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Tödliche Auseinandersetzungen früher Wie Benneckenstein zu seinem Ruf als Wilderer-Hochburg des Harzes kam

Benneckenstein trägt den Ruf, über Jahrhunderte hinweg die Wilderer-Hochburg gewesen zu sein. Welche Gründe das hatte und wie viel davon wahr ist.

Von Jürgen Kohlrausch 16.08.2024, 10:00
Eine für den Fotografen nachgestellte Wildererszene mit Forst- und Polizeibeamten um 1930 in Benneckenstein.
Eine für den Fotografen nachgestellte Wildererszene mit Forst- und Polizeibeamten um 1930 in Benneckenstein. Foto: Archiv Wille

Benneckenstein. - Benneckenstein trägt den Ruf, über Jahrhunderte hinweg die Wilderer-Hochburg des Harzes gewesen zu sein. Jegliche Strafandrohungen verfehlten hier ihre Wirkung; Gesetze wurden ignoriert wie auch die gelegentlichen Nachrichten über tödliche Auseinandersetzungen mit den herrschaftlichen Jagdbeamten, Polizei- und Militärkommandos.

Die „Wilddieberey“ – ein Produkt sozialer Not, heimlicher Jagdleidenschaft, Unerschrockenheit und auch mangelnden Moralverständnisses, sie trieben überall im Harz ihre Blüten, aber um Benneckenstein pfiffen die Kugeln wie sonst nirgendwo. Bestätigungen dessen finden sich in den diversen Stadt- und Forstarchiven.

Ein gefürchtetes Nest

Erhard Brütt schreibt so zum Beispiel in seinem Buch „Wilderer zwischen Harz und Heide“ (Landbuch-Verlag GmbH Hannover, 1989) über Benneckenstein: „Kein Ort ist so in die Geschichte der Harzwilderei eingegangen wie dieser.“ An anderer Stelle heißt es: „Benneckenstein blieb (in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts) ein gefürchtetes Wilderernest.“

Manfred Bornemann, einer der besten Harzkenner zitiert in seinem Buch „Auf Wildererspuren im Harz“ (Piepersche Druckerei, Clausthal-Zellerfeld 1991) den Dichter Paul Ernst: „Ein Förster, der nach Benneckenstein versetzt wurde, konnte das um 1880 leicht als Todesurteil auffassen.“

Blutige Zusammenstöße

Tatsächlich war es so, dass es vor allen in den umliegenden braunschweigischen Revieren mit den Benneckensteiner Wilderern zu unverhältnismäßig vielen blutigen Zusammenstößen kam. Am bekanntesten dürfte die tragische Geschichte um den Reitenden Förster Eyme aus Hohegeiß sein, der 1833 den jungen Benneckensteiner Heinrich Aukam beim Wildern erschoss und danach der Rache des Nagelschmiedes Christian Klapproth zum Opfer fiel. Dieser wiederum starb 1841 an einer Kugel des Eyme junior. Und auch letzterer hat nicht mehr lange gelebt ... Die Grabplatten von Aukam und Klapproth liegen in Hohegeiß.

Verwegen und ohne viele Skrupel waren sie wohl alle, diese zahllosen Gestalten, um deren aufregende Leben sich die Geschichten der Erzähler recht gruselig ranken. Allein in Benneckenstein waren das: der Gamaschenschneider Karl Werner „Kappler“ (1918 verstorben), der Bäcker Adolf Elle (1920 verstorben), der Arbeiter Wilhelm Mückenheim (1922 verstorben), Otto Bock (1945 verstorben) und die Ohlemeyers, Heyders, Heimburgers, Bocks, Hartmanns, Hartungs, Liebetruths, Liers, Willes, Spenglers und wie sie alle hießen.

Armut als Ursache

Viel ließe sich erzählen. Nur: Ganz so romantisch wie oft dargestellt, ging es in der Wirklichkeit nicht zu. Hinter allem Tun stand die Armut der Menschen, hervorgerufen durch eine fehlende wirtschaftliche und soziale Stabilität.

Mitte des 20. Jahrhunderts verebbten mit der merklichen Besserung der Lebensverhältnisse durch Industrie, Handel und Kurbetrieb die Wildschützentätigkeiten in den Wäldern um Benneckenstein. Diverse „Wilderersteine“ in den Harzer Wäldern erinnern daran.

Bornemann konstatierte 1990: „Der Wilddieb gehörte in die Harzer Berge wie der Bergmann, der Köhler, der Kuhhirt und der Vogelsteller. Die gesammelten Nachrichten und Erzählungen geben nicht nur historische Ereignisse wieder, sie bilden auch insgesamt einen volkskundlichen Beitrag zur Harzgeschichte.“