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Themenwoche Was Blinden beim Sehen hilft

Die "Woche des Sehens" bietet in Stendal die Möglichkeit zum Gespräch über Blindsein und Barrieren. Und es gibt viele Tipps.

Von Nora Knappe 11.09.2019, 01:01

Stendal l Als Sehender neigt man schnell dazu, im Umgang mit Blinden bestimmte Wörter zu meiden. Doch auch Blinde sehen, schauen sich etwas an, lesen. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass der Blinden- und Sehbehindertenverband in Stendal zur „Woche des Sehens“ einlädt. Annemarie Kock, Leiterin der Stendaler Beratungsstelle „Blickpunkt Auge“, hat sie gemeinsam mit dem Teilhabemanagement und der Freiwilligenagentur organisiert. Sie ermuntert ausdrücklich auch Sehende, zu den Veranstaltungen zu kommen: „Es geht uns ja um den Austausch und das Miteinander.“ Für Blinde ist es zudem eine Gelegenheit zu erkennen, dass sie nicht allein sind, und zu erfahren, wie vielfältig heutzutage vor allem die technischen Hilfsmittel sind. Vier Veranstaltungen sind Anfang Oktober vorgesehen:

Mittwoch, 9. Oktober, 9 Uhr, Begegnungsfrühstück, Kleine Markthalle: Hier kann man „unter erschwerten Bedingungen frühstücken“. Annemarie Kock bringt eine Dunkelbrille und eine Brille mit, die eine starke Sehschwäche simuliert.

Freitag, 11. Oktober, 14 Uhr, Führung durch die Winckelmann-Ausstellung*: Bei der Führung speziell für Blinde und Sehbehinderte kommen akustische und taktile Elemente in der neuen Ausstellung über Winckelmann zur Geltung. Eine gute Gelegenheit, Stendals berühmten Sohn und seine Verdienste mit geschärftem Hör- und Tastsinn kennenzulernen.

Sonnabend, 12. Oktober, 13-16 Uhr, Landratsamt, Hilfsmittelausstellung: Hier präsentieren sich Anbieter verschiedener Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte – von Computertechnik über Braillezeilen und Alltagshelfer wie sprechende Uhren oder Geldscheintester. Außerdem ist die Rehabilitationslehrerin Ulrike Schade anwesend.

Dienstag, 15. Oktober, 14 Uhr, Hochschule, Vortrag zu Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder*: In einem 60-minütigen Vortrag und mittels praktischer Elemente erfahren die Teilnehmer, wie die Inklusion von blinden und sehbehinderten Kindern in Kindergarten und Vorschule spielerisch umgesetzt werden kann. Angesprochen fühlen sollen sich Auszubildende, Studenten, Erzieher, Heilpä­dagogen und natürlich Eltern.

Und wie ist es um die Orientierungshilfe für Blinde und Sehbehinderte in den Gebäuden der Stendaler Stadt- und der Kreisverwaltung bestellt? „In den Häusern der Stendaler Stadtverwaltung gibt es bislang keine Blindenleitsysteme“, antwortet Armin Fischbach aus dem Rathaus. Weder gebe es Wegweiser in Brailleschrift noch akustische Hilfen. „Bislang erschien die Anschaffung eines solchen Systems nicht notwendig und wurde (...) auch nicht im Stadtrat thematisiert.“ Sollte aber Hilfe benötigt werden, „wäre das Personal der Touristeninformation der erste, ideale Ansprechpartner“.

In der Kreisverwaltung ist man etwas weiter. „In den Gebäuden Wendstraße sowie Hospitalstraße (Neubau) wurden Türschilder in Brailleschrift angebracht“, teilt Pressesprecherin Angela Vogel mit. Hinzu komme die kontrastreiche Gestaltung der Türen im Erdgeschoss des Neubaus: „Die Tür bzw. der Türrahmen ist visuell kontrastreich zur Umgebung abgesetzt, was wichtig für Menschen mit Seheinschränkung ist.“ In den anderen Etagen solle dies „mittelfristig ebenso umgesetzt“ werden. Unabhängig davon bekämen Menschen mit Sehbehinderung auch praktische Hilfe vom Wachschutz im Haus.

Mindestens genauso wichtig wie Beschilderungen sind aus Sicht Annemarie Kocks vor allem intakte Gehwege: „Es gibt zu viele Schlaglöcher.“ Und manchmal hapert es an der klugen Hinführung zu Hilfssystemen. Die „sprechende Haltestelle“ am Krankenhaus findet sie im Prinzip gut, wünscht sich mehr davon, aber: „Es gibt kein akustisches Signal, das auf sie hinweist. Ich weiß zum Beispiel, dass es sie gibt, weil ich mal gegengelaufen bin.“

Was ihr persönlich derweil im Alltag am meisten hilft, ist das Smartphone. Insbesondere eine App: Sie liest Texte und Dokumente vor, erkennt Geldnoten, identifiziert Produkte über deren Strichcode oder beschreibt Personen und deren Gesichtsausdruck. So wird vieles für Blinde nicht Sichtbare eben doch sichtbar.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) hat eine Broschüre zum Umgang mit blinden Menschen herausgegeben. Sie findet sich auf https://www.dbsv.org/broschueren.html

*Anmeldungen sind erforderlich: Tel: 03931/71 30 19 oder Mail an: a.kock@bsvsa.org