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Wahl-Skandal Klarstellung aus dem Rathaus gefordert

Im Untersuchungsausschuss zum Stendaler Wahlskandal sorgen Aussagen von Mitarbeiterinnen für Empörung. SPD und Linke fordern Klarstellung.

12.09.2017, 08:50

Stendal l Die Aussage von zwei mit der Briefwahl betrauten Rathaus-Mitarbeiterinnen vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages zur Wahlfälschung haben in der Stadtpolitik hohe Wellen geschlagen. Die beiden Frauen hatten im Landtag davon gesprochen, dass bei Wahlen „regelmäßig über vier Vollmachten“ eingereicht worden seien.

Auf Nachfrage konkretisierte die eine Angestellte, dass „fünf bis zehn“ Unterlagen durchaus üblich waren. Dies sei „von allen Spitzenparteien“ so gehandhabt worden. Offenbar hätten diese „hierüber die Wähler kriegen wollen, die sie sonst nicht kriegen“, sagte die als Zeugin geladene Frau.

Der stellvertretende Vorsitzende des Stadtrates und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete sowie Ortsvereinsvorsitzende Reinhard Weis will das nicht so stehen lassen: „Ich sehe mich persönlich durch Ihre Aussagen beschuldigt.“

In einem offenen Brief fordert er, die Aussagen „mit Namen und Zeitpunkt“ zu belegen. „Ich bin überzeugt, Sie werden es nicht können, weil innerhalb der SPD und im Namen der SPD niemals organisiert Briefwahlunterlagen aus der Stadtverwaltung abgeholt wurden.“

Der erfahrene Politiker kritisiert: „Ihre Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss unterstellen auf infame Weise, dass die anderen demokratischen Parteien in Stendal genau so kriminell gehandelt haben wie das ehemalige CDU-Mitglied Gebhardt und seine Zuträger.“ Mit dem Versuch, eigenes Fehlverhalten in der Stadtverwaltung, das die Wahlfälschung erleichtert habe, „auf diese Art und Weise zu relativieren, stellen Sie sich auf eine Stufe mit den Vertuschern des Wahlskandals“.

Die Ausschussmitglieder hakten bei beiden Frauen aufgrund ihrer Behauptungen nach. Beide gaben jedoch an, sich an konkrete Namen nicht erinnern zu können. Lediglich eine der beiden nannte den SPD-Stadtrat Lars Schirmer. Er sei stets „am letzten Tag um dreiviertel sechs“ erschienen. Schirmer weist dies gegenüber der Volksstimme zurück. Er ginge zwar bisweilen in das Briefwahllokal, habe aber noch nie Vollmachten abgeholt.

Auch Linke/Grünen-Fraktionschef Joachim Röxe fordert von der Verwaltung Aufklärung. Möglicherweise hätten „die Mitarbeiterinnen etwas durcheinander gebracht“. Parteienvertreter suchten regelmäßig vor Wahlen das Einwohnermeldeamt auf, um die Wählbarkeitsbestätigungen ihrer Kandidaten einzureichen. Hierbei geht es jedoch nicht um Stimmen oder Vollmachten, sondern um die für eine Kandidatur notwendigen Angaben, die einzureichen sind.

Die Auftritte der beiden Mitarbeiterinnen und die eines Mitarbeiters aus dem Büro von Oberbürgermeister Klaus Schmotz hatten bei den Ausschussmitgliedern ohnehin für Irritationen über die Verwaltungspraxis im Stendaler Rathaus gesorgt. So wurde deutlich, dass es vor der Wahl 2014 und auch in den Jahren zuvor keine systematischen Schulungen der mit der Briefwahl betreuten Mitarbeiterinnen des Einwohnermeldeamtes gegeben haben muss.

Beide Frauen klagten zudem über eine hohe Arbeitsbelastung. „Wir haben im Akkord gearbeitet. Da guckt man vielleicht nicht mehr nach links und rechts“, sagte die eine.