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Café im Bahnwärterhäuschen in der Börde Altes Bahnwärterhäuschen in Loitsche: Der Chef spielt Drehorgel

Aus einem alten Bahnwärterhäuschen in Loitsche ist vor 18 Jahren ein Café geworden. Chef Mario Plate backt, macht Musik und erzählt eine besondere Geschichte.

Von Gudrun Billowie 03.06.2024, 18:00
Mario Plate betreibt das alte Bahnwärterhäuschen in Loitsche.
Mario Plate betreibt das alte Bahnwärterhäuschen in Loitsche. Foto: Gudrun Billowie

Loitsche. - Der Fahrradweg zum alten Bahnwärterhäuschen führt zwischen großen Kalihalden entlang, Autofahrer können in Loitsche von der L44 abbiegen. Ein paar Kurven noch, eine Kopfsteinpflasterstraße, dann tauchen Sonnenschirme auf, ein rotes Ziegelhäuschen, an dem Rosen emporklettern. Ein verwunschener Ort, ein Café, das an Sonn- und Feiertagen für Gäste geöffnet ist. Dabei hatte Besitzer Mario Plate ursprünglich ganz andere Pläne. Die haben mit einem Bulli zu tun.

„Eigentlich“, sagt Mario Plate, „habe ich ein Plätzchen gesucht, wo ich mit dem Bulli unterm Apfelbaum stehen kann.“ Er liebt diese alten VW-Busse und auf der Suche nach einem Platz „im Nichts“ wurde er auf der Internetseite der Eisenbahn fündig. Angeboten wurde ein alter Gepäckschuppen samt 1100 Quadratmeter Grundstück. In Loitsche.

Haus guckte aus Brombeeren heraus

Gäste lauschen der Drehorgel. Das Haus wurde 1906 gebaut.
Gäste lauschen der Drehorgel. Das Haus wurde 1906 gebaut.
Foto: Gudrun Billowie

Mario Plate, der in Sickte bei Braunschweig lebt, machte sich auf den Weg. Die letzten Meter vorm Ziel glichen einer Expedition. Die Straße war zugewuchert, aus den Brombeeren guckte ein Haus. Seinen ersten Eindruck beschreibt Mario Plate so: „Es war ein Bild des Grauens und es war wunderschön.“

Der Gepäckschuppen entpuppte sich als ehemaliges Bahnwärterhäuschen und an diesem goldenen Augusttag sah Mario Plate einen Moment lang das fertige Haus vor dem geistigen Auge. Und wusste: Das ist es.

Radfahrer baten um Kaffee und Kuchen

In der Woche arbeitet er als leitender Angestellter in einer Klinik, doch die Wochenenden gehörten fortan dem fast 120 Jahre alten Bahnwärterhäuschen. Drei Jahre lang beseitigte er Gestrüpp, renovierte und reparierte, pflasterte Wege, pflanzte Lavendel und Rosen. Immer wieder kamen Spaziergänger und Radfahrer vorbei und sagten: Jetzt fehlen nur noch Kaffee und Kuchen.

„Beim Ersten hab' ich gelacht, beim Zehnten hab' ich's gemacht“, fasst Mario Plate seine Planänderung zusammen. Er lernte, Kuchen zu backen, hat besonders den Mürbeteig schätzen gelernt. „Es dauert ein bisschen, bis man ihn gut hinbekommt.“

Kalimandscharo-Kuchen

Diesen Kinderschuhen ist der 53-Jährige längst entwachsen, hat Routine entwickelt und einen eigenen Stil. „Ich mag es nicht so süß und fruchtig.“ So geraten auch seine Kuchen. Die Rezepte verrät er nicht, nur soviel: „Der Kalimandscharo-Kuchen ist die DNA aller anderen Kuchen. Ein bisschen davon ist auch in den anderen Sorten versteckt.“

Der „Kalimandscharo-Kuchen“ ist dunkel, mit Mandelmehl und Schokolade gebacken, vielleicht ist auch ein bisschen Salz drin versteckt. Kalimandscharo werden schließlich die großen Salzberge des Zielitzer Werkes genannt. Dann gibt es noch den „Bahnwärter-Kuchen“ mit Kirschen, dazu noch drei bis vier weitere Sorten. „Neuerdings habe ich angefangen, mit Alkohol zu experimentieren.“

Rosenaroma liefert der Garten

Französische Duftrosen wachsen am Schuppen im Shabby-Chic.
Französische Duftrosen wachsen am Schuppen im Shabby-Chic.
Gudrun Billowie

Herausgekommen sind Kuchen mit Eierlikör oder Aperol. Eine Duftrosen-Lavendel-Torte wird demnächst das Sortiment erweitern und darauf freut sich Mario Plate schon sehr. Die Essenz wird er aus den Blättern der französischen Duftrosen gewinnen, die am Schuppen neben dem Bahnwärterhäuschen wachsen. Künstliche Aromen kommen ihm nicht in die Backstube.

Seit 18 Jahren, seit dem 1. Mai 2006, betreibt er das Bahnwärterhäuschen als Café. Es ist nur in der warmen Saison und nur an Sonn- und Feiertagen geöffnet. Mario Plate möchte seine Arbeit in Sickte nicht aufgeben, dort wohnt auch die Familie. Also stellt er sich sonntags früh ab 5 Uhr in die Backstube, öffnet mittags für Gäste, eine Mitarbeiterin serviert die Kuchen, Kaffeespezialitäten, Eis oder Bockwürste. Ach ja, und ab und zu tritt der Chef vor die Tür und spielt Drehorgel. Die hat er vom Großvater geerbt.

Drehorgel für die Gäste

Mario Plate spielt gern für seine Gäste die Drehorgel.
Mario Plate spielt gern für seine Gäste die Drehorgel.
Foto: Gudrun Billowie

Mario Plate lebt mit dem Café-Betrieb einen Traum, den er vorher nie hatte. Dafür hat er einen anderen auf später verschoben: „Der Bulli passt nicht in das Café-Ambiente.“ Heißt: Der alte Bus muss in der Garage bleiben, darf noch nicht unterm Apfelbaum stehen. Wie lange noch? „Ich mache so lange weiter, wie es Freude macht und gewertschätzt wird“, sagt Mario Plate und kurbelt die Drehorgel. Diesmal erklingt Rosamunde. Dazu duften die Rosen.