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Wahlleiter Keine Antworten, aber Konsequenzen

Erste personelle Konsequenzen im Landkreis Stendal: Landrat Wulfänger ist nicht mehr Kreiswahlleiter. Ein Bündnis berief ihn ab.

01.09.2016, 23:01

Stendal l Der Mann, um den es ging, hatte ganz hinten im Sitzungssaal Stendal des Landratsamtes Platz genommen, als Kreistagsvorsitzender Lothar Riedinger am Donnerstagabend um 17.33 Uhr den Tagesordnungspunkt 7 aufruft: „Neubesetzung Kreiswahlleiter“ war der Antrag der Fraktion Linke/Grüne überschrieben.

Es folgen 50 spannungsgelade Minuten, in denen man über lange Momente hinweg fast eine Stecknadel hätte fallen hören. Fraktionsvorsitzende Helga Paschke (Linke) geht bei der Begründung ihres Antrags mit Wulfänger direkt hart ins Gericht. Er hätte „längst überfällige Konsequenzen ziehen müssen“ spricht sie von einem „anhaltenden Trauerspiel“.

Sie kritisiert, dass Wulfänger zahlreiche Fragen über seine Rolle bei der Überprüfung der Briefwahlvollmachten nicht beantwortete. Auch seine Gründe für die Empfehlung in der Kreistagssitzung am 3. Juli 2014, die Wahl damals für gültig zu erklären, blieben nebulös. So fordert ihn Paschke auf: „Legen Sie endlich offen, wie es wirklich war.“ Er sei dem Kreistag hier zu Informationen verpflichtet.

Doch der Landrat ist bei diesem Tagesordnungspunkt befangen. Er darf hier nicht reden. Im Tagesordnungspunkt zuvor hatte er beim „Bericht des Landrates“ dazu die Gelegenheit. Wulfänger kommt hier mit einer Minute zu diesem Thema aus. „Ich weise alle Vorwürfe vollumfänglich zurück.“ Vielmehr sollten „unabhängige Ermittlungen“ klären, „welche Aussagen und Vorwürfe Substanz haben“, beruft er sich auf die Strafanzeige wegen Verleumdung, die er vor einer Woche gegen den Antrag von Linke/Grüne gestellt hatte (Volksstimme berichtete).

Seine Ausführungen vor zwei Jahren „waren mein damaliger Kenntnisstand“, bekräftigt er und schiebt hinterher: „Letztlich wurden wir doch alle getäuscht.“ Auf die offenen Fragen – einige wurden auch noch eingangs in der Einwohnerfragestunde gestellt – geht er mit keiner Silbe ein. Paschke ist das zu wenig. Fast 15 Minuten braucht sie, um die in den vergangenen Tagen bekannt gewordenen Kritikpunkte aufzulisten.

Wulfänger ist in der letzten Reihe die Nervosität anzumerken. Er wippt ständig mit den Füßen. In der CDU-Fraktion sind die Minen verschlossen. Ihrem Fraktionschef Wolfgang Kühnel huscht ab und an in der Debatte ein süffisantes Lächeln übers Gesicht.

Ihn nimmt sich die Linke besonders vor: „Was Sie hier abgeliefert haben, wollen wir nicht mehr ertragen.“ Er möge schweigen oder in Bescheidenheit aufklären. Auch Wulfängers Strafanzeige kommentiert sie: „In der Politik wird man nicht mangels Beweisen freigesprochen, sondern muss aktiv zur Aufklärung beitragen.“

Der CDU-Fraktionschef schweigt nicht. Er tritt als Nächster ans Rednerpult. Kalt bügelt er den Antrag ab, sieht keine rechtliche Grundlage dafür, und spricht von Vorverurteilung. Dann fordert er die Fraktion auf, den Antrag zurückzuziehen: „Carsten Wulfänger hat das Amt korrekt ausgeführt. Er war ein guter Wahlleiter.“

Kühnels Auftritt sorgt für Empörung, die Frank Wiese, Chef der Fraktion Landwirte für die Region/FDP als Erster in Worte fasst: „Es ist schon sehr unangenehm, sich diese Worte anhören zu müssen, von jemanden, der selbst über Recht und Ordnung nachdenken sollte“, spielt er auf Kühnels Rolle als Bevollmächtigter mit mehr als 30 Wahlbriefen an.

SPD-Fraktionschef Lars Schirmer betont, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. Er stellt – wie zuvor auch Paschke und Wiese – auch die Verdienste Wulfängers bei der Flut und der Aufnahme der Flüchtlinge heraus.

Als Torsten Dobberkau (SPD-Fraktion), Edith Braun (fraktionslos), Sylvia Gohsrich (CDU-Fraktion) und Katrin Kunert (Linke) ans Rednerpult treten, blitzen Emotionen auf, doch die Meinungen sind längst klar: Mit den 20 Stimmen von Linke, SPD, Landwirte, Grüne und FDP wird der Erste Beigeordnete Denis Gruber (SPD) schließlich gewählt, die 17-köpfige CDU-Fraktion und Edith Braun sind dagegen. Als sein Vize fungiert künftig der Zweite Beigeordnete Sebastian Stoll (CDU), der 21 Stimmen erhält. Braun stimmt hier für ihn, die eigene Partei hingegen nicht.