1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Wohnprojekt in Wernigerode nimmt Hürde

Harz Wohnprojekt in Wernigerode nimmt Hürde

Seit Jahrzehnten streiten sich Wernigeröder über die Brache Breite Straße 84. Wie geht es mit dem Grundstück in der Altstadt weiter?

Von Holger Manigk 16.12.2020, 00:01

Wernigerode l Ein neues Wohnquartier für Wernigerode ist ein Stück näher gerückt. Der Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung den Weg dafür freigemacht, dass die Planungen für die Brache an der Breiten Straße 84 weiter vorangetrieben werden können. Mit 28 Ja-Stimmen, einem Veto und drei Enthaltungen billigten die Abgeordneten den Bebauungsplan für das 7500 Quadratmeter große Areal – allerdings mit einer entscheidenden Änderung: Für die nächsten Schritte wird nicht mehr das sogenannte beschleunigte Verfahren angewandt, sondern die Regelvariante. Somit ist eine Umweltprüfung vorgeschrieben.

„Das heißt: Wir müssen mit einem halben Jahr Zeitverzug rechnen. Über einen Entwurf können wir nicht vor Sommer 2021 entscheiden“, sagte Stadtplaner Michael Zagrodnik, der zudem auf den Mehraufwand für die Verwaltung verwies.

„Ja, das bedeutet mehr Arbeit, aber lohnenswerte Arbeit“, entgegnete der SPD-Abgeordnete Matthias Bosse. Sein Fraktionskollege Siegfried Siegel hatte die Änderung vorgeschlagen. Die Verzögerung ist aus Bosses Sicht „kein Problem“. Für ihn viel wichtiger: „Für einen Investor wird es zwar teurer, für Wernigerode aber grüner und wertvoller.“

Denn die Investoren – Stadtwerke und Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft (WWG) stehen bereit, um die Fläche zu entwickeln – müssten nun ökologische Ausgleichsflächen finanzieren. Das ist für Sabine Wetzel zumindest ein Lichtblick. Die Grünen-Fraktionschefin sagte: „Wir lehnen den Bebauungsplan aus ökologischen und klimatischen Gründen ab.“ Sie fürchtet, dass für neue Wohnhäuser und Parkdecks „eine grüne Oase mitten in Wernigerode“ verloren geht und forderte, das „Refugium für Obstbäume, verschiedenste Tier- und Pflanzenarten“ zu erhalten.

„Das ist kein Biotop, sondern einfach nur verwildert, teilweise eine Müllhalde“, hielt CDU-Fraktionschef Matthias Winkelmann dagegen. „Wir müssen die Stadtentwicklung im Auge behalten, schnellstmöglich bauen“, appellierte auch Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos). „Wenn wir für jeden Bebauungsplan sechs Jahre brauchen, verlieren wir weiter Einwohner.“ Das Stadtoberhaupt empfahl einen Blick in die Nachbarschaft – zum neuen Eigenheim-Gebiet Wienbreite II in Ilsenburg, wo auf 44000 Quadratmetern rund 50 Grundstücke erschlossen werden. „Ich bin mir sicher: 30 davon gehen an Wernigeröder.“

Gaffert warnte weiter: „Bald wird jede kleine Hecke zum Biotop erklärt.“ Dennoch sei er für Ausgleichpflanzungen, wie von der SPD vorgeschlagen. Wetzel entgegnete, sie „treibe nicht die Bürger aus der Stadt. Ich glaube allerdings nicht, dass das Wohl und Wehe von Wernigerode an der Breiten Straße 84 hängt.“

Kritik in ganz anderer Richtung erneuerte dagegen Hagen Bergmann. Der Christdemokrat hält die im Entwurf vorgezeichnete Bebauung im oberen Bereich für „überdimensioniert. Sie sorgt für einen unschönen Blickpunkt unterhalb des Schlosses.“ Zudem forderte er, bei der erneuten Auslegung den Bedenken von Anwohnern mehr Gehör zu schenken.

Hintergrund: Die Stadt sucht seit den 1990er Jahren nach einer Nutzung für das Gelände zwischen Breiter Straße, Großer Schenkstraße, Schäferstraße und Grubestraße. Zeitweilig waren Seniorenheim oder Einfamilienhäuser im Gespräch. Nun sollen zwei langgestreckte, in sich gegliederte Mehrfamilienhäuser errichtet werden mit Platz für insgesamt 36 altersgerechte Wohnungen. Auf der Mitte des Grundstücks könnte ein Parkhaus für die Bewohner entstehen. An der Front zur Breiten Straße sollen Wohn- und Geschäftsräume kombiniert werden.

2018 hagelte es bereits Kritik aus dem Umfeld für einen Vorentwurf. Zu groß, unästhetisch, nicht zur Altstadt passend sei die Anlage, monierten Anwohner. Einige sammelten sogar Unterschriften gegen die Pläne. Diese beziehen sich jedoch nicht auf ein konkretes Projekt, sondern sollen laut Planungsamtsleiter Michael Zagrodnik nur die Möglichkeiten veranschaulichen, was gebaut werden könne.