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Vereinsgründung Nach Zoff in der Altmark schlagen überrumpelte Bürgermeister zurück

Ungewöhnliche Umstände im Kreis Stendal erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. So gibt es jetzt zwei Vereine, die das Erbe der alten Leader-Aktionsgruppe „Mittlere Altmark“ antreten, um bei der Vergabe von EU-Fördergeld mitreden wollen.

Von Ralf Franke Aktualisiert: 07.07.2022, 13:50
Sie verkündeten auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, 6. Juli,  in Seehausen (Altmark) die Gründung der Leader-Aktionsgruppe „Altmark Mitte“, von rechts: die Bürgermeister René Schernikau (Arneburg-Goldbeck), Annegret Schwarz (Bismark), Rüdiger Kloth (Seehausen) und Nico Schulz (Osterburg). Mit dabei die in Sachen Leader-Programm federführende  Wirtschaftsförderin Lisa Wille.
Sie verkündeten auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, 6. Juli, in Seehausen (Altmark) die Gründung der Leader-Aktionsgruppe „Altmark Mitte“, von rechts: die Bürgermeister René Schernikau (Arneburg-Goldbeck), Annegret Schwarz (Bismark), Rüdiger Kloth (Seehausen) und Nico Schulz (Osterburg). Mit dabei die in Sachen Leader-Programm federführende Wirtschaftsförderin Lisa Wille. Foto: Ralf Franke

Stendal - Zoff in der Altmark bei der Gründung einer neuen lokalen Leader-Aktionsgruppe, um auch in der neuen Förderperiode Geld für die Entwicklung des ländlichen Raums zu bekommen. Vertreter von Kommunen im Landkreis Stendal, die sich überrumpelt fühlen, sind aktiv geworden, um Schaden zu verhindern.

Mit dem Auslaufen der Leader-Förderperiode muss sich dieser Tage eine neue lokale Aktionsgruppe formieren, um Kommunen, Unternehmen, Vereine, Institutionen oder berechtige Privatpersonen gleichermaßen bei der Vergabe von Fördergeld zu vertreten. So wollen es Gesetz- und Fördergeldgeber, die zudem bestimmten, dass das künftig über einen eingetragenen Verein erfolgen soll.

Streit um Fördergelder: Zwei Gruppen ringen um die Deutungshoheit

Mit einem Streich, den die einen wahlweise vielleicht als Sternstunde der Demokratie oder als einen ihrer schwärzesten Augenblicke bewerten, übernahm eine 28-köpfige Gruppe, die dem Umfeld des CDU-Ortsverbandes Arneburg-Goldbeck zugerechnet wird, am 22. Juni mit organisierter Stimmenmehrheit das Ruder der Gründungsversammlung für die neue LAG „Mittlere Altmark“ in Bismark. Die beteiligten Kommunen sowie deren Wirtschafts- und Sozialpartner, die das Prozedere bis dahin im guten Glauben und mit viel öffentlicher Beteiligung über ein Jahr vorbereitete hatten, fielen aus allen Wolken.

Lange dauerte der freie Fall nicht. Mit einem Paukenschlag wollen sich die Überrumpelten die Deutungshoheit über die neue Förderperiode zurückholen. Sie gründeten am Montag, 27. Juni, eine neue LAG. Zehn Mitglieder aus dem neuen Leader-Einzugsbereich, der die Verbandsgemeinden Seehausen und Arneburg-Goldbeck, Einheitsgemeinden Bismark und Osterburg plus Stadt Kalbe (Milde) umfasst, reagierten nur fünf Tage nach dem Bismarker Desaster. Ihre neue LAG soll es unter dem Namen „Altmark Mitte“ ins Vereinsregister schaffen.

Neuer Verein für "Leader"-Gelder: Bürgermeister fühlen sich von CDU überrumpelt

Bei einem Pressegespräch zeigten sich die Bürgermeister der genannten Kommunen, Rüdiger Kloth (Freie Wähler), René Schernikau (parteilos), Annegret Schwarz (CDU) und Nico Schulz (Freie Wähler) – ihr Amtsbruder aus Kalbe war verhindert – sicher, dass das gelingt, und erklärten ihre Motivation.

Die stehe nämlich nicht einfach nur dafür, den anderen Verein verhindern zu wollen. Vielmehr moniert der neue Vorstand (Vorsitzender ist der ehrenamtliche Bürgermeister von Kalbe, Heiko Gabriel), dass der Konkurrenz erst unter Versammlungsleitung und späterem Vorsitz von Karsten Rottstädt eklatante Fehler unterlaufen wären, die die Gründung eines Vereins allgemein und der LAG besonders in Frage stellen würden. Eine Reaktion auf die angezeigten Mängel stehe bislang aus.

Streit um "Leader"-Verein in der Altmark: Es geht um viel Geld

Das betreffe unter anderem die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit von anwesenden Personen oder die paritätische Vertretung in der Gruppe, die bei künftigen Entscheidungen dank der Übermacht einer Personen- oder Interessengruppe gefährdet sei. Weshalb auch das Stimmrecht von Kommunen im Verein unter 50 Prozent betragen muss, fasst es Rüdiger Kloth zusammen. Seehausens Bürgermeister erklärte zudem seinen sofortigen Austritt aus der anderen Gruppe, der LAG „Mittlere Altmark“.

Besonders gravierend sei das Streichen des Diskriminierungsabsatzes aus der Satzung gewesen, womit man sich gegen Ideale der EU stelle, die letztlich das Geld für die Regionen durchwinke, ergänzte Nico Schulz aus Osterburg. Nicht zuletzt, um finanziellen Schaden abzuwenden, entschlossen sich die Kritiker, einen neuen, rechtssicheren Verein zu gründen, weil die Region in der Altmark Gefahr laufe, in den kommenden Jahren keine Fördermittel abzubekommen.

Streit um "Leader"-Gelder: Beteiligten läuft die Zeit immer schneller davon

Das hätte weitreichende Folgen. Denn die Summe, über die die LAG verfügen soll – es wird von mindestens 14 Millionen Euro ausgegangen –, ist zwar deutlich gewachsen, aber mit ihr auch Verantwortung und Aufgabengebiete. Dorferneuerung, ländlicher Wegebau und anderes wären mit der Summe nämlich abgegolten.

Falls der Verein um Rottstädt wider Erwarten doch den Eintrag schafft, wäre da noch die Lokale Entwicklungsstrategie (LES), die den Zustand der Region ebenso abbildet wie deren Potenziale oder Chancen und zwingend zum Prozedere gehört. Die haben die Kommunen mit Hilfe eines Planungsbüros erarbeiten lassen und alleiniges Zugriffsrecht. Abgabetermin beim Landesverwaltungsamt ist der 1. August.