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Hilfsbereitschaft Ein ganzes Dorf sucht Lillyfee

Drei Tage lang war Chihuahua-Hündin Lillyfee aus Osterweddingen verschwunden. Das ganze Dorf suchte nach ihr.

Von Sebastian Pötzsch 13.01.2018, 00:01

Osterweddingen l „Die Unterstützung und Anteilnahme hat richtig gepuscht und uns viel Kraft gegeben“, erzählt Caroline Lehmann. „Doch als wir Lilly einfach nicht finden konnten und nicht wussten, ob sie nun verletzt war, waren wir richtig verzweifelt.“

Alles begann vor wenigen Tagen während eines späten Spaziergangs. „Gegen Mitternacht sind wir noch einmal zu einer späten Gassirunde gestartet. Plötzlich liefen drei große Hunde auf uns zu und wollten Lilly anfallen“, berichtet die Halterin. Ob die Bulldoggen in böser Absicht auf Lillyfee, die liebevoll nur Lilly gerufen wird, zugerannt sind oder einfach nur spielen wollten, wissen sie und ihr Lebenspartner Michael Mai nicht. Doch war die kleine Chihuahua-Hündin offenbar so verschreckt, dass sie sich von der Leine losriss und schnurstracks wegrannte.

Nach stundenlangem Suchen und Rufen blieb Lilly wie vom Erdboden verschwunden. „Das war der Beginn einer sehr schwierigen Zeit. Unser Hund ist zu einem ganz engen Familienmitglied geworden“, berichtet Caroline Lehmann. Alsbald habe sie den Computer hochgefahren und „alle Hebel, die medial möglich sind, in Bewegung gesetzt.“ So hat sie einen entsprechenden Hilfeaufruf über das soziale Netzwerk Facebook abgesetzt sowie Flyer erstellt und im ganzen Dorf verteilt. „Auch sämtlichen Behörden haben wir Bescheid gegeben“, zählt Partner Michael Mai weiter auf.

Als es am nächsten Tag noch immer keine Spur von Lilly gab, haben die Beiden und Freunde in Tierheimen und Hundepensionen in der Umgebung angerufen. „Doch niemand hatte sie gefunden und abgegeben“, sagt die Hundemutti.

Derweil brach eine regelrechte Welle des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft auf das junge Paar herein. Mehr als 1950 Mal wurde der Beitrag auf Facebook geteilt. „Ständig hat das Telefon geklingelt. Am anderen Ende waren Leute, die uns Tipps gegeben haben oder einfach nur trösten wollten“, berichtet Caroline Lehmann. Sogar der Besitzer zwei sogenannter Schweißhunde aus der Nachbarschaft hatte seine Hilfe angeboten. „Die beiden Vierbeiner hatten tatsächlich eine Spur von Lilly aufgenommen, die sich dann jedoch verloren hat – wohl weil die auf die Suche von Menschen und nicht von Hunden trainiert sind“, erzählt Michael Mai.

Sogar mit dem berühmten Experten Heino Krannich aus dem niedersächsischen Wittingen hätten sie über mehrere Tage in Kontakt gestanden. „Der hat sich auf entlaufene Hunde spezialisiert und immer wieder angerufen und sich nach dem neuesten Stand erkundigt“, erinnert sich Michael Mai. So habe die Suchaktion weite Kreise geschlagen. „Wir wissen von Leuten aus Magdeburg-Ottersleben und umliegenden Dördern, die sich ebenfalls eingeschaltet haben“, berichtet seine Lebenspartnerin.

Und die Besitzer der drei Hunde, die Lilly angefallen hatten, haben sich nicht nur entschuldigt, sondern tatkräftig bei der Suche nach der honigfarbenen Chihuahua-Hündin mitgeholfen. „Der Vorfall hat denen offensichtlich auch richtig wehgetan.“ Überhaupt sei sie dankbar, so die Hundehalterin, dass viele ihrer Freunde und Bekannte, aber auch fremde Menschen, sich an der Suche beteiligt hätten. „Das hat uns richtig viel Kraft gegeben.“

Dann berichtet Caroline Lehmann von einem weiteren Erlebnis. „Als wir einen Tag nach dem Verschwinden von Lilly wieder auf der Suche waren, haben wir zwei Jungen mit Taschenlampen getroffen. Die haben uns gefragt, ob wir denn auch nach Lilly suchen“, erzählt die Hundebesitzerin. „Ja, ich bin die Mutti von Lilly“, habe sie dann geantwortet. „Das war richtig toll“, erzählt sie.

Bei den Jungen handelt es sich um André Nötzel und Tobias Neumann. Die beiden 9- beziehungsweise 13-Jährigen wohnen in der „Familienanalogen Wohngemeinschaft ‚Weitblick‘“ in Osterweddingen, einer Art Kinderheim. „Wir waren draußen und sind ein bisschen herumgestromert, als uns ein Mann gefragt hat, ob wir einen Hund gesehen haben“, berichtet André. „Dann haben wir einen Zettel mit dem Bild von Lilly bekommen und haben uns sofort auf die Suche gemacht“, fügt Tobias hinzu. So hätten die Beiden den ganzen Tag die gesamte Umgebung abgesucht, sogar den Acker hinter dem Wohngebiet. „Wir haben so gehofft, Lilly zu finden. Wir hatten Angst um den kleinen Hund, denn es war ja sehr kalt“, erzählt André weiter.

Mittlerweile ist Familienmitglied Lilly wieder bei Frauchen und Herrchen. Nach drei langen Tagen hat Besitzer Michael Mai das kleine Hündchen gefunden. „Ich hatte mich noch einmal auf die Suche gemacht und plötzlich ein leises Fiepen gehört“, berichtet er. Dann, durch ein kleines Loch in einer riesigen Koniferen-Hecke, habe er den kleinen Kopf mit den großen Augen entdeckt. „Lilly hatte sich ganz in der Nähe zwischen einem Hundezwinger und mehreren Brettern versteckt. Sie war völlig verängstigt“, erinnert sich der Osterweddinger. Die Fußbodenheizung des Zwingers habe wohl Wärme abgestrahlt, die dem Hündchen das Leben rettete. Ein anschließender Besuch beim Tierarzt habe Entwarnung gegeben. Verängstigt, unterkühlt und mit einem humpelnden Bein – jedoch ohne schwerwiegende Verletzungen – lebt Lilly nun wieder im Hause ihrer menschlichen Hundeeltern.

Dass es am Ende nicht André und Tobias waren, die die kleine Chihuahua-Hündin gefunden haben, stört die beiden aufgeweckten Jungs überhaupt nicht. „Hauptsache Lilly ist wieder da. Wenn sie gestorben wäre, hätte uns das richtig traurig gemacht“, sagt André. Dennoch haben sie für ihren selbstlosen Einsatz ein Geldgeschenk als Dank von Hundemutti Caroline Lehmann erhalten. Dafür bedanken sich die Beiden noch einmal und sagen: „Jetzt können wir mit unserer Erzieherin das Nemo in Magdeburg besuchen und baden gehen.“