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Vier französische Druckerei-Lehrlinge aus der Stadt Tours absolvieren derzeit ein vierwöchiges Praktikum in der Altmark Jim und Marine sind begeistert vom Land

Von Anke Hoffmeister 10.06.2010, 07:18

Französische Lehrlinge aus Tours erleben für vier Wochen den Arbeitsalltag in der Altmark. Zwei von ihnen kommen täglich von Stendal nach Tangermünde. Marine Humbert und Jim Voinot absolvieren in der Druckerei Becker in der Kaiserstadt ihr Praktikum.

Tangermünde. Einfache Sätze finden, Fachbegriffe umschreiben, mit Händen und Füßen arbeiten – all das bestimmt seit Beginn der Woche mit den Arbeitsalltag in der Druckerei Becker in Tangermünde. Die Buch- und Offsetdruckerei von Beatrice Böttcher öffnet sich in diesen Tagen europäischem Publikum. Zum ersten Mal sind hier zwei französische Jugendliche tätig - Druckereilehrlinge aus der Stadt Tours an der Loire.

"Müssen keine Fenster putzen oder Kaffee kochen"

Die beiden kommen nicht "mal eben so" in die Altmark. Marine Humbert und Jim Voinot profitieren von einem Schüleraustauschprogramm zwischen ihrer Schule, dem Lyceé Albert Bayé, und der Berufsbildenden Schule I, der Europaschule, in Stendal. "Der Austausch läuft seit drei Jahren", berichtet Jana Konrad, Lehrerin in Stendal. Sie besucht die Franzosen an ihrem Tangermünder Arbeitsplatz und zugleich eine weitere Schülerin ihrer Schule. Denn zeitgleich mit Jim und Marine absolviert Juliane Thomas hier ihr vierzehntägiges Praktikum. "Das ist aber Zufall", so Jana Konrad.

Für Beatrice und Michael Böttcher bedeutet das, für zwei beziehungsweise vier Wochen jugendliche Unterstützung zu haben. "Wenn bei uns Praktikanten sind, dann müssen die keine Fenster putzen oder Kaffee kochen", versichert Michael Böttcher. "Bei uns arbeiten sie mit." Marine und Jim nicken. Die beiden Franzosen haben sich nach wenigen Tagen mit der Technik in dem Familienunternehmen vertraut gemacht. "Man merkt, dass sie gute Vorkenntnisse mitbringen", berichtet Michael Böttcher. Beide wüssten, was zu tun sei, sie können anpacken, arbeiten und tun das, was von ihnen gefordert werde.

Marine Humbert ist in dem Duo der Übersetzer. Sie beherrscht die deutsche Sprache ein klein wenig, während ihr 18-jähriger Begleiter es hin und wieder mit einigen Englisch-Brocken versucht. Bereits am vierten Tag haben sie die Offsetmaschinen selbst eingerichtet, gedruckt und danach wieder gereinigt. "Ich bin begeistert von ihrer Arbeit", sagt Michael Böttcher. Stolz zeigen die 20-Jährige und ihr Klassenkamerad, was sie schon alles gedruckt haben. Mit dem Arbeitsklima sind die französischen Schüler sehr zufrieden. Statt schnell und hektisch Aufträge zu erledigen, "gehen wir das hier ganz ruhig an. Sonst passieren Fehler, und wir müssen noch einmal von vorn beginnen", so die Einstellung von Michael Böttcher. Marine schmunzelt und nickt, übersetzt für Jim.

Dass Jim und Marine anpacken können und sich nicht vor der Arbeit scheuen, zeigt ihre Arbeitskleidung. Die organgefarbenen T-Shirts mit dem Aufdruck ihrer französischen Schule sind inzwischen kunterbunt. Viele Farben haben sich darauf verewigt. Kein Waschgang holt sie wieder aus der Kleidung.

Während die Jugendlichen aus Frankreich mit Papier und Farbe tätig sind, sitzt Juliane Thomas am Computer. All das, was sie im ersten Jahr ihrer Umschulung zur gestaltungstechnischen Assistentin in der Schule erlernt hat, setzt sie jetzt hier erstmals in die Praxis um. Handzettel und Visitenkarten hat sie in den ersten Tagen entworfen. Für Marine, Jim und sich selbst hat sie Visitenkarten gestaltet. "Die dürfen sie mit nach Hause nehmen, wenn sie nach vier Wochen wieder fahren", verrät Beatrice Böttcher. Im Reliefdruck werden die beiden angehenden Drucker diese Karten herstellen. Diese Technik haben sie in ihrer Lehrwerkstatt in Tours nicht.

Auch im zweiten Ausbildungsjahr wird Juliane Thomas noch einmal zwei Wochen Praktikumszeit haben. "Die kannst du gern wieder bei uns absolvieren", bietet die Druckereiinhaberin der 25-Jährigen an.

"Wir wollen in Deutschland arbeiten, für zehn Jahre"

Für Marine und Jim bestehen die vier Wochen in Deutschland nicht nur aus Arbeit. Gemeinsam mit zwei weiteren Mitschülern aus Frankreich lernen sie die Altmark kennen, unternehmen Ausflüge nach Berlin und zum Mittelalterfest auf der Plattenburg. Sie sind begeistert von Deutschland, von der Berufsschule und dem Internat. Lehrerin Jana Konrad weiß, dass sich die Bedingungen, unter denen in beiden Ländern gelernt wird, stark voneinander unterscheiden. Die Begeisterung der französischen Lehrlinge geht so weit, dass Jim und Marine beschlossen haben, später in Deutschland arbeiten zu wollen. "Für zehn Jahre", meint Jim.

Im Herbst dieses Jahres werden Schüler der Europaschule aus Stendal nach Tours reisen, um dort ein Praktikum zu absolvieren. Das werden künftige Gestaltungstechnische Assistenten, Restaurantfachkräfte und Köche sein.