Historischer Rundgang durch Klein Wanzleben Ratsherr und Magister führen durchs Zuckerdorf
Der Kulturverein von Klein Wanzleben bietet nach jahrelanger Unterbrechung wieder historische Rundgänge durch den Ort an. Die Tradition soll künftig fortgeführt werden.

Klein Wanzleben. - Nach langer Pause hat der Klein Wanzleber Kulturverein wieder zu einer Führung durch den Ort eingeladen. Den Abendspaziergang durch das Zuckerdorf machten dann auch über 40 interessierte Besucher und Bürger mit.
Geführt wurden die neugierigen Wanderer unter den Motto „Klein Wanzleben für Anfänger“ vom Ratsherrn Olaf Wachsmuth und dem Magister Siegfried Jackowicz – beide sind ausgesprochene Geschichtsfachleute, wenn es um Klein Wanzleben geht. „Mit Freude haben wir das große Interesse am Angebot des Kulturvereins zur Kenntnis genommen“, berichtet Olaf Wachsmuth.
Dabei ging es beim Besuch der Siedlungen schon einmal in einer halben Stunde durch die ganze Welt. Diese tragen Namen aus der Entstehungszeit des Kaiserreichs, wie Port Arthur (China), Windhuk (Namibia), Belfort (Frankreich) und Düppel (Dänemark). Hier gab es Kämpfe über Bismarcks „Blut- und Eisen-Politk“, die letztendlich das Kaiserreich „zusammenschmiedeten“. Entsprechende Erläuterungen und historische Einordnungen dazu gab es von den beiden Wegbegleitern des Kulturvereins. Hintergrund der Siedlungsentstehungen war der große Arbeitskräftebedarf der seinerzeit modernen Zuckerfabrik in Klein Wanzleben.
„Um 1925 gab es hier 3.500 Landarbeiter und noch einmal 300 Angestellt, die für die Zuckerfabrik gearbeitet haben“, berichtet Olaf Wachsmuth. „Dazu muss man dann noch landwirtschaftliche Betriebe rechnen, die in der Region für die Fabrik benötigte Materialien zugeliefert haben.“ Die Arbeitskräfte kamen aus dem Eichsfeld, Ostpreußen und Schlesien. Im zweiten Weltkrieg waren hier Gastarbeiter aus Polen und Frankreich aktiv. Vorstandsmitglied Karl Wentzel hatte auch Kontakt zur Gruppe um Graf Stauffenberg und wurde im Zuge des gescheiterten Hitlerattentats 1944 verhaftet und hingerichtet.
All diese Details erfuhren die Wanderer von Siegfried Jackowicz, der diese Geschichten in einem Buch niedergeschrieben hat.
Gleich nach der Wende nahmen die damaligen Betriebsdirektoren beizeiten Kontakt zur Firma Nordzucker auf. Das waren Walter Graup und Fritz Kretschmar. Von 1991 bis 1994 wurde die neue Zuckerfabrik gebaut, die seither die Produktion in der Region übernimmt. Jackowicz und Wachsmuth unterhielten die Teilnehmer gut zwei Stunden lang mit Geschichten und Pointen.
Aufmerksames Publikum
„Und es gab sogar zwei kleine Korrekturen aus dem Publikum“, berichtet Wachsmuth. So auch zum Standort des Krankenhauses in Oschersleben (im Knochenpark) um 1944. Das wurde von da an bis 1946 nach Klein Wanzleben ausgelagert. Da noch nicht alle Geschichten erzählt sind, wird es weitere Führungen geben. Diese setzen dann eine Tradition fort, die einst Horst Flügel mit dem Heimatverein begründet hat. Er selber hatte noch 2019 eine solche Führung angeboten.
Der Kulturverein bietet auch für interessierte Gruppen einen eigenen Rundgang an. Den übernehmen dann gewiss wieder der Ratsherr und der Magister. Eine treffliche Bezeichnung übrigens für Olaf Wachsmuth und Siegfried Jackowicz – beide sind nämlich nicht nur wohlinformierte Heimatforscher, sondern auch langjährige Stadtratsmitglieder.