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Wandmalerei Rettung für den Schmutz-Heiligen

In der Stendaler Jacobi-Kirche gibt es zwei große Wandgemälde aus dem 16. Jahrhundert. Eine Restauratorin nimmt sie unter die Lupe.

Von Nora Knappe 23.07.2016, 01:01

Stendal l Der Heilige Christophorus müsste mal wieder gründlich gewaschen werden. Dass er in einem Fluss steht, hilft ihm da nicht viel. Denn der Schmutz hat sich über die Jahrhunderte auf ihm abgelagert, seit er an die Wand rechts des Lettners in der Jacobikirche gemalt wurde. Das war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, und seither haben Witterung, Übermalung und Wiederfreilegung sowie eine Zeitlang auch Heizungsluft dem Wandgemälde arg zugesetzt.

Darum wird das Christophorus-Bild jetzt, genau wie seit Mitte Mai das Jüngste Gericht links des Lettners, auf Schäden untersucht und erst einmal notgesichert. Seit dieser Woche steht daher ein zweites Gerüst in der Kirche, von dem aus die Restauratorin Marie Heyer die überdimensionale Wandmalerei ganz genau in Augenschein nehmen kann. „Insgesamt scheint der Christophorus deutlich besser erhalten zu sein als das Jüngste Gericht, aber die Verschmutzung der Oberfläche ist enorm.“ Heyer rechnet aber fest mit genau den gleichen Schäden wie bei dem Gemälde nebenan: Hohlstellen und Ausbrüche im Putz, Schmutzablagerungen und sich ablösende Malschichten.

Von einer bunten Farbfassung, die einst auf die grau-rote Untermalung aufgebracht wurde, ist kaum noch etwas erhalten. Erst als Heyer explizit auf einige Stellen zeigt, nimmt der Laie diese winzigen Farbreste überhaupt wahr. Auf der dritten Ebene des Gerüsts steht man dem Heiligen Christophorus Auge in Auge gegenüber, sieht seinen halb fürsorglichen, halb unsicheren Blick gen Jesuskind, das er auf seiner Schulter trägt.

Wenn die Bestandsuntersuchung abgeschlossen ist, wird Marie Heyer sagen können, ob ihr Konservierungskonzept, das sie für das Jüngste Gericht erarbeitet hat, auch beim Heiligen Christophorus angewandt werden kann. Interessant für sie ist derweil zu sehen, wie der Künstler an die Figuren herangegangen ist. Während er – oder seine Helfer – sich beim Jüngsten Gericht mit Fantasie und offenbar auch Spaß an die Höllenfiguren machte, ging es beim Christophorus-Bild ganz gemessen und verhalten zu. Wenngleich das ein oder andere Detail – zum Beispiel eine anscheinend im Wasser planschende Unbekleidete – nicht unbedingt zum offiziellen Bild gezählt haben, sondern ein Spaß des Künstlers gewesen sein mochte, den er dann übermalt hat.

Mit Sicherheit sagen kann Marie Heyer aber schon jetzt: „Das Bild wurde ohne Vorzeichnung frei Hand gemalt, mit lockerem Pinselschwung. Aber trotzdem ist alles perfekt proportioniert.“ Was bisher nur die Restauratorin sehen oder erahnen kann, soll nach der Konservierung auch für den Kirchenbesucher wieder besser zu erkennen sein. Bis in den Herbst haben Marie Heyer und ihre beiden ab August dazustoßenden Kolleginnen Zeit für beide Wandmalereien.

Beim Jüngsten Gericht sind jetzt gut zwei Drittel geschafft: Farbschollen wurden gefestigt, Hohl- und Fehlstellen im Putz wurden verfüllt oder gekittet. Ein Spezialfall ist nun noch in einigen Bereichen eine Gipskruste, die sich durch Schmutzpartikel gebildet hat und nun durch ein Ionen-Austauschverfahren wieder in Kalk zurückverwandelt werden soll. „Im August gibt es dann einen Termin mit der Denkmalpflege, um abzusprechen, inwieweit eine Retusche in Frage kommt“, sagt Heyer. Denn da das Bild im unteren Teil fast gar nicht mehr erkennbar sei, dürfe man im Bereich darüber nicht zu viel wiederherstellen, damit der Kontrast nicht zu stark werde.

So fachlich-nüchtern der Blick der Restauratorin bei ihrer Arbeit auch sein muss, ist ihr dabei aber auch immer die Bedeutung dieser Bilder bewusst: „Ich finde es immer wieder spannend, was hier abgebildet ist und welche Wirkung das einst auf die Menschen hatte.“