1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Mit Herz, Hirn und Faust in der Tasche

EIL

Gymnasium Mit Herz, Hirn und Faust in der Tasche

Nach den einstimmigen Voten der Stadträte in Thale und Blankenburg liegt die Entscheidung bei den Mitgliedern des Kreistages.

Von Jens Müller 27.06.2020, 03:00

Blankenburg/Thale l Als eine „Entscheidung von Herz und Hirn“ hat Thales CDU-Fraktionschef im Stadtrat, Maik Zedschack, das Votum vom Donnerstagabend bezeichnet, eine von Landesschulamt und Harzer Kreisverwaltung vorgeschlagene Außenstelle des Gymnasiums „Richard von Weizsäcker“ künftig am Blankenburger Thie-Gymnasium (GAT) und nicht am GutsMuths-Gymnasium in Quedlinburg anzusiedeln. Als Hauptgrund für die einstimmige Empfehlung an den Kreistag nannte Zedschack die Bemühungen der Blankenburger, eine solche Fusion „auf Augenhöhe“ und mit der dauerhaften Sicherung des Standortes umsetzen zu wollen. Nach seinen Worten war auch das Angebot der Blütenstädter, mit einem gemeinsamen Namen eine eigene Identität zu stiften, ein entscheidender Punkt für das Ergebnis.

Zedschack verhehlte aber auch nicht, dass es letztlich um einen der bittersten Beschlüsse ging, den der Stadtrat Thale in den letzten Jahrzehnten treffen musste. „Immerhin ging es um die Auflösung unseres Gymnasiums und den Anschluss dieser hervorragenden Schule an ein benachbartes Gymnasium“, so das Ratsmitglied, der seine ehemalige Schule als „Opfer der bürokratischen Mühlen zwischen Landkreis Harz und insbesondere des Bildungsministeriums in Magdeburg“ sieht. Wörtlich sagte er: „Der Stadtrat Thale trifft diese Entscheidung zähneknirschend - praktisch mit einer Pistole, die uns vom Bildungsministerium an den Kopf gehalten wird.“ Aus seiner Sicht werde damit lediglich versucht, den Lehrermangel zu kaschieren - dies aber zu Lasten der Schüler und Lehrer.

Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) wertete das Ergebnis für Blankenburg als positives Signal für einen gemeinsamen und starken gymnasialen Standort. Abgestimmt habe er aber mit „der Faust in der Tasche“, wie er sagte. Dass solch eine Entscheidung in dieser schwierigen Zeit überhaupt getroffen werden muss, zudem noch ohne Reaktionszeit der Betroffenen, mache die Sache besonders schlimm und offenbare landespolitische Fehlentwicklungen: „Es zeigt, dass das Bildungsministerium in Magdeburg mit seinen Aufgaben deutlich überfordert ist“, so Balcerowski. „Dies macht keinen professionellen Eindruck“.

30 Minuten vor Beginn der Sondersitzung des Stadtrates in Thale waren Blankenburgs Stadträte zu ihrer turnusmäßigen Sitzung zusammen gekommen. Einer der ersten Punkte war die Verabschiedung der von den drei Ratsfraktionen mit Bürgermeister Heiko Breithaupt (CDU) gemeinsam verabredeten Erklärung für einen „leistungsfähigen gymnasialen Schulstandort Blankenburg/Thale“. Heiko Breithaupt sagte, dass er hoffe, solch eine Entscheidung zur Schließung einer Schule nie treffen zu müssen. Umso mehr lobte er die Initiative der Thalenser, die sich gegen das drohende Aus ihrer Schule zur Wehr gesetzt und eine der größten Demonstrationen seit der Wende auf die Beine gestellt hatten. Das Stadtoberhaupt warb für den gemeinsamen Weg, um eine endgültige Schließung zu vermeiden. „Es kann uns nicht egal sein, was mit unseren Bildungsstandorten passiert“, sagte Breithaupt. Deshalb setze er sich dafür ein, weiterhin eine gymnasiale Beschulung in Thale und für die Kinder ab der 5. Klasse eine standortnahe Lösung zu ermöglichen. Die Erklärung wurde einstimmig angenommen. Heiko Breithaupt verließ sofort nach dem Votum die Sitzung, um nach Thale zu fahren und dort die Ratsmitglieder um ihre Unterstützung zu bitten. Auch das wurde in der Nachbarstadt sehr positiv aufgenommen, wie Maik Zedschack erklärte. Er dankte Breithaupt für seine Unterstützung, ebenso dem Leiter des Gymnasiums „Am Thie“, Andreas Siemann. Beide hatten im Vorfeld den Thalenser Ratsmitgliedern angeboten, sich das GAT anzuschauen und sich über die dortige pädagogische Arbeit zu informieren.

Das Signal der beiden Stadträte ist auch in Quedlinburg bei Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) angekommen, der selbst für ein Zusammengehen der Thalenser mit dem GutsMuths-Gymnasium der Welterbestadt geworben hatte. Auf Volksstimme-Nachfrage sagte er: „Ich begrüße sehr, dass die Thalenser mit den Blankenburgern einen Partner auf Augenhöhe gefunden haben.“ Aus seiner Sicht mache eine solche Fusion Sinn, um den ländlichen Raum zu stärken.

Parallel zu den politischen Entscheidungen haben sich bis gestern Abend rund 3200 Unterstützer an einer Unterschriftenaktion für den Erhalt des Thalenser Gymnasiums beteiligt.