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Jugendkultur Im Batik-Shirt einen Traum erfüllt

Die 70er Jahre in Stendal: Wie haben Jugendliche die Zeit damals erlebt? Eine, die darüber viel erzählen kann, ist Sabine Lange.

Von Donald Lyko 08.07.2018, 03:00

Stendal l Wer modisch mit der Zeit gehen wollte, musste kreativ sein. „Was es nicht bei uns zu kaufen gab, haben wir uns eben selbst gemacht“, sagt Sabine Lange und denkt dabei zum Beispiel an die Batik-Hemden, die in ihrer Jugend angesagt waren. Batik-Farbe gab es im Handel, auch Herren-Unterhemden ohne oder mit langem Arm. „Daraus haben wir uns dann wunderschöne Shirts kreiert“, sagt die gebürtige Stendalerin. Vieles hat sie für sich selbst gefärbt, manches auch für ihre Freundinnen.

Eines dieser Batik-Hemden gibt es noch immer. Derzeit wird es im Altmärkischen Museum in der Ausstellung „Jugendkultur in Stendal: 1950 – 1990“ gezeigt. „Lange Zeit habe ich es ziemlich stiefmütterlich behandelt, meist nur noch im Garten getragen“, erzählt Sabine Lange. Doch dann kam das Shirt zu neuer Blüte und durfte mit auf eine Reise über den großen Teich. Die Tour führte das Ehepaar Lange in die USA, konkret an die Westküste. „Einmal San Francisco besuchen, das war immer mein Jugendtraum“, sagt die Stendalerin, die in ihrer Jugend mit der Flower-Power-Musik aufgewachsen ist. Das betagte Batik-Shirt hatte dann seinen großen Auftritt auf der legendären Golden Gate Bridge. „Das habe ich angezogen, dann sind wir mit dem Fahrrad rübergefahren“, schwärmt Sabine Lange von diesem Erlebnis.

Modisch angesagt waren aber nicht nur Batik-Shirts, sondern auch Miniröcke. Und die sollten – wer wollte es den jungen Mädels verübeln – mitunter etwas kürzer sein, als die Mütter es gerne gesehen haben. „Mit meiner Mutter, die viel für mich genäht hat, musste ich um jeden Zentimeter feilschen“, erinnerte sich die Stendalerin. Und wenn am Ende der Rock dann doch noch etwas zu lang war, gab es den einen oder anderen Trick: „Wenn wir zum Tanzen gegangen sind, habe ich meinen Rock einfach oben am Bund umgekrempelt und den Pullover drübergezogen.“

Doch nicht nur bei der Kleidung war Kreativität und Geschick beim Anfertigen gefragt, auch den Schmuck haben sich die jungen Frauen selbst gemacht: aus Kupferdraht Ketten gedreht, Anhänger gebastelt und an Lederbändchen gehängt, Trinkhalme zu Haarspangen umfunktioniert.

Vieles davon wurde bei den Tanzveranstaltungen getragen, im Jugendklubhaus auf dem Schützenplatz, im Kreiskulturhaus in Arneburg oder im Tangermünder Elbpark. Abendliche Touren in die Kaiserstadt konnten mitunter mit einem längeren nächtlichen Fußmarsch enden. „Wenn der Bus voll war, kamen wir nicht mehr mit. Dann mussten wir zu Fuß nach Stendal laufen.“ Und das gab dann Ärger zu Hause? „Nein, meine Eltern haben mir sehr vertraut und mir meine Freiheiten gelassen“, schaut Sabine Lange, die 1952 geboren wurde und damit ihre Jugend in den 60ern und beginnenden 70ern erlebt hat, zurück.

Bei den Tanzabenden spielten meist noch Livebands, Diskotheken kamen aber mehr und mehr in Mode. Musik, die habe sie und ihre Freunde verbunden, sagt Sabine Lange. Beatles, Rolling Stones, CCR, Bee Gees, Beach Boys – das waren die angesagten Gruppen. Wenn beliebte Titel im Radio liefen, hat sie sie oft mit dem Tonband mitgeschnitten. „Und wenn man seinen Wunschtitel dann hatte, haben wir uns tagelang darüber gefreut.“ Der Soldatensender, Radio Luxemburg und RIAS Berlin waren die Sender, die von den Jugendlichen am häufigsten eingeschaltet wurden.

Immer samstags, erinnert sich Sabine Lange, gab es bei RIAS eine Rubrik „Hörerpostbestätigung“. Dort wurden Hörergrüße vorgelesen – allerdings verschlüsselt, nie mit Namen, selbst für die Einsendung wurden in jeder Woche zwei neue Deckadressen genannt . „Aber jeder kannte ja seinen Gruß und wusste, dass er von ihm ist“, erzählt Sabine Lange, die selbst mehrere Grüße an den Sender geschickt hatte („natürlich nie mit meiner richtigen Adresse“), die dann auch vorgelesen wurden. Ein Beispiel: „Der letzte Stendaler Radfahrer grüßt den Genthiner Radlerklub.“ Die Musikwünsche, die sie mit den Grüßen geäußert hatte, hat der Radiosender aber nie erfüllt.

Nicht schlimm, denn die Jahre hielten vieles mehr für die junge Frau aus Stendal bereit, die nach der Schule zum Studium nach Gotha ging. Als „eines der wichtigsten Ereignisse in meinem Leben“ beschreibt Sabine Lange die Weltfestspiele der Jugend 1973 in Berlin. Das Tuch, das damals alle Teilnehmer trugen und auf denen Unterschriften anderer Jugendlicher aus dem In- und Ausland gesammelt wurden, hat sie bis heute aufgehoben.

Was sie in Berlin erlebt hat und was ihre Jugend in Stendal noch zu bieten hatte, darüber berichtet Sabine Lange am Mittwoch, 11. Juli 2018, ab 18 Uhr im Volksstimme-Erzählcafé in der "Kleinen Markthalle" in Stendal.