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ForellenzuchtHilfe für das Wernigeröder Wappentier

Trotz verbesserter Gewässerqualität und Durchlässigkeit ist die Bachforelle rar im Harz. Angler wollen die Fische nun nachzüchten.

Von Regina Urbat 24.11.2018, 00:01

Wernigerode l Sie ist das Wappentier der bunten Stadt und des Landkreises Harz: die viel besungene Bachforelle. Dass sie „in einem Bächlein helle, in froher Eil vorbeischießen kann wie ein Pfeil“, wie es im Liedtext heißt, ist maßgeblich den Gewässerschützern zu verdanken. Einleitungen von Klärgruben sind tabu, Wehre zurück- und Fischtreppen aufgebaut. Trotz der seit Jahren gewährleisteten ökologischen Durchlässigkeit von Zillierbach und Holtemme sind die scheuen Forellen in Wernigerode immer noch rar.

„Das gilt in der Tat für die autochthone, sprich heimische, Harzer Bachforelle“, sagt Ulrich Eichler vom Wildfisch- und Gewässerschutzverein. Er und sein Vereinskamerad Ottfried Wüstemann geben sich optimistisch, dass „Abhilfe in Sicht ist“. In die Hände spielte ihnen eine Wasserbaustelle in der Holtemme und eine Idee von Tommy Löwenberg.

Als der Vorsitzende des Vereins für Angler und Naturfreunde Wernigerode hörte, dass die Wildfischer von der Baufirma gebeten wurden, die Tiere vor Beginn der Arbeiten abzufischen und dann stromaufwärts umzusetzen, regte der 26-Jährige an, dies gleichzeitig mit der gezielten Nachzucht von Bachforellen zu koppeln. Als Partner holte er sich Andy Paul und Yves Jankosvsky ins Boot. Das Duo vom Angelverein Harz-Kalk Rübeland „hat das nötige Know-how“, begründet Tommy Löwenberg. Zum Vereinsheim im Rübeländer Ortsteil Susenburg gehört ein Bruthaus.

Aus der Idee wurde ein Plan geschmiedet – mit den Ziel, gemeinsam für den Erhalt der Harzer Bachforelle zu kämpfen. Dann wurde es ernst für die sechs Angler, ein Einsatz – nicht ohne Risiko.

Durch das Juli-Hochwasser 2017 wurde im Holtemmebach das Wehr an der Hochschule Harz weggerissen, die Flusssohle rutschte nach und Ufermauern stürzten ein. Mit der Sanierung der Mauern war das Blankenburger Unternehmen Umwelttechnik und Wasserbau beauftragt worden. Bevor die Bagger anrollen konnten, mussten aber die Fischschützer ran.

In dicken Wathosen eingepackt, die Wassertemperatur lag bei etwa vier Grad Celsius, wurde behutsam mit einem Elektrofanggerät abgefischt. Gleichzeitig wurde selektiert, um prächtige Weibchen und Männchen für die Zucht auszuwählen. „Unsere Fließgewässer haben sich wieder zu attraktiven Lebensräumen für Bachforellen entwickelt“, sagt Ulrich Eichler. Deshalb gehöre zum Erhalt und zur Entwicklung der Fischfauna der kontrollierte Einsatz der Elektrofischerei vor jeder Baumaßnahmen an Gewässern dazu. „Doch erstmals haben wir das mit einer Nachzucht verbunden“, betont Eichler. Bislang sei auf Besatz mit eingekauften Bachforellen von auswärtigen Zuchtfarmen gesetzt worden. Das habe sich nicht sonderlich bewährt, vor allem wegen der Kreuzungen, so Eichler.

Als erfahrener Fliegenfischer wisse der Wernigeröder von Forellen, die sich in ihrer Färbung und Ausprägung der Flossen von den heimischen kleinen Raubfischen erheblich unterscheiden. „Deshalb ist es nur sinnvoll, dass wir endlich unsere Harzer Bachforelle selbst nachziehen“, ergänzt Tommy Löwenberg. Sie zeichne sich durch große Flossen aus und habe allerbeste Eigenschaften, um auch gegen Hochwasser in ihrem Lebensraum bestehen zu können.

Die Anstrengungen beim Abfischen in der Holtemme mit vielen tiefen Löchern und dem schlammigen Untergrund hatten sich gelohnt. „Es war erfreulich zu sehen, wie wir nach und nach laichfähige Bachforellen zum Abstreifen entnehmen konnten“, sagt Tommy Löwenberg. Die ausgewählten Fische wurden umgehend zum Bruthaus der Rübeländer Angler gebracht, wo die befruchteten Fischeier nun kontrolliert aufgezogen werden. Experte dafür ist Andy Paul, der mit Akribie die Aufzucht überwachen wird.

Nach etwa zwei Monaten, kurz bevor der Dottersack abfällt, werden die Mini-Forellen wie auch die Elterntiere wieder in die Holtemme zurück gesetzt. „Das garantiert, dass vielleicht von 1000 Eiern 950 Bachforellen nachkommen und nicht, wie in freier Natur, vorher weggefressen werden“, sagt Ulrich Eichler.

Und was kostet die Zucht? Tommy Löwenberg schmunzelt und sagt: „Nix, alles geschieht im Ehrenamt wie beispielsweise die tägliche Kontrolle, damit die Eier nicht verpilzen.“ Und das nötige Wasser komme aus der Bode, direkt neben dem Bruthaus.

Noch auf der Baustelle haben übrigens die Wernigeröder und Rübeländer Angler beschlossen, gemeinsame Projekte fortzusetzen, um die Bestände des Harzer Wappentiers in Bode und Holtemme zu stabilisieren und auch zu erhöhen. Denn Gaumenfreunde wissen sie zu schätzen: die heimische Bachforelle auf „Müllerin Art“.