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Spender-Aktion Vielleicht ist ein Lebensretter dabei

Initiative gegen Blutkrebs: Stendaler Berufsschüler lassen sich als Stammzellspender registrieren. Und animieren andere zum Mitmachen.

Von Nora Knappe 09.02.2019, 00:01

Stendal l 102 Schüler und Lehrer aus dem Landkreis Stendal sind jetzt neu in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) und sind damit potenzielle Lebensretter für an Blutkrebs Erkrankte. Sie alle haben sich im Stendaler Berufsschulzentrum registrieren lassen. Das ist schnell gemacht und tut nicht weh.
Angeschoben hatte die Aktion die 19-jährige Schülerin Gina Schmidt vom Beruflichen Gymnasium in Stendal und stieß damit auf große Resonanz bei ihren Mitschülern der 13. Klasse FG?16b. In ihrem Umfeld habe es einen tödlichen Fall von Blutkrebs gegeben, das habe sie alle sehr bewegt, sagt Schmidt. Aus dem Impuls „Wir müssen was machen“ wurde schnell eine Anfrage bei der DKMS und schließlich die Registrierungsaktion.
Die Klasse von Gina ließ sich am Freitag natürlich gleich registrieren, sie selbst habe das schon vor einem Jahr gemacht. „Das ist eine super wichtige Sache, um anderen zu helfen“, ist ihre Mitschülerin Nina Fehse überzeugt, die gerade mit Robert Romanowsky und Joeline Binder die kleine Registrierungsprozedur absolviert. Und sie hofft: „Es wäre schön, wenn ein Treffer dabei ist. Man selber will ja auch, dass einem geholfen wird, wenn man erkrankt.“
Schulkoordinator Jens Schößler findet dieses Engagement sehr anerkennenswert. „Das ist erst mal ein Versuch heute und natürlich freiwillig. Selbst wenn einige sich jetzt nicht registrieren lassen, haben sie zumindest vom Thema gehört, entscheiden sich vielleicht später dazu.“
Anfragen von Schulen für Spendenaktionen gebe es sehr oft, sagte Tom König, der von der DKMS aus Berlin nach Stendal gekommen war. „Ich bin jede Woche unterwegs. Für Schüler ist das übrigens kostenlos, sonst kostet die Registrierung 35 Euro. Man kann sich das Probenset auch ganz einfach nach Hause bestellen.“ Auch reine Geldspenden helfen der DKMS bei ihrer Arbeit.
Bevor es ans Registrieren ging, bekamen die Berufsschüler von Tom König viele Hintergrundinformationen. Er zeigte kurze, sehr eindrückliche Filmsequenzen von Betroffenen, erklärte, was Blutkrebs ist und wie man helfen kann. „Alle 15 Minuten erkrankt in Deutschland ein Mensch an Blutkrebs“, verdeutlichte er die Brisanz, „viele davon sind Kinder.“
Mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland sind bei der DKMS in der Datei. „Das klingt viel, aber nur jeder zehnte Patient findet einen passenden Stammzellenspender.“ Die Gewebemerkmale müssen hundertprozentig übereinstimmen, es gebe Millionen möglicher Kombinationen. Einen „genetischen Zwilling“ zu finden, sei gar nicht so einfach. König gab den Schülern also als Motto mit: „Mund auf, Stäbchen rein!“ Genaugenommen sind es drei Stäbchen, deren wattebauschigen Kopf man für jeweils eine Minute an der Wangenschleimheit entlangreibt. Formular ausgefüllt, fertig.
So hat es 2012 auch Enrico Rinke aus Schönhausen gemacht. Der heute 44-Jährige ermunterte die Schüler, sich in die Spenderdatei aufnehmen zu lassen, und erzählte von seinen eigenen Beweggründen. Wie in der Berufsschule auch habe ihn ein konkreter Fall im Umfeld animiert, sich registrieren zu lassen. Und gerade mal zwei Jahre danach wurde es dann ernst: Es gab die genetische Übereinstimmung mit einem Patienten in Spanien. Wie Rinke erst später erfuhr, handelte es sich um einen 14-jährigen Jungen in Madrid. Normalerweise können Spender und Empfänger nach zwei Jahren Kontakt zueinander aufnehmen, wenn beide das möchten. Da es mit Spanien kein entsprechendes Abkommen gibt, kennt Enrico Rinke den Jungen nicht persönlich, kann ihm aber über die DKMS anonym schreiben. Dem Jungen gehe es soweit gut. Aber Tom König merkte an: „Eine Spende ist eine Chance. Aber keine Garantie.“
Enrico Rinke schilderte den Ablauf mit nochmaligem Test, ausführlichen Untersuchungen und schließlich der operativen Knochenmarkentnahme, der zweiten Variante neben der Stammzellentnahme per „Blutwäsche“. Außer einem Gefühl, „als ob dir jemand in den Hintern getreten hat“, habe er keine Nachwirkungen gespürt. Den Schülern sagte er: „Ich bitte euch von ganzem Herzen: Macht‘s. Es kann jeden treffen.“