte, ist zu einer Gedenkfeier am Freitag, 14. Dezember, um 12 Uhr in die Stadthalle in Arneburg eingeladen.

Ein Mann, der ein Leben lang gestalten wollte und gestaltet hat, der bis zum Schluss das Leben eines Kämpfers führte, und doch so ruhig und besonnen wirkte, starb einen friedlichen Tod. Harald Gatzke wurde am 12. Dezember 1934 in Neuenhagen bei Berlin geboren. Er studierte Maschinenbau und Luftfahrtwesen in Dresden, wo er auch seine spätere Frau kennenlernte, und schloss 1957 als Diplom-Ingenieur für Turbomaschinenbau ab. Bald danach setzte eine rastlose berufliche Reise von einem energetisch bedeutsamen Standort der DDR zum nächsten an: Abteilungsleiter im Kraftwerksanlagenbau Pirna, Direktor im Kombinat Kraftwerksanlagenbau in Berlin, außerordentliches Mitglied des Forschungsrates der DDR, Direktor der Großbaustelle des Kraftwerks Jänschwalde, um nur die wichtigsten zu nennen.

1982 stieg er in die höchste Administration auf: zunächst als Stellvertreter des Ministers für Schwermaschinen- und Anlagenbau für den Bereich Kraftwerks- und Tagebauanlagen, ab 1987 dann als stellvertretender Minister für Kohle und Energie, wo er unter anderem für die Kernenergieanlagen zuständig war.

Am 10. Mai 1990 erreichte ihn der Ruf auf die größte Kraftwerksbaustelle der DDR nach Stendal. Harald Gatzke wurde Betriebsdirektor des VEB KKW Stendal und im Oktober Geschäftsführer der KKW Stendal GmbH. Mitten im Strudel der Wende angekommen, sollte auch seine Karriere jetzt jähe Wendungen nehmen. Aus dem Aufbauleiter wurde der Abwickler. Politik und Energiekonzerne übten zunächst den Konsens - zumindest einer der geplanten 1000-Megawattblocks wird in Stendal gebaut. Als es die Bundesregierung aber ablehnt, das Risiko für die Genehmigungsfähigkeit der Anlage finanziell abzufedern, verfügt die Treuhand die Einstellung der Bauarbeiten im Oktober 1990.

Für Harald Gatzke der Tiefschlag. "Kernenergie ist die einzige Lösung für das Klimaproblem", gab er sich 2003 beim Ausscheiden aus dem Berufsleben im Gespräch mit der Volksstimme überzeugt. Dass Deutschland freiwillig auf diese Energieform verzichtet, betrachte er mit großer Sorge.

Die Kernenergie gab er auf, den Standort bei Arneburg nicht. Nach vielen Rückschlägen und unermüdlicher Investorenakquise hatte er es am 30. August 2002 endlich geschafft. Auf dem ehemaligen KKW-Areal wird der Grundstein für das Zellstoffwerk gelegt. "Ein herrlicher Tag für mich", strahlte der 67-Jährige. Kanzler Schröder ist dabei. Die Großinvestition des international verzahnten Mercer-Konzerns zieht viele weitere nach sich. 2008 bedankt sich die Bundesrepublik Deutschland bei Harald Gatzke für dieses Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande.

In der Altmark fühlte er sich sehr wohl. "Hier in Wischer haben wir unsere 17 schönsten und friedlichsten Jahre verlebt", sagt Heidi Gatzke.