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Arbeitslosigkeit Neue Perspektive im Hotel gefunden

Langzeitarbeitslose haben am Arbeitsmarkt eine Chance. Simone Bäther aus Stendal arbeitet jetzt als Zimmermädchen.

Von Thomas Pusch 02.08.2017, 01:01

Stendal l Wer mehr als ein Jahr ohne Arbeit ist, gilt als Langzeitarbeitsloser. Oftmals dauert es Jahre, bis sie wieder eine Beschäftigung finden. Doch es gibt auch Erfolgsgeschichten. Markus Nitsch, Leiter der Agentur für Arbeit Stendal, und Dörthe Engelhardt-Rothenberger, Geschäftsführerin des Jobcenters, präsentierten gestern eine solche. Passenderweise war als Gesprächsort die Tangermünder Gaststätte „Alte Brauerei“ gewählt worden. Genau dort nämlich hat Simone Bäther eine Beschäftigung als Zimmermädchen gefunden.

2016 war sie vier Monate lang in einem Ein-Euro-Job beschäftigt, sollte eine Vollzeitstelle bekommen. „Da sollte nur noch ein psychologisches Gutachten erstellt werden, aber dann hörte ich, dass schon feststand, dass ich diese Stelle nicht bekomme“, erzählte sie. Sie steckte den Kopf nicht in den Sand, ergriff Eigeninitiative. „Ich fragte meinen Mann, ob bei ihm in der Alten Brauerei nicht etwas frei wäre“, schilderte sie. Ihr Mann ist als Hausmeister tätig – und tatsächlich wurde ein Zimmermädchen gesucht. Vor ihren Gelegenheitsarbeiten war Simone Bäther zehn Jahre lang arbeitslos und die Nervosität vor ihrem ersten Arbeitstag in der Alten Brauerei entsprechend groß. „Ich hatte schon ein bisschen Angst, aber als ich den ersten Tag überlebt hatte, war es nicht mehr so schlimm“, erinnerte sie sich.

„Wir haben es schon sehr lange schwer, gutes Personal zu bekommen“, sagte Stefanie Thieke, verantwortlich für Buchhaltung und Personal. Es gebe zwar einen sehr guten Draht zum Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit, oftmals aber würden die Bewerbungsgespräche im Sande verlaufen. Manchen sei der Weg nach Tangermünde zu weit, andere müssten ihre Mutter pflegen. „Es muss für beide Seiten passen, sonst hat es keinen Sinn“, ergänzte Geschäftsführer Maik Geisler. So war die Tangermünderin Simone Bäther ein wahrer Glücksfall. „Man nimmt, was man kriegt, wenn die Atmosphäre stimmt, würde ich alles nehmen“, sagte sie. Und die Atmosphäre stimmt.

„Auch wenn wir jetzt nicht direkt beteiligt waren, ist es ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die Langzeitarbeitslosen sehr wohl Chancen haben“, sagte Dörthe Engelhardt-Rothenberger. Markus Nitsch mochte den Erfolg aber nicht als reine Privatsache verstanden wissen. „Wir haben Gespräche mit den Langzeitarbeitslosen, wir motivieren sie und so fühlen sie sich dann auch stark genug, um so eine Initiative zu ergreifen“, erläuterte er. „Wir müssen uns noch besser auf die Kunden einstellen, bessere Fragen stellen und den Kontakt mit dem Arbeitgeberservice intensivieren“, sieht die Jobcenter-Geschäftsführerin Entwicklungsmöglichkeiten.

Immerhin werden 2033 Langzeitarbeitslose vom Stendaler Jobcenter betreut. „Im ersten Halbjahr wurden 203 von uns vermittelt“, hat die Geschäftsführerin sehr wohl auch einen Erfolg zu vermelden. 3660 Langzeitarbeitslose wurden im vergangenen Monat verzeichnet. Sie bilden einen Anteil von 39,0 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 515 gesunken.

Markus Nitsch nutzte die Gelegenheit, um auch einen Blick auf den aktuellen Ausbildungsmarkt zu werfen, zumal gestern die Zahlen veröffentlicht wurden. „Rein rechnerisch kann jeder etwas finden“, sagte er. So gebe es noch freie Ausbildungsplätze für Kraftfahrer, Bauelektriker, im Heizungs- und Sanitärbereich sowie als Kunststoff- und Kautschukhelfer. Die Nachfrage bei den Jugendlichen gehe allerdings in eine andere Richtung, so sei Fernfahrer kein Traumberuf mehr und so blieben viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Auch in der Alten Brauerei war noch ein Platz freigeblieben.

„Es ist sehr schwer junge Leute für den Kochberuf zu begeistern“, sagte Geisler. Vor allem die Arbeitszeit sei abschreckend. Den sprichwörtlich rauen Ton gebe es in seinem Haus nicht so, aber natürlich müsse in hektischen Phasen alles Hand in Hand funktionieren. Nun hat er einen afghanischen Auszubildenden eingestellt. „Das läuft ganz prima“, freute sich Geisler.

Nitsch meinte, dass darin durchaus die Zukunft stecke. „Noch sind viele Flüchtlinge sprachlich nicht so weit, eine Ausbildung zu beginnen, aber im kommenden Jahr bilden sie ein ganz großes Potenzial“, prophezeite er.

In Zahlen ausgedrückt, stellt sich der Ausbildungsmarkt folgendermaßen dar. Derzeit gibt es noch 317 unversorgte Bewerber. Sie stehen 973 gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen gegenüber. Besonders viele freie Stellen gibt es in der Gastronomie. So werden 24 angehende Köche gesucht, es gibt 17 Ausbildungsplätze für Hotelfachleute und weitere 16 für Restaurantfachleute. „Das Angebot an interessanten betrieblichen Ausbildungsstellen ist weiterhin groß“, weiß Nitsch und setzt noch auf Bewegung auf dem Ausbildungsmarkt.