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Nostalgisches Mit Wartburg 220 Sachen gefahren

Dietmar Isensee gehörte in den 1980er Jahren zu den erfolgreichsten Rennfahrern der DDR. In Stendal plauderte er über alte Zeiten.

Von Bernd-Volker Brahms 12.11.2016, 10:14

Stendal l Zehn Jahre lang gehörte der Tangermünder Dietmar Isensee zu den vier besten Rennfahrern der DDR. Er gilt als der „Meister ohne Titel“, der seinen größten Erfolg 1984 auf dem Sachsenring feierte, als er vor mehr als 80 000 Zuschauern ein Meisterschaftsrennen gewann und sich den Vize-Titel der DDR-Tourenwagenmeisterschaft sicherte.

„Es waren ganz besondere Zeiten“, sagte der 68-jährige Dietmar „Itze“ Isensee am Donnerstag beim Clubabend der Nordwall Classic Garage in Stendal. Der Tangermünder erzählte im voll besetzten Clubhaus von seinem Aufstieg zu einem der besten Rennfahrer der DDR. Die rund 50 Zuhörer lauschten gespannt seinen Ausführungen. Die Fragen stellte Jörg Punzel. Ein Film über ein Rennen von 1989 am Schleizer Dreieck vermittelte dem Publikum einen plastischen Eindruck von den Rennbedingungen.

Genauso wie heute wurde auch damals viel an den Autos herumgeschraubt, um die maximale Leistung herausholen zu können, erzählte der Ex-Rennfahrer. Dabei habe es immer Materialprobleme gegeben. „Reifen waren immer schwer zu beschaffen“, sagte Isensee. Bei den internationalen Rennen seien die Russen aufgrund des besseren Materials oft im Vorteil gewesen.

„Ich bin überall im sozialistischen Ausland gefahren“, sagte Isensee. In der Sowjetunion, in Ungarn, Polen und der CSSR. Im tschechischen Brünn hatte er sogar noch die Gelegenheit, gegen den „kleinen Schumacher“ zu fahren, wie er es ausdrückte. Er meinte damit Michael Schumacher, als dieser noch sehr jung und am Anfang seiner Karriere war. Für Dietmar Isensee war 1992 Schluss mit Autorennen.

„Ich habe mit der Zeit vollständig abgeschlossen“, sagt der Tangermünder, der seit 1982 eine Werkstatt betreibt. Zu Autorennen gehe er heute nicht mehr.

Ursprünglich hat er im Baukombinat in Stendal gearbeitet. Obwohl die Kollegen ihn bei seinen sportlichen Ambitionen unterstützt hätten, so sei er dennoch an einen Punkt gekommen, wo es nicht mehr ging. „Da habe ich mich selbstständig gemacht“, sagte Isensee. Allein die Anreisen hätten oft tagelang gedauert und seien beschwerlich gewesen. Zunächst wurde der Rennwagen einfach mit einer Vorrichtung an das Zugfahrzeug gehängt, später baute er sich einen Transportanhänger und auch einen Wohnwagen nach eigenen Bedürfnissen.

Am meisten interessierte das Publikum, wie er denn finanziell dagestanden habe. „Wenn du mal ein Rennen gewonnen hast, dann gab es schon mal 150 Mark“, erzählte Isensee. Als Nationalkader habe er „ab und an mal etwas Benzin“ bekommen – mehr nicht. „Da habe ich draufgezahlt und auf manches verzichten müssen.“ Urlaube seien selten drin gewesen. Irgendwann später habe er einen Sponsorenvertrag mit dem ostdeutschen Zündkerzenhersteller „Isolator“ abgeschlossen. „Das war schon was“, sagte Isensee.

1972 ist er mit einem Wartburg in den Rallyesport eingestiegen. Auf Rundkursen ist er nur sporadisch unterwegs gewesen, dies änderte sich erst 1976 mit dem endgültigen Umstieg auf den Asphalt. Bis 1978 blieb er bis dahin auch dem Wartburg treu, den er mit 1100 Kubikmetern auch schon mal auf eine Geschwindigkeit von 220 km/h bekam. Dann folgte ein „Shiguli“.

Auch wenn er es nicht so recht gewollt habe, so sei er ab 1984 in den Formel-Sport eingestiegen. „Ich wollte eigentlich immer Tourenwagen fahren“, sagte Isensee. Ulrich Melkus (1950-1990), der den Rennsport der DDR geprägt hat wie kaum einer anderer, überredete ihn schließlich. „Ich durfte den MT 77 testen“, sagte Isensee. Das MT stand dabei für die Konstrukteure Melkus-Thaßler. Die Antriebsbasis war der getunte und auf etwa 140 PS gebrachte Motor des Lada 1300. Das Getriebe stammte vom Wartburg 311. „Das hat mir Spaß gemacht, den Wagen zu fahren“, sagte Isensee.

Als großen Unterschied zu heutigen Autorennen sieht der Tangermünder die großen Entwicklungen hinsichtlich der Sicherheit. „Bei uns ist ja fast jedes Jahr jemand auf der Strecke geblieben.“ Auf dem Sachsenring seien sie beispielsweise direkt an Häusern vorbeigerast. Bei anderen Rennen konnte es sein, dass man zehn Meter den Abhang runterflog, wenn man sich verbremst hatte.

Moderator Jörg Punzel formulierte es so: „Bei Euch gab es noch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Technik und fahrerischem Können. Die Rennen wurden in den Kurven entschieden.“ Heute sei die Technik entscheidend.