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Spendentour Schlaflos auf den Brocken radeln

Mit großem Ziel sind neun Männer von der Insel Usedom in den Harz gefahren. Mit dem Rad wollten sie ohne Schlafpause den Brocken erklimmen.

Von Karoline Klimek 27.07.2020, 01:01

Usedom/Brocken l Mit letzter Kraft haben sie es geschafft: Daniel Henczyca und Ronny Dick sind 28,5 Stunden nach dem Start im Ostseebad Zinnowitz auf dem Brocken angekommen. 477,6 Kilometer haben die zwei zurückgelegt – auf dem Rad. Gestartet sind sie am Freitag, 24. Juli, zusammen mit sieben weiteren Mitstreitern.

„Mit dem Fahrrad war es das letzte Mal. Ehrlich“, schnauft Ronny Dick, als er den höchsten Berg im Harz erreicht. Der 37-Jährige gilt als Initiator der Tour, die von der Küste auf den Harzgipfel führte. Den Titel des Erstplatzierten musste er jedoch Freund Daniel Henczyca überlassen, der zwei Minuten vor ihm auf dem Brocken ankam. Aber um einen Wettstreit ging es bei dem kräftezehrenden Vorhaben nicht. Hinter der Aktion steckt ein guter Zweck.

Denn normalerweise starten die beiden zusammen mit weiteren Mitstreitern bei der jährlichen Mecklenburger Seen Runde, sammeln dabei Spenden für das Projekt „Laufmützen Usedom“. Doch die 300 Kilometer lange Tour, deren siebente Auflage Ende Mai geplant war, wurde coronabedingt abgesagt. Teamkollege Jan Ebermann brachte die Männer dann auf die Idee, stattdessen auf den Brocken zu radeln. „Er ist letztes Jahr von Wolgast aus mit einigen Jungs zusammen hingefahren. Sie mussten aber wetterbedingt in Magdeburg pausieren“, erzählt Ronny Dick. Erst nach einer Übernachtung hätten sie am Folgetag den Gipfel erradelt.

Dieses Mal sollte es mit der durchgängigen Fahrt klappen. Ohne Schlaf, angetrieben allein durch Ehrgeiz und reichlich Adre­nalin, schafften es sieben der neun Radler bis nach Schierke. Für die Gipfelfahrt reichte bei den meisten aber die Kraft nicht mehr aus. „Es ging einfach nicht mehr weiter“, schätzt Daniel Henczyca ein. „Wir haben aber gesagt, dass wenigstens einer ankommen muss.“

Mit der markanten Antenne vor Augen wagte er zusammen mit Ronny den letzten Aufstieg – immerhin nochmal gut zehn Kilometer. Um 18.57 Uhr wurde die Zeit gestoppt. 20 Stunden und 38 Minuten saßen die beiden zuvor auf dem Rad. Hinzu kamen knapp acht Stunden Pause. Geschätzt alle zwei Stunden hat das Team sich kurz ausgeruht, ein Begleitfahrzeug versorgte sie mit Essen und Trinken. „Die einzige große Pause haben wir nach zirka 130 Kilometern in Wesenberg an der Müritz gemacht“, verrät Daniel Henczyca. In einer privaten Garage gab es Nudeln mit Gulasch, dazu Kaffee für das nötige Koffein im Blut.

Denn auch wenn die Hobby­sportler zu dem Zeitpunkt erst fünf Stunden auf dem Rad saßen, der letzte Schlaf lag deutlich länger zurück. „Ich bin um 3 Uhr aufgestanden, weil ich noch ein wenig arbeiten musste“, sagt Ronny Dick. „Aber der Adrenalinspiegel ist unterwegs so hoch, da bleibt man wach.“ Nach der fast zweistündigen Mittagspause wieder loszufahren, sei dennoch nicht leicht gefallen. „Wir waren alle ganz schön fertig, haben uns aber gezwungen“, meint Daniel Henczyca.

Die Nacht durchzuradeln sei dann sogar unerwartet leicht gefallen. „Die verging unglaublich schnell“, schildert der 45-Jährige sein Gefühl. „Kurz nach 22 Uhr wurde es dunkel und auf einmal haben wir gegen 4 Uhr den Sonnenaufgang gesehen“, beschreibt Ronny Dick. Die Straßen seien angenehm eben und frei gewesen. Mitternacht sind sie durch Neuruppin gefahren, kurz nach 5 Uhr waren sie schon vor den Toren Genthins. Wie der Tourenverlauf zeigt, ist das Team gegen 11 Uhr in Schönebeck angekommen und hat kurz vor 17 Uhr Hüttenrode verlassen. Zwei Stunden später konnte das erlösende Foto am Brockenstein in 1142 Metern Höhe geschossen werden.

Für die ursprüngliche Seen-Tour trainiert haben die beiden Gipfelstürmer seit Beginn des Jahres. 300 Kilometer pro Woche auf dem Rad, dazu Laufen und Krafttraining ist die Bilanz, die Daniel Henczyca vorlegt. „Ich fahre generell viel Fahrrad. Das muss bei meiner Arbeit einfach sein, um den Kopf freizubekommen“, erzählt der Kriminaltechniker.

Kamerad Ronny Dick nutzt den Sport ebenfalls als Ausgleich zu seinem Bürojob als Geschäftsstellenleiter des Tourismusvereins der Ostseeinsel Usedom. „Ich wollte in diesem Jahr vermehrt an Wettkämpfen im Triathlon teilnehmen, deshalb laufe ich viel“, sagt er. Zirka 70 Kilometer in Laufschuhen und 200 auf dem Rad habe er pro Woche absolviert. Nach der Arbeit oder am Wochenende, wenn seine Frau auf die zwei Kinder aufpasst.

Beide sind stolz, es nach all dem Training und den Strapazen auf der Strecke bis auf den Brocken geschafft zu haben. Und darauf, dass sie im Vorfeld viele Usedomer Unternehmer für ihre Aktion begeistern konnten. „Wir haben bisher fast 5000 Euro sammeln können“, ist Ronny Dick glücklich. „Den genauen Stand erfahren wir aber erst im Laufe der Woche.“ Ein Teil des Geldes soll den Laufmützen Usedom überlassen werden, die sich für den Aufbau eines Kinderhospizes einsetzen. Aber auch in den Harz soll etwas von dem Geld fließen, wahrscheinlich in die Aufforstung der Wälder. Einen genauen Zweck gebe es aufgrund ausstehender Absprachen aber noch nicht.

Wer die Projekte unterstützen und Geld spenden möchte, kann es unter dieser Kontonummer: Empfänger: Eintracht Zinnowitz e.V., IBAN: DE70 1505 0500 0383 0023 46, Zweck: Der Norden rückt zusammen