Volksstimme-Test Blinken ist uncool

Blinken ist uncool. Das zeigt ein Volksstimme-Test in Wernigerode an ausgewählten Kreisverkehren.

03.08.2016, 23:01

Wernigerode (jah) l Wo man hinschaut – die kleinen Lichter an Fahrzeugen leuchten immer seltener. Dabei heißt es in der Straßenverkehrsordnung: „Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.“

Dass in Wernigerode dieser Paragraph der StvO von Autofahrern einfach ignoriert wird, bestätigt Anja Hempel. Die 42-Jährige ist Leiterin des Revierkommissariats Wernigerode und sagt: „Der Polizei ist aufgefallen, dass insgesamt weniger geblinkt wird, obwohl ganz klar eine Blinkpflicht besteht.“

Die Kreisel in der Stadt bieten eine ausgezeichnete Möglichkeit, um das Blinkverhalten in Wernigerode genauer unter die Lupe zu nehmen. An ausgewählten Kreisverkehren hat die Volksstimme jeweils zehn Minuten lang recherchiert, wer ordnungsgemäß den Blinker setzt und wer nicht.

Die meisten Sünder wurden im Turbokreisel an der Stadtecke und im Kreisel auf der Johann-Sebastian-Bach-Straße beim Landesmusikgymnasium registriert. Von den 54 gezählten Autos am Turbokreisel verzichteten 44 aufs Blinken, davon waren 22 Fahrer aus Wernigerode und Umgebung. Das Touristen und Co. mit dem etwas komplizierten System des Kreisels nicht auf Anhieb klarkommen, scheint nachvollziehbar, aber als Ortsansässiger sollte man den Dreh mittlerweile heraushaben.

Die Bilanz vom Johann-Sebastian-Bach-Kreisel war noch erschreckender. Dort blinkten nur 14 Autofahrer – von insgesamt 68 Fahrzeugen, die innerhalb der zehn Minuten die Teststrecke passierten. Zwei Drittel der Verkehrsteilnehmer waren Einheimische.

Bei diesem Mini-Kreisel auf der Bachstraße fiel auf, dass er von den meisten gar nicht als Kreisverkehr wahrgenommen wurde. Viele Autos fuhren einfach geradeaus über die Kreuzung von der Forke- in die Kanzleistraße, was vielleicht der verblassten weißen, kreisrunden Linie auf der Fahrbahn geschuldet ist.

Es geht aber auch anders. Der Kreisel auf der Lindenallee beim Lustgarten verführte nur drei Autofahrer von 40 zum Nicht-Blinken, und der Rosenkreisel Richtung Hauptbahnhof schnitt mit sieben Blinkmuffeln relativ gut ab.

Im Kreisel am Flugzeugmuseum, auf der Schmatzfelder Straße und im Kiliankreisel auf der Benzingeröder Chaussee am Stadtfeld betätigten etwa ein Sechstel der Pkw-Fahrer nicht den Blinker. Solch ein Verstoß wird in der Regel mit 10 Euro geahndet und „ist kein Kavaliersdelikt“, unterstreicht Polizeikommissarin Anja Hempel. Das Nicht-Blinken nehme jedoch nur einen geringen Bruchteil in der Gesamtheit der Verkehrsdelikte ein und werde meistens dann geahndet, „wenn es uns im Rahmen der Streifentätigkeit auffällt“. Hingegen, so Anja Hempel weiter: „Viel größere Probleme haben wir mit Autofahrern, die die Geschwindigkeit nicht einhalten.“

Mit dem Blink-Test-Ergebnis ist Wernigerode deutschlandweit in „guter“ Gesellschaft. Nach einer Studie des ADAC von 2008 setzen nur zwei Drittel der Auto fahrenden Deutschen den Blinker, sei es nun beim Wechsel des Fahrstreifens oder dem Abbiegen an einer Kreuzung. Dabei gefährdet das sowohl den Fahrer selbst sowie auch alle anderen. Blinken ist nämlich eine wichtige Art der Verständigung, mit der ein Autofahrer den anderen Verkehrsteilnehmern vermitteln kann, was er vorhat.

Laut Anja Hempel ist Nicht-Blinken jedoch keine Hauptunfallsursache. In Wernigerode befinden sich an den Kreisverkehren laut ihrer Aussage keine Unfallschwerpunkte. „Nur am Turbokreisel kommt es manchmal noch zu Verwirrungen. Vor allem Ortsfremde haben oftmals Schwierigkeiten mit dem zweispurigen Aufbau des Kreisels“, erklärt die Hauptkommissarin.

Woran liegt es, dass immer weniger Leute blinken? „Das kann verschiedene Ursachen haben“, sagt Anja Hempel. „Vielleicht liegt es an geteilter Aufmerksamkeit, Bequemlichkeit oder Unwissenheit. Manche Kraftfahrer sind möglicherweise vom Straßenverkehr überfordert und vergessen deshalb zu blinken.“ Es könnte aber auch ein technischer Defekt am Autos sein.

Eine Möglichkeit, Kraftfahrer zum Blinken zu bewegen, habe Anja Hempel in Österreich gesehen. „Dort gibt es in jedem Kreisel ein Schild mit dem Hinweis: ‚Beim Ausfahren Blinken‘. Das ist eine empfehlenswerte Idee.“