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Landratswahl Erster offener Schlagabtauch in Stendal

Den Reigen von Landrats-Wahlforen in Stendal haben Carsten Wulfänger (CDU) und Patrick Puhlmann (für SPD, Linke Grüne) eröffnet.

Von Regina Urbat 30.09.2019, 01:01

Stendal l Sachlich und fair haben sich im ersten offenen Schlagabtausch zwei Kandidaten für die Landratswahl am 10. November auseinandergesetzt. Auf Einladung des FDP-Kreisvorstandes standen sich gegenüber: Landrat Carsten Wulfänger (CDU), der zur Wiederwahl antritt, und der Sozialdemokrat Patrick Puhlmann, der als Landratsanwärter gemeinsam von SPD, Linken und Grünen nominiert wurde.

Ob nun auch die Freien Demokraten, die aus ihren Reihen selbst keinen Bewerber ins Rennen schicken, einem Kandidaten offiziell den Rücken stärken, darüber sollte die öffentliche Podiumsdiskussion im „Schwarzen Adler“ in Stendal Aufschluss geben. Die Entscheidung, so der Kreischef und Bundestagsabgeordnete Marcus Faber, wollen die Mitglieder heute in einer internen Versammlung treffen.

Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten wurden in der zweistündigen Veranstaltung aufgezeigt. Ein offensichtlicher Unterschied – das Alter: Carsten Wulfänger ist Jahrgang 1963 und damit 56 Jahre alt; seit 2013 ist der Christdemokrat Landrat im Landkreis Stendal.

Herausforderer Patrick Puhlmann ist 20 Jahre jünger und als Teamleiter in der Borghardtstiftung Stendal tätig. Politische Erfahrung hat der 36-Jährige seit Kurzem als Kreistagsmitglied, seit Mai führt der Tangermünder die SPD-Kreistagsfraktion an.

Ein Unterschied auch im Antrieb: Für Patrick Puhlmann ist der Landkreis mit 25 Jahren noch jung. „Er braucht einfach eine neue Dynamik in Politik, Verwaltung und darüber hinaus, um rauszugehen und zu sagen: Leute, hier könnt ihr was machen, hier ist man offen für neue Ideen und auch offen, um mal quer zu denken und neue Lösungen zu suchen, vielleicht auch da, wo bisher noch keiner gesucht hat.“

Puhlmann sehe vor allem die Herausforderungen in der demografischen und wirtschaftlichem Entwicklung, um letztendlich bei Studien wie die des Forschungsinstituts Prognos „nicht mehr so schlecht auszusehen“.

In seiner Einleitung wies Marcus Faber als Moderator nämlich darauf hin, dass der Landkreis Stendal im bundesweiten Vergleich aller kreisfreien Städte und Landkreise den letzten Platz belegt.

Diesen Fakt sehe Carsten Wulfänger „nicht so düster“, zumal es „schick sei, über schlechte Statistiken zu berichten“. Der Christdemokrat bediente sich einer anderen Statistik - die des Bruttoinlandsproduktes je Erwerbstätigen der letzten zehn Jahren - und ließ den Landkreis Stendal in einem viel besseren Licht erscheinen: über den Durchschnitt des Landes und auf Platz sechs in Sachsen-Anhalt. „Wir sind zwar tiefer gestartet, aber in der Dynamik sind wir stark“, so Wulfänger. Er ließ in seinem doch sehr umfangreichen Eingangsstatement durchblicken, auf seine bisherige Arbeit stolz zu sein und daran anknüpfen zu wollen.

Besonders hob der Amtsinhaber die Wirtschaftsförderung heraus, die er in seiner Legislaturperiode aufgebaut habe. Angefangen mit zweieinhalb Stellen, seien es heute 14 bis 16 Stellen, aufgeteilt in drei Bereiche: klassische Wirtschaftsförderung, Projektmanagement und Arbeitsmarktförderung. In Summe aller Aktivitäten, egal ob von Betrieben oder anderen, sei die Arbeitslosigkeit „drastisch nach unten gegangen, von 16,5 Prozent vor zehn Jahren auf jetzt zwischen acht und neun Prozent“.

Die Kehrseite sei der steigende Fachkräftemangel. In dieser Hinsicht sehen Wulfänger wie auch Puhlmann eine große Aufgabe für die Zukunft. Einig waren sich beide, dass der Rückkehrertag ein gutes Mittel für Zuzug sei.

Puhlmann warnte, dass es nicht das einzige sein kann. In der künftigen Arbeitswelt müsse nicht mehr jeder Bürojob in der Nähe des Wohnortes sein. „Das könnte, wenn wir es gut anstellen dazu führen, dass mehr Leute bereit sind, nicht mehr für 1000 Euro im Monat auf 50 Quadratmeter in Berlin zu wohnen, sondern in die Altmark in ein Haus im Grünen zu ziehen.“ Von Vorteil seien der Bahnanschluss und die Autobahn in der Nähe.

Und Puhlmann spannte den Bogen weiter: „Dafür braucht es eine ambitionierte Digitalisierungs-Strategie, die über das Verlegen von Glasphaserkabel hinaus geht.“ Es müssen Arbeitsplätze und -möglichkeiten geschaffen werden, „damit nicht Leute in der Uckermark oder irgendwo entlang der A 9 landen, sondern hier in unseren Landkreis kommen.“

Zum Thema Breitband müsse man sich nach Ansicht von Wulfänger schon um den nächsten Schritt – das 5G-Netz - kümmern. Hier sei es wichtig, dass nicht das Gleiche wie beim Glasfaserausbau passiert und die Fläche vergessen wird.

Zum Thema Zuzug gehörte auch der Ärztemangel. Wulfänger verwies darauf, dass die Kreisverwaltung nun versucht, über ein Stipendium Mediziner in der Altmark zu halten. Für Puhlmann reiche ein Stipendium allein nicht, um das Defizit auszugleichen. Es müssten Erleichterungen geschaffen werden wie in Schönhausen mit einer Filialpraxis. „Ärzten, die in den Landkreis kommen möchten, wollen nicht Unternehmer und Bauherr sein, sondern die Menschen versorgen.“

Um Lösungen zu finden, rege Puhlmann zum „Querdenken“ und „Schauen über den Tellerrand“ an. Beispielsweise, um die Mobilität im Landkreis zu verbessern, weil „das Linienbussystem scheinbar an Bedarfen vorbei geht, gemessen an den vielen Leerfahrten“. Keine Kompromisse wolle er bei der Einhaltung der Rettunghilfsfristen bei Notarzteinsätzen eingehen. „Von den gesetzlich vorgeschriebenen 12 Minuten sind wir in manchen Bereichen im Landkreis weit entfernt.“ Hier brauchen wir schnelle, flexible Lösungen.“

Beim Thema Klima ging der Sozialdemokrat auch einen Schritt weiter. Zunächst hatten beide festgestellt, dass der Landkreis in Sachen erneuerbarer Energien gut aufgestellt sei, mehr produziere als verbrauche. „Diesen Vorteil sollten wir uns für eine kluge Standortstrategie auf die Fahne schreiben“, um nicht nur mit A14 und Spagel, sondern auch grünen Strom zu werben.

Einigkeit herrschte, was die Landwirtschaft betrifft. Nach den zwei Dürresommern müsse das Wassermanagement so geregelt werden, damit nicht nur Gräben frei sind und Hochwasser abfließen kann, sondern Wasser in den Gräben gehalten werden kann.

Wie es mit dem Mut bestellt ist, um sich gegen Entscheidungen der Landesregierung zu wehren, fragte Heinz Riemann aus Rossau. „Mut zur Konfrontation, ja“, sagte Puhlmann. Wolle er etwas erreichen, bevorzuge er diplomatisches Geschick. Von Vorteil sei eine Vernetzung mit anderen Landkreisen, um gemeinsam die Forderung durchzusetzen. Wulfänger darauf: „Intern wird immer Tacheles geredet, außen manchmal diplomatischer.“ Mit dem Kreistag gemeinsam sei die Kraft größer, „aber wenn es sein muss, geht‘s auch allein.“

Mathias Fritze vom FDP-Ortsverband Osterburg fragte Wulfänger als CDU-Mitglied, was er von den Parteiausschlüssen der Osterburger Christdemokraten halte. Eine konkrete Stellung bezog Wulfänger nicht. Er erklärte, dass er sich als Landrat immer parteiübergreifend gegenüber den Einwohnern und Orten gleichermaßen verpflichtet fühle.