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Schutzfrist Gärten in Wernigerode weichen für Wohnraum

Lange war offen, wie die Gartenanlage im Nesseltal genutzt wird. Laut der Stadt Wernigerode sollen Wohnhäuser und Parkflächen entstehen.

Von Ivonne Sielaff 10.06.2020, 01:01

Wernigerode l Die Tage der Gartenanlage im Nesseltal sind gezählt. Zum 31. Dezember 2020 hat die Stadt Wernigerode sämtliche Pachtverträge gekündigt. Dann werden auch die letzten Kleingärtner die Anlage am Waldrand von Hasserode verlassen. 22 von vormals mehr als 70 Gärten sind noch belegt, informiert Rathaus-Sprecherin Winnie Zagrodnik. „Die nächsten Übergaben erfolgen zum 30. Juni. Der Rest dann zum Ende dieses Jahres.“

Grund für die Räumung ist die geplante anderweitige Nutzung des Areals. Durch die Entwicklung des Hasseröder Ferienparks sei im Bereich Langer Stieg sowie angrenzender Straßen ein Problem mit dem ruhenden Verkehr offenkundig geworden, so Zagrodnik. Soll heißen, es fehlt schlichtweg an Parkflächen in dem Gebiet. „Der Betreiber des Ferienparks befindet sich im Austausch mit der Stadtverwaltung, um dieses Problem unter teilweiser Nutzung der Gartenflächen lösen zu können.“ Weitere Gartenflächen könnten für sinnvolle Erweiterungen des Ferienparks genutzt werden, so die Sprecherin.

Ferienparkchef Erik Voigt bestätigt die Gespräche mit der Stadt auf Nachfrage. Ins Detail gehen will er aber noch nicht. In Corona-Zeiten würde Wichtigeres anstehen als eine Parkplatz-Erweiterung, so Voigt gegenüber der Volksstimme. „Natürlich stehe ich grundsätzlich mit der Stadt Wernigerode in Verbindung, um zusätzliche und notwendige Parkplätze zu bekommen. Wie, wann und wo, wurde noch nicht ausdiskutiert.“

Auf dem größeren Teil der Gartenanlage soll laut Winnie Zagrodnik allerdings neuer Wohnraum entstehen. „Vorgabe der Umnutzung ist es, dass sich die zukünftige Bebauung der Gartenanlage sowohl maßstäblich als auch von der Art ihrer Nutzung einfügt, damit bestehende Konflikte ausgeräumt werden können und keine neuen entstehen werden.“ Überlegungen, dort noch einen Supermarkt anzusiedeln, gebe es bislang nicht, da dieser eher nicht zur Konfliktvermeidung beitragen würde, so Zagrodnik.

Die Stadt ist schon lange an einer Umnutzung des Geländes zwischen Nesseltal, Schmiedeberg und Langem Stieg interessiert, was bereits vor Jahren für Unruhe unter den Kleingärtnern gesorgt hat. Die Pächter fühlten sich damals von der Stadt im Unklaren über die Zukunft der Anlage gelassen, fürchteten um ihre seit langem gehegten und gepflegten Parzellen.

Am 3. Oktober 2015 lief die sogenannte Schutzfrist für Kleingärten aus. Seither dürfen Gemeinden die Verträge mit den Pächtern kündigen, ohne dass besondere Gründe vorliegen. Vorher waren Pächter nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz vor einer Kündigung geschützt.

Die Stadt machte vom Auslaufen der Schutzfrist Gebrauch. Letztlich aber nicht - wie von etlichen Pächtern befürchtet – von einem Tag zum anderen: Den Gärtnern wurde stattdessen eine fünfjährige Bestandsgarantie für ihr Gärten zugesichert. Wer seine Parzelle vorher aufgeben wollte, konnte dies tun. Gekündigte Gärten wurden nicht wieder verpachtet.

2015 war allerdings noch nicht abschließend geklärt, wie die freiwerdende Fläche künftig genutzt werden soll. Der damalige Flächennutzungsplan für das Gebiet Langer Stieg/Nesseltal/Schmiedeberg vom Juni 2009 wies das Areal zu dem Zeitpunkt noch als „weiße Fläche“ aus.

Zuletzt war die Gartenanlage vor drei Jahren in die Schlagzeilen geraten. Wildschweine hatten sich in einigen der verwilderten Gärten niedergelassen und tyrannisierten die Nachbarschaft. Eine Bache fühlte sich sogar so heimisch, dass sie mitten in der Gartenanlage Junge gebar. Nach zahlreichen Beschwerden der Anwohner wurde die Stadtverwaltung schließlich tätig. Um den Wildschweinen keine Versteckmöglichkeiten zu bieten, wurde in einigen leerstehenden Gärten Rasen gemäht sowie mit schweren Geräten Bäume und Büsche gekappt. Später wurde sogar der Abschuss der Tiere erwogen. Die Untere Jagdbehörde lehnte den Antrag der Stadt allerdings ab. Die Jagd auf Wildschweine in einem Wohngebiet sei zu gefährlich, hieß es damals.