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Stadtgeschichte Mittelalter zum Anfassen

Eine Urkunde von 1251 bezeugt die Gründung der Stendaler Webergilde. Das Dokument gibt es jetzt zweimal.

Von Nora Knappe 11.01.2019, 00:01

Stendal l Das Stendaler Stadtarchiv ist ein Hüter zeitgeschichtlicher Schätze. Es will sie aber nicht geheim halten, sondern gern auch zeigen. Schwierig, wenn es sich um ohnehin schon bröselige und wurmstichige, noch dazu licht- und luftfeuchtigkeitsempfindliche Dokumente handelt. Eines der ältesten Schriftstücke im Bestand kann jetzt ohne schlechtes Gewissen ans Licht geholt, ausgestellt und auch berührt werden: die Urkunde über die Gründung der Webergilde vom 13. November 1251. Von ihr wurde nämlich ein Faksimile angefertigt, also eine vom Original kaum zu unterscheidende Nachbildung.
Während der ursprüngliche Text auf Pergament, also Tierhaut, geschrieben steht, ist es bei der Kopie ein spezielles Papier. Das nachgebildete Siegelfragment wiederum besteht aus Kunststoff und wurde per 3-D-Scanner und -Drucker angefertigt. Das alles passierte in der Leipziger Werkstatt des Restaurators Christoph Roth, der für das Archiv schon zahlreiche Dokumente und Bücher restauriert hat.
Die Urkunde nun ist zwar nicht das älteste Dokument überhaupt im Stendaler Stadtarchiv, denn das stammt von 1196. Für Archivleiterin Simone Habendorf ist es trotzdem etwas Besonderes, denn: "Das Siegel, wenn auch nur als Fragment, ist das älteste Stadtsiegel im Original, das wir haben." Von 1251 also. Und das kann den Besuchern nun richtig anschaulich vor Augen geführt werden, man kann mit den Fingerkuppen über Burg und Adler streichen und einem Hauch von Mittelalter nachspüren.
Der Text ist für Laien vielleicht weniger spannend, auf Latein geht es darum, wer Tuch herstellen darf, was die Aufnahme in die Innung (als Bruderschaft bezeichnet) kostete. Amüsanter ist dann wohl schon die Festlegung, wann Geldstrafen fällig wurden: so bei fehlerhaftem oder minderwertigem Tuch oder von jenen, die "einen anderen an die Ohren schlagen, ihn verwunden, ihn schmähen und einen Schwätzer nennen".
Aber noch etwas spielt in die Freude der Archivarin hinein: "Es ist das erste Mal überhaupt, dass wir ein Faksimile anfertigen lassen konnten." So etwas kostet viel Geld, und im normalen Budget ist dafür nichts vorgesehen. Also stellt das Stadtarchiv bei kostenlosen Veranstaltungen, Vorträgen und Führungen eine Spendendose auf. "Da waren jetzt über einen längeren Zeitraum 700 Euro zusammengekommen, mit der wir die Anfertigung bezahlen konnten. Ein großer Dank also an alle, die hier mal eine Spende hinterlassen haben."