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Baugrundstück Tauziehen um Brache in Wernigerode

Über die Zukunft eines Grundstücks 84 in Wernigerode wird seit Jahrzehnten verhandelt. Nun wird erneut beraten.

Von Katrin Schröder 05.12.2020, 00:33

Wernigerode l Es kommt wieder Bewegung in die Planungen für die Breite Straße 84. Die rund 7500 Quadratmeter große Brachfläche im Herzen der Wernigeröder Innenstadt soll Platz für neuen Wohnraum bieten – über das Wie wird seit Jahrzehnten diskutiert. Mit dem aktuellen Bebauungsplanentwurf haben sich die Mitglieder des Bauausschusses befasst und ihn mehrheitlich empfohlen. Die Entscheidung über die nächsten Schritte liegt am Donnerstag, 10. Dezember, beim Stadtrat.

Zuletzt war das Gelände im Februar 2018 Thema im Stadtrat. Der Entwurf für den Bebauungsplan, der in veränderter Form jetzt wieder beraten wird, sieht im rückwärtigen Teil, der an die Walther-Rathenau-Straße grenzt, den Bau von Mehrfamilienhäusern vor, die altersgerechten Wohnkomfort bieten sollen. Zwei langgestreckte, in sich gegliederte Gebäude könnten laut den bisherigen Entwürfen insgesamt 36 Wohnungen beherbergen. Entlang der Breiten Straße sollen Wohnen und Geschäft kombiniert werden.

Die Stadtwerke und die Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft (WWG) stehen bereit, um die Freifläche gemeinsam zu entwickeln. Während der Versorger die Erschließung übernehmen würde, plane die WWG, Wohngebäude für ihre Mitglieder bauen zu lassen, erklärt Genossenschaftsvorstand Christian Linde auf Volksstimme-Nachfrage. Das genaue Prozedere werde geklärt, wenn der Bebauungsplan beschlossen sei und Rechtskraft habe.

Genügend Stellflächen für Autos soll ein Parkhaus bieten, das laut Plan in der Mitte des Grundstücks angesiedelt wird. 50 Stellplätze wären für die Mieter einzurichten. Diese sollen auf Flächen nahe den Gebäuden sowie auf zwei Parkdecks angeordnet werden. Dritte sollen keinen Zugang zu den Parkplätzen haben – nicht nur, weil sie von den Bewohnern gebraucht werden, sondern auch, um zusätzlichen Verkehr in den engen Innenstadtstraßen zu vermeiden.

Die Zufahrt zum neuen Quartier soll von Breiter Straße und Schäferstraße aus erfolgen. Das untere Parkdeck soll von der Breiten Straße aus angefahren werden. Das obere Parkdeck für das Wohngebiet soll von der Schäferstraße aus erreichbar sein. Diesen Weg sollen auch Müllabfuhr und Rettungsdienst nehmen. Ein Fußweg soll von der Großen Schenkstraße auf das Grundstück führen.

Im Frühjahr 2018 konnte die Öffentlichkeit den Vorentwurf für den Bebauungsplan einsehen. Zahlreiche Anwohner nutzten die Möglichkeit, Einwände vorzubringen, und sparten nicht mit Kritik. Eine Gruppe sammelte gar Unterschriften gegen die Pläne. Ferner fürchten die Betreiber eines nahegelegenen Hotels durch die Pläne massive Nachteile für ihren Betrieb.

Viele bezeichnen die Bebauung in den vorgesehenen Maßen als „grob unangemessen und unverhältnismäßig“ oder gar „monströs“. Von „Fehlplanung“ und einem „Affront“ ist die Rede. Die Anlage sei zu groß, nicht ästhetisch und füge sich nicht in die historische Altstadt ein. Viele monieren, dass sie nicht den Vorschriften der Altstadtsatzung genüge, an die sich Anwohner bei Bauprojekten halten mussten. Es sei ein Verlust, wenn die ehemalige Kleingartenanlage und „grüne Lunge“ der Umgebung bebaut würde. Andere befürchten Bauschäden an ihren Häusern, Wertverlust von Grundstücken sowie mehr Lärm und Verkehr.

Einen Teil der Bedenken hatte die Stadtverwaltung in ihrer Abwägung zurückgewiesen, andere wurden aufgegriffen. Eine Untersuchung habe ergeben, dass das Areal bereits durch Straßenlärm von Breiter Straße und Walther-Rathenau-Straße belastet sei. Das künftige Parkhaus werde diese Last jedoch nicht über Gebühr vergrößern. Bei den Vorgaben für den Bau gab es Bewegung. „Eine Auseinandersetzung mit der Altstadtsatzung hat stattgefunden“, erklärte Michael Zagrodnik, Leiter des Stadtplanungsamtes, in der Ausschusssitzung. Im Ergebnis wurde die Zahl der Vollgeschosse auf drei und die Traufhöhe von 14 auf zehn Meter reduziert – in der Altstadtsatzung sind maximal neun Meter festgeschrieben.

Damit würden die benachbarten Häuser in der Schäferstraße und der Großen Schenkstraße um ein bis zwei Meter überragt. Da das Gelände ansteige, träten die Gebäude dennoch „deutlich gegenüber der südlich verlaufenden Bebauung der Walther-Rathenau-Straße zurück“, heißt es in der Begründung zum Planentwurf.

Zudem würden die Dächer flacher als im Umfeld, wodurch die Häuser höher werden dürften. Dafür wurden die zuvor geplanten begrünten Flachdächer gestrichen – was Ausschussmitglied Siegfried Siegel (SPD) bedauert, da so der Wegfall von Grünflächen kompensiert werden sollte. Er kündigte an, dass sich die SPD-Fraktion an der folgenden erneuten Auslegung der Unterlagen beteiligen und einen Ausschluss von Ferienwohnungen festschreiben wolle. Zudem solle nicht mehr das beschleunigte Verfahren für die Bauleitplanung verfolgt werden, sondern die Normalvariante, bei der eine Umweltprüfung vorgeschrieben sei. Dem folgte der Bauausschuss mehrheitlich.

Auf die Seite der Kritiker stellte sich Hagen Bergmann (CDU). Das Verfahren sei „eine reine Katastrophe“. Er teile die Empfindung der Anwohner, dass die Pläne nicht zum Umfeld passen. „Wir bauen auf eine so kleine Fläche eine so kompakte Bebauung. Das kann nicht der Ernst der Stadt sein“, kritisierte das Ausschussmitglied. Er werbe für ein Nein zum Entwurf und rufe die Einwohner auf, sich an der Auslage erneut zu beteiligen „und zu zeigen, dass die Änderungen der Stadt nicht ausreichend sind“. Für Matthias Winkelmann (CDU) kam die Kritik überraschend: „Ich bin erstaunt.“ Er erinnerte daran, dass sich der Stadtrat „relativ einmütig“ für Mehrgenerationenwohnen ausgesprochen habe, weil die Fläche damit zum Wohle vieler genutzt werden könnte. Der Vorentwurf sei aus seiner Sicht nicht schlecht, da er statt „Kastenformen“ gegliederte Baukörper vorsehe.

Der Bebauungsplan beziehe sich jedoch nicht auf ein konkretes, in Planung befindliches Vorhaben, betonte Planungsamtsleiter Zagrodnik. Man habe lediglich veranschaulichen wollen, was gebaut werden könnte. „Es sind sind also auch andere Fomen möglich, gemäß den Festsetzungen des Plans.“

Wer an dieser Stelle investiere, müsse einen „Spagat zwischen einer gewissen Wirtschaftlichkeit und den Fragen von Gestaltung und Verträglichkeit“ hinbekommen, sagte Baudezernent Burkhard Rudo. Seit Anfang der 1990er Jahre suche man nach einer Nutzung für das Gelände – zeitweilig waren der Bau eines Seniorenheims, aber auch Einfamilienhäuser im Gespräch. „Aus unserer Sicht ist das, was jetzt vorliegt, die standortverträglichste Variante aller bisherigen Entwürfe.“