1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Behörden verhindern Wernigerodes Ampelhexen

Hexenampeln Behörden verhindern Wernigerodes Ampelhexen

Ob Wernigerode jemals eine Hexenampel bekommen wird, steht in den Sternen. Wie der Blick übern Tellerrand helfen könnte:

Von Ivonne Sielaff 08.08.2020, 01:01

Wernigerode l Nach Friedberg, Trier, Erfurt, Augsburg, Duisburg, Emden, Hameln und vielen anderen nun auch Pirmasens: In der 40.000-Einwohner-Stadt in Rheinland-Pfalz ist die Vorfreude groß. In Kürze werden neue Ampelfiguren für fünf Fußgängerüberwege erwartet. Landgraf Ludwig, der für die Stadt eine große geschichtliche Bedeutung hat, soll künftig die Ampeln in der Innenstadt zieren. Im Mai hatte der Pirmasenser Stadtrat grünes Licht für das Aufpeppen der Ampeln gegeben. Die Schablonen für die Lichtgestalt werden derzeit in England gefertigt. „Wir hoffen, dass wir sie im Spätsommer einweihen können“, sagt Rathaussprecher Maximilian Zwick.

Moment mal, alternative Ampelfiguren? Da geht es? Und Wernigerodes Ampelhexen werden weiter von den Behörden verhindert? Die Harzer Volksstimme hat nachgefragt.

Tatsächlich sind die Pirmasenser einige Schritte weiter – trotz Straßenverkehrsordnung. Auch in Rheinland-Pfalz muss das rote Sinnbild in der Ampel laut bundesweit geltendem Regelwerk einen stehenden Fußgänger und bei grün einen schreitenden Fußgänger zeigen, bestätigt Zwick. „Allerdings gibt es in Rheinland-Pfalz einen Beschluss des Ministerrates, der Kommunen die Möglichkeit eröffnet, unter bestimmten Bedingungen vom bundeseinheitlichen Symbol abzuweichen.“ Die Ampel müsste jedoch weiterhin einen Fußgänger zeigen, der klar erkennbar gehe oder stehe.

Die Idee für das regionaltypische Motiv stamme vom Pirmasenser Jugendstadtrat. „Pirmasens kehrt damit ein wichtiges Stück seiner Geschichte nach außen“, so Maximilian Zwick weiter. „Für Besucher wie Einheimische sichtbar, an gut frequentierten Stellen im Herzen der Stadt.“ Die Herstellungskosten für fünf Fußgängerübergänge mit jeweils zwei Ampeln würden sich auf 1200 Euro brutto belaufen. „Finanziert wird das Vorhaben zu je gleichen Teilen von der Verkehrswacht und dem Lions Club Pirmasens.“

Auch andere Städte in anderen Bundesländern haben in den vergangenen Wochen in Sachen Ampelfiguren erfolgreich nachgezogen. Monheim in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel. In der Stadt am Rhein leuchtet seit Sommeranfang die Gänseliesel statt des herkömmlichen Ampelmännchens auf sechs Signalanlagen. Die Sagengestalt ziert in Monheim nicht nur das Stadtwappen, sondern auch Brunnen, Briefköpfe und Postkarten – und nun auch Ampeln.

„Es war bei uns ein langer Weg“, sagt Monheims Sprecher Thomas Spekowius auf Volksstimme-Nachfrage. Dabei gebe es in Nordrhein-Westfalen einen Erlass des Landesverkehrsministeriums, der ähnlich wie in Rheinland-Pfalz den örtlichen Straßenverkehrsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen freie Hand lasse. In Monheim habe das Ministerium die Umrüstung der Ampeln dennoch erst untersagen wollen. Voraussetzung für die Genehmigung seien unter anderem die eindeutige Erkennbarkeit der Signalbilder gewesen, erläutert der Sprecher. „Dies betrifft insbesondere den Unterschied zwischen Gehen und Stehen.“ Zudem seien durch eine lichttechnische Untersuchung die gleichen Sicherheitsstandards der neuen Signalscheiben nachgewiesen worden. Darüber hinaus habe die verantwortliche Straßenverkehrsbehörde die Haftung übernommen.

Der Aufwand der Ampelumrüstung in Monheim habe sich laut Spekowius in Grenzen gehalten. Die Kosten lagen bei 22.000 Euro. „Die Resonanz aus der Bevölkerung kann dafür nur als überragend positiv bezeichnet werden.“ Mit 900 Gefällt-mir-Angaben und mehr als 4300 Interaktionen sei der Social-Media-Post zur Einführung bei Facebook bislang der erfolgreichste städtische Post des Jahres gewesen.

In Essen leuchten seit Juni Bergmann-Ampeln an vier Fußgängerüberwegen. Auch hier war die Einführung eine schwierige Geburt, teilt Essens Sprecherin Silke Lenz mit. Die StVO lasse nur zwei Ampelmännchen zu, das herkömmliche sowie das DDR-Ampelmännchen. „Deshalb war die umsetzende Behörde in Essen zunächst auch eher zurückhaltend. Denn das Haftungsrisiko liegt am Ende bei der Behörde.“ Um dieses Risiko zu minimieren, sollte deshalb zuerst ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben werden, informiert Lenz. Das sei allerdings bei den Bürgern nicht so gut angekommen. Der Essener OB habe sich daraufhin „mit dem Vorstoß, das Ampelmännchen als Lichtsignal in die Richtlinie für Signalanlagen aufzunehmen“, schriftlich an das Landesverkehrsministerium gewendet. Auch das fiel durch. Erst nachdem die Haftungsfrage in einem Rechtsgutachten und Verwaltungsakt geklärt war, kam schließlich die Genehmigung.

In Hannover gibt es seit Mai Ampeln, die gleichgeschlechtliche Paare zeigen – als Zeichen für Vielfalt. „Die Umsetzung geht auf einen Beschluss des Verwaltungsausschusses im Februar zurück“, informiert Hannovers Pressesprecherin Michaela Steigerwald. „Wir haben am 28. Mai anlässlich des kurz darauffolgenden Christopher Street Days die entsprechenden Ampeln umgerüstet.“ An vier Standorten seien insgesamt 31 Streuscheiben ausgetauscht worden. Aber: Um Fußgänger nicht zu irritieren, seien nur die grünen Figuren verändert worden, so Steigerwald weiter. Die Kosten lagen bei insgesamt 5500 Euro. Der Wechsel sei für den dauerhaften Betrieb gedacht.

In Sachsen-Anhalt dagegen müssen nun wohl auch die letzten alternativen Ampelfiguren weichen. Im Juni hat das Landesverwaltungsamt alle Verkehrsbehörden des Landes angeschrieben und auf die Rechtslage und die geltende Straßenverkehrsordnung hingewiesen. Damit stehen nach den bereits verbotenen Ampelfrauen in Magdeburg nun auch die Ampelfrauen in Halle auf der Kippe. Auf Anregung der Gleichstellungsbeauftragten waren in Halle 22 Ampeln mit leuchtenden Damen versehen worden, teilt ein Sprecher der Stadt Halle auf Nachfrage mit. Der Austausch der weiblichen Figuren soll im Rahmen von Sanierungs- und Erneuerungsarbeiten erfolgen.

Wernigerode musste zuletzt eine Schlappe vorm Petitionsausschuss des Landtages hinnehmen. Damit ist nun auch der dritte Versuch gescheitert, die aufgepeppten Ampeln genehmigen zu lassen. Also kein Happyend für die Ampelhexen. Außer im Landtag von Sachsen-Anhalt regt sich doch noch etwas – und die Politiker machen sich für einen Ausnahme-Erlass stark. Das wäre dann auch das Türchen für Wernigerodes Hexenampel.