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Bauland Flächenverkauf wirft Fragen auf

Hat die Stadt Stendal Grundstücke im Stadtteil Nord weit unter Wert verkauft? Eine Antwort auf diese Frage verzögert sich.

Von Wolfgang Biermann 13.05.2020, 23:01

Stendal l Seit gut einem Jahr beschäftigt sich die für Finanzangelegenheiten zuständige 1. Zivilkammer am Landgericht Stendal mit der Frage, ob der Verkauf eines knapp 1,4 Hektar großen Areals im Norden von Stendal im September 2018 an die Pui GbR für gut 100.000 Euro zum Zwecke der Wohnbebauung rechtmäßig war. Geklagt hat der nicht zum Zuge gekommene Mitbewerber, die Sewe Tief- und Rohrleitungsbau/Anlagentechnik GmbH.

Der Kläger will gerichtlich feststellen lassen, dass der Verkauf der Fläche unwirksam ist, weil sie angeblich weit unter Wert verkauft wurde. Dazu hat die Kammer unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsidentin Haide Sonnenberg den Magdeburger Sachverständigen Tankred Jänicke mit der Beantwortung der Frage beauftragt, ob der Kaufpreis in einem von ihm zu ermittelnden Preiskorridor exorbitant vom Verkehrswert abweicht, wie vom Kläger behauptet. Oder sich tatsächlich im Limit vergleichbarer Grundstücke befindet.

Am Dienstag sollte der Prozess mit Zeugenanhörung und Gutachterbefragung nach mehrmaligen Terminverschiebungen fortgesetzt werden. Ein langer Prozesstag war zu erwarten. Doch ein Richter erkrankte, der Termin musste kurzfristig abgesagt werden. „Neuer Termin ergeht von Amts wegen“, heißt es jetzt in einer Pressemitteilung des Landgerichts. Sehr zum Leidwesen der Pui GbR, die auf eine schnelle Klärung drängt, wie Geschäftsführer Heiko Wichmann betont.

Er sieht seinen Ruf zu Unrecht in Misskredit gebracht. Den von der gegnerischen Seite angeführten theoretischen Bodenrichtwert von 50 Euro pro Quadratmeter – und damit einen Kaufpreis von fast 700.000 Euro – hält er für illusorisch und für das Areal nicht anwendbar. Dieser Bodenrichtwert gelte nur für den Innenbereich und zudem nur für baureifes Land.

Hier aber handele es sich um recht wertloses Ackerland im städtischen Außenbereich, das einen realen Wert von 45.000 Euro hab. Pui will Wichmanns Angaben zufolge über eine Million Euro investieren, um der Stadt ohne deren weiteres Zutun und Kosten dringend benötigtes Bauland für Häuslebauer bereitzustellen. Auch der Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Sachsen-Anhalt hält einem eingesehenen Schreiben zufolge 50 Euro pro Quadratmeter für nicht zutreffend.

Ob die Richter den von Wichmann und der mitbeklagten Stadt vorgebrachten Argumenten folgen werden, bleibt abzuwarten. Ein von der Volksstimme eingesehenes Gutachten geht davon aus, dass der tatsächliche Verkehrswert zum Stichtag – 3. September 2018 – bei rund 334.000 Euro lag. Allerdings müssten laut Gutachten „objektspezifische Grundstücksmerkmale“ hinzugerechnet werden, so dass der „bereinigte, relative Kaufpreis 34,36 Euro pro Quadratmeter“ entsprechen würde.

Der von der Pui GbR gezahlte Kaufpreis von 102.000 Euro liege damit bei etwa 30 Prozent des Verkehrswertes. Der vom Sachverständigen Jänicke für den Zeitraum von November 2016 bis August 2018 ermittelte Preiskorridor reicht von 25,25 Euro bis 100 Euro je Quadratmeter. Fazit des Gutachters: „Der Kaufpreis von 34,36 Euro bewegt sich somit im ermittelten Preiskorridor.“

Unabhängig vom Zivilprozess ermittelt die Staatsanwaltschaft Stendal zum Kauf des 1,4 Hektar großen Grundstücks wegen des möglichen Verdachts der strafrechtlich relevanten Untreue. Das sagte Staatsanwalt Thomas Kramer, Sprecher der Behörde, auf Nachfrage. „Die Ermittlungen dauern an.“ Ein Ende sei nicht abzusehen.

Und dann sind da auch noch die Anwohner der Langobardenstraße/Thüringer Straße. Sie sehen durch die Zuwegung zum und vom Neubaugebiet durch die dafür nicht ausgelegten Anliegerstraßen große verkehrliche Probleme in Form von Durchgangsverkehr auf sich zukommen, wie ein Anlieger als Prozessbeobachter der Volksstimme vor einem Jahr sagte.