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Zumreta Reich flüchtete vor 20 Jahren aus Bosnien / In Stendal hat sie Fuß gefasst "Ich bin angekommen in meinem Leben"

Von Helga Klein 08.03.2012, 04:22

Die Bosnierin Zumreta Reich erfüllte sich zielstrebig ihren Lebens-traum: Friseurin werden mit eigenem Laden. In Stendal fand sie nach den Kriegswirren auf dem Balkan eine neue Heimat.

Stendal l Als Zumreta Reich, von ihren Freunden Zumi genannt, vor 20 Jahren mit ihrer Familie aus dem heimatlichen Bosanski Novi vor dem Krieg nach Deutschland flüchtete und im altmärkischen Stendal eine Bleibe fand, litt sie an Heimweh. Sie war gerade siebzehn, hatte Freunde und Verwandte zurücklassen und die gerade begonnene Friseurlehre aufgeben müssen.

Ihre Heimat hat die heute 37-Jährige nicht vergessen, doch fühlt sie sich längst als Stendalerin. Sie spricht perfekt Deutsch, hat viele Freunde gefunden, eine Familie gegründet, Töchterchen Emily auf die Welt gebracht und sich ihren Berufswunsch erfüllt. "Ich war gerade sieben, da wollte ich schon Friseuse werden, das hat sich nie geändert", sagt die zierliche, dunkelhaarige Frau, der man ihre Zielstrebigkeit und solches Durchhaltevermögen auf den ersten Blick gar nicht ansieht.

So manche Hürde galt es zu nehmen. Die ersten drei Jahre lernte sie die deutsche Sprache. "Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, wenn man hier leben will." Vor der Deutschprüfung machte sie den Führerschein. So klappte es 1995 schließlich mit der Lehrstelle. Drei Jahre später hatte sie ihren Berufsabschluss in der Tasche.

Mittlerweile verließen die bosnischen Familien Stendal, gingen zurück in ihre Heimat - wie auch Zumis Eltern. Einige suchten in anderen Ländern eine Heimat. Zumreta Reich blieb. Dafür gab es einen allzu verständlichen Grund: Sie hatte sich verliebt. Sie heiratete, arbeitete in ihrem Beruf, bekam 2008 den Meisterbrief mit der Note "gut". Das schuf die Grundlage für ihre spätere Entscheidung. Am 1. März vor zehn Jahren eröffnete sie "Zumis Salon", der sich heute in der Winckelmannstraße befindet. "Ich konnte das alles nur mit Unterstützung von Freunden und Bekannten erreichen. Wenn ich heute stolz auf meinen kleinen Salon blicke, dann muss ich denen, die mich gefordert und gefördert haben, aus ganzem Herzen danken."

Und liebevolle Worte findet sie für ihre beiden Mädels im Salon, "die mich so ertragen, wie ich halt bin". Mit Katrin Leuschner und Manuela Nitzsche hat sie Kolleginnen gefunden, die mit gleichem Eifer und mit Freude ihren Beruf ausfüllen. "Bei uns herrscht eine freundliche und respektvolle Atmosphäre. Jeder kann sich auf den anderen verlassen. Wir sind alle drei zwar grundverschieden, aber ergänzen uns." Dass die temperamentvolle Chefin gute Arbeit verlangt und auch mit Kritik nicht hinterm Berg hält, wissen ihre Kolleginnen zu schätzen.

Wenn Zumreta Reich über ihren Beruf ins Fachsimpeln gerät, kommt sie richtig in Fahrt. Fast philosophisch betrachtet sie das Friseurhandwerk, spricht kompetent über Frisuren, Haarpflege, Typ- und Stilberatung. Auch in der Kosmetik hat sie sich Kenntnisse erworben. Modetrends verfolgt sie aufmerksam, aber eher gelassen. "Ein Modeschrei vergeht, aber der Typ bleibt. Wir beraten natürlich unsere Kunden, welche Frisur ihnen besonders gut steht, was sie besser vermeiden sollten. Ein Friseur kann alles Handwerkliche erlernen, wenn er mit Freude bei der Sache ist. Aber eine solche Beratung verlangt auch ein bisschen Talent", sagt Zumreta.

Bereut hat die Geschäftsfrau ihre Berufswahl nie. "Klar, es ist oft ganz schön stressig, aber positiver Stress tut gut." Und sie weiß: "Mein Mann Torsten, der selbst in Schichten arbeitet, ist mir immer eine Stütze. Er musste nicht selten Nerven lassen. Auf ihn ist stets Verlass. Wissen Sie, ich bin einfach glücklich und zufrieden. Privat wie beruflich."

Und leise fügt sie hinzu: "Ich bin angekommen in meinem Leben..."