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Ordnungsamt Tempolimit in Wernigerode ausgebremst

Ein Tempolimit von 10 km/h in der Breiten Straße in Wernigerode ist nicht nötig. Die Kreisverwaltung sieht keine Unfallgefahr.

Von Ivonne Sielaff 13.06.2020, 01:01

Wernigerode l Es bleibt vorerst beim Tempolimit von 20 km/h in der Breiten Straße. Darüber hat das Ordnungsamt die Stadträte informiert. Das Fachamt favorisiert die aktuell festgelegte Höchstgeschwindigkeit in dem Straßenabschnitt zwischen Ringstraße und Stadtecke, heißt es in dem Schreiben, das auch der Volksstimme vorliegt. Die Straßenverkehrsordnung (Stvo) fordere für ein Tempolimit unter 20 km/h „häufige geschwindigkeitsbedingte Unfälle“. Und die seien dort weder von der Stadt noch von der Polizei registriert worden.

Im Dezember hatten Wernigerodes Stadträte OB Peter Gaffert (parteilos) per Beschluss aufgefordert, „schnellstmöglich darauf hinzuwirken“, die Höchstgeschwindigkeit in der unteren Breiten Straße auf 10 km/h zu begrenzen. Die Linke-Fraktion hatte zuerst vorgeschlagen, den Straßenabschnitt zwischen Ringstraße und Großer Schenkstraße in einen verkehrsberuhigten Bereich umzuwandeln. Die Straße ist in dem Bereich sehr schmal und von Fußgängern stark frequentiert. Mit der Begrenzung auf Schritttempo für Autos könnte dort das Gefährdungspotenzial gesenkt werden, so die Hoffnung von Linke-Fraktionschef Thomas Schatz damals.

Die verantwortlichen Mitarbeiter in den Fachämtern warnten daraufhin vor dem „erhöhten Konfliktpotenzial“, das eine Umwandlung zum verkehrsberuhigten Bereich mit sich bringen würde. Der Kompromissvorschlag von Matthias Winkelmann (CDU), die Höchstgeschwindigkeit auf 10 km/h zu begrenzen, setzte sich in der Dezembersitzung schließlich durch.

Der Stadtrat darf allerdings nicht einfach ein Tempolimit festlegen. So etwas fällt unter Verwaltungshandeln. Deshalb wurde in den vergangenen Monaten im Rathaus geprüft, ob und wie die Forderung der Lokalpolitiker umzusetzen ist.

Von vornherein aus fiel die Umwandlung der Tempo-20-Zone in eine Tempo-10-Zone. Ganz einfach deshalb, weil ein solches Verkehrszeichen in der Stvo nicht existiert. Wohl aber ein Schild zur Begrenzung der Höchstgeschwindigleit auf 10 km/h. Aber auch dieser Lösung hat die Stadtverwaltung nun einen Riegel vorgeschoben. Zumindest vorerst.

Die Stadt habe entschieden, „die Sachlage unter den künftigen Gegebenheiten neu zu bewerten“, so Rathaussprecherin Winnie Zagrodnik auf Volksstimme-Nachfrage. Die untere Breite Straße wird seit einigen Jahren grundhaft ausgebaut. Unter anderem werden die Fußwege verbreitert und die Fahrbahnbreite reduziert. Mit der Pflasterung des Straßenabschnittes im kommenden Jahr sind die Bauarbeiten abgeschlossen. „Nach dem Ausbau der Straße muss die Entwicklung der Verkehrsströme und das Verhalten der Verkehrsteilnehmer unter höherer Kontrolltätigkeit neu bewertet werden“, so Zagrodnik weiter.

Initiator Thomas Schatz zeigt sich von der Haltung der Stadtverwaltung enttäuscht. „Eine Verwaltung, die will, findet auch einen Weg“, so der Linke-Stadtrat gegenüber der Volksstimme. „Die untere Breite Straße soll wie eine Bummelmeile für Fußgänger wirken, aber gleichzeitig für Autos, Lkw und Fahrradfahrer durchlässig sein.“ Aus Schatz‘s Sicht seien dabei Konflikte - oder Schlimmeres - vorprogrammiert, besonders an der Engstelle im oberen Teil. „Um dort das Gefahrenpotenzial zu senken, wäre eine Tempobegrenzung eine sinnvolle Möglichkeit gewesen.“

Er habe nichts anderes erwartet, sagt Matthias Winkelmann zur Entscheidung der Verwaltung. Er befürchte, dass durch die geplante einheitliche Pflasterung der Straße bei auswärtigen Passanten der Eindruck einer verlängerten Fußgängerzone entsteht. „Die werden alle auf der Straße laufen, so wie wir es in der Weihnachtszeit schon gesehen haben. Warum sieht man das im Rathaus nicht?“ Dennoch, als Stadtrat müsse er die Entscheidung nun so hinnehmen.

Übrigens: Das Straßenverkehrsamt in Halberstadt stützt die Sichtweise der Stadt. Bei der Anordnung von Tempolimits sei die gesamte örtliche Situation in Betracht zu ziehen, heißt es auf Nachfrage von Manuel Slawig, Sprecher der Kreisverwaltung. Auch er bezieht sich auf die Straßenverkehrsordnung. In dem Regelwerk heiße es, dass Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur dann angeordnet werden dürfen, wenn eine Gefahrenlage besteht. Und das sei eine Ermessensfrage.

In den letzten drei Jahren habe es keine geschwindigkeitsbedingten Verkehrsunfälle in der unteren Breiten Straße gegeben. „Auch Unfälle unter Beteiligung von Fußgängern sind dort nicht aktenkundig“, so Slawig. Insgesamt habe es in den Jahren 2017, 2018 und 2019 zwölf andere Unfälle gegeben. Sieben Unfälle seien baustellenbedingt gewesen. „Die verbleibenden fünf verteilen sich auf drei Jahre“, so der Sprecher. „Von einem Unfallschwerpunkt kann deshalb nicht ausgegangen werden.“

Der betroffene Bereich sei in gutem Zustand. „Fußwege sind beidseitig vorhanden und mit einer Breite von 5,35 Meter mehr als ausreichend“, so der Sprecher weiter. Insgesamt sei deshalb nicht erkennbar, dass eine Gefahrenlage aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse besteht, welche Voraussetzung für die Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung wäre.

Hintergrund: Die Debatte um eine weitere Verkehrsberuhigung der unteren Breiten Straße bewegt Stadträte, Verwaltung und Anwohner schon seit Jahren. Seit 2012 gilt zwischen Ringstraße und Stadt-ecke Tempo 20. Immer wieder kam seither die Idee auf, den Verkehr in der Straße weiter zu bremsen. Bislang ohne Ergebnis.