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Geschichte Trinkwasser kommt aus NVA-Tankwagen

Vor 85 Jahren wurde das Wasserwerk Colbitz eröffnet. Damit konnte die Trinkwasserversorgung in Magdeburg deutlich verbessert werden.

Von Jochen Kaatz und Dieter Neumann 16.08.2017, 23:01

Colbitz l Wie kompliziert die Situation einer qualitätsgerechten Trinkwasserversorgung zur damaligen Zeit war, zeigte sich im Winter/Frühjahr 1963. Wegen sehr niedriger Wassertemperaturen, geringer Elbwasserstände und einer hohen Belastung durch Abwasser der Industrie gab es erhebliche Probleme, insbesondere die Phenole und organischen Inhaltsstoffe mit den Aufbereitungsanlagen des Elbewasserwerkes zu entfernen.

Außerdem musste das Wasser verstärkt desinfiziert werden, was aber zu erheblichen Geruchs- und Geschmacks-beeinträchtigungen des bereitgestellten Trinkwassers führte. Zeitweise war die Trinkwasserversorgung so eingeschränkt, dass man auf die Trinkwasserbereitstellung im Stadtgebiet aus Wasserwagen und die Nutzung von Brunnen zurückgreifen musste.

So wurden 50 Trinkwasserwagen der Nationalen Volksarmee, des Ministerium des Inneren sowie von Molkereibetrieben für die Trinkwasserbereitstellung eingesetzt. Da ja Heidewasser aus Colbitz nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stand, wurden die Magdeburger zum Wassersparen aufgefordert. Eine Veränderung dieser Situation konnte nur die vollständige Trennung von der Elbewassernutzung bringen.

So besann man sich auf Vorschläge der Wasserfachleute in den 50er Jahren, die bereits mit dem Bau des Wasserwerkes Colbitz die Gewinnung größerer Grundwassermengen durch die Anreicherung des natürlichen Grundwassers durch Ohrewasser untersucht hatten. Für die Umsetzung eines so wichtigen und schwierigen Vorhabens gab es viele Bedenken.

Zahlreiche Fragen mussten geklärt werden: Reicht das Wasser aus der Ohre? Ist es für die Versickerung in der Colbitz-Letzlinger Heide geeignet? Wie verändert sich die Beschaffenheit auf dem Fließweg bis zu den Wasserwerksbrunnen? In welcher Entfernung ordnet man die geplanten Versickerungsbecken vor den Brunnen an?

Für die Realisierung dieses Projektes, für welches es in Mitteldeutschland bisher kein Beispiel gab, wurden die Grundlagen durch das damalige Institut für Wasserwirtschaft, Außenstelle Magdeburg und die Wasserwirtschaftsdirektion Mittlere Elbe-Sude-Elde geschaffen.

Nach umfangreichen Planungen errichtete man an der Ohre bei Satuelle ein Einlaufbecken, ein Pumpwerk und baute einen zehn Kilometer langen Kanal zu großen Versickerungsbecken, die sich im Anstrom der Wasserwerksbrunnen befinden.

Das versickerte Ohrewasser nutzt die natürliche Filterwirkung der Heidesande und mischt sich im Untergrund auf einem kilometerlangen Fließweg und einer natürlichen, mehrjährigen Bodenpassage mit dem vorhandenen Grundwasser und wird dann mit den Brunnen zu den Aufbereitungsanlagen des Wasserwerkes gefördert.

Diese Anlagen werden seit 1963 betrieben und haben sich auch nach über 50 Jahren Betrieb vollauf bewährt. Ergänzend zu dem Wasserwerk von 1932 wurden mit der Erweiterung der Werksanlagen zusätzliche Brunnen, Wasseraufbereitungsanlagen sowie eine zweite und eine dritte Rohrleitung nach Magdeburg und Hochbehälter fertig gestellt.

Damit konnte ab dem 14. September 1966 die vollständige Trinkwasserversorgung für Magdeburg mit Colbitzer Trinkwasser gesichert werden. Nach einer sehr aufwändigen Trennung des Magdeburger Rohrnetzes in ein Trink- und Betriebswassernetz versorgte das Elbewasserwerk Buckau nur noch die Industrie mit Betriebswasser.

Der steigende Wasserbedarf insbesondere durch den Wohnungsbau der Stadt Magdeburg erforderte ab den 70-er Jahren einen weiteren Ausbau des Wasserwerkes Colbitz. Damit war auch die Möglichkeit für die verstärkte Trinkwasserbereitstellung in die Umgebung von Magdeburg gegeben.

In den 90-er Jahren lagen die Schwerpunkte hauptsächlich in der Sanierung und Modernisierung aller Anlagenteile des Wasserwerkes.

Eines der ältesten Flusswasserwerk Deutschlands, Magdeburg Buckau, wurde 1990 stillgelegt. Damit war ein Abschnitt der Magdeburger Wassergeschichte beendet.

Das heute aus der Colbitz-Letzlinger Heide bereitgestellte Trinkwasser ist frei von Zusatzstoffen, hat einen naturbelassenen, guten und erfrischenden Geschmack und entspricht allen gesetzlichen Anforderungen. Es wird auf seinem Weg von der Gewinnung bis zu den Verbrauchern durch das Trinkwasserlabor der Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH (TWM) und die Behörden ständig überwacht.

Heute versorgt die 1994 gegründete TWM als Trinkwasserlieferant eine Vielzahl an kommunalen Versorgern, Stadtwerken, Verbänden und Industrieunternehmen im Großraum Magdeburg und sichert die Trinkwasserversorgung von mehr als 760.000 Einwohnern.

Für die Magdeburger Haushalte, das Gewerbe, die Industrie und sonstige Abnehmer übernehmen die Städtischen Werke Magdeburg GmbH (SWM) das Trinkwasser an Übergabemessstellen an der Stadtgrenze von der TWM und verteilen es über ein umfangreiches Rohrleitungsnetz und Druckerhöhungsanlagen in Magdeburg.

TWM stützt sich vorranging auf die größten und besten Grundwasservorkommen Sachsen-Anhalts in der Colbitz-Letzlinger Heide und im Westfläming. Außerdem werden die Wasserressourcen des Talsperrensystems im Harz genutzt. Diese werden durch die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH aufbereitet und bereitgestellt.

Nach 85 Jahren haben sich die ursprünglichen Hoffnungen der Magdeburger auf eine hochwertige Wasserversorgung mit Trinkwasser in vollem Umfang erfüllt und sind für die Zukunft gesichert.

Nach wie vor bietet das Wasserwerk Colbitz aufgrund seiner Wasservorkommen sowie der örtlichen Lage zu den Verbrauchszentren für die Bereitstellung von Trinkwasser die besten Voraussetzungen. Die vom Wasserwerk Colbitz genutzten Grund- und Oberflächengewässer sind natürliche Ressourcen, die heute und in Zukunft die Basis für das gesundheitliche und wirtschaftliche Wohlergehen unserer Gesellschaft bilden.

Um eine dauerhaft nachhaltige Trinkwasserversorgung sicherstellen zu können, müssen dabei die Belange des Gewässerschutzes berücksichtigt werden, da die Ressourcen nicht in beliebiger Menge und Qualität zu Verfügung stehen oder beliebig gewechselt werden können. Die nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung und der Grundwasserschutz geben dem Colbitzer Wasserwerk eine große Zukunftssicherheit auf die zu erwartenden klimatischen Veränderungen.

Wer sich vom hohen Standard der Magdeburger Trinkwasserversorgung überzeugen will, sollte das Colbitzer Trinkwasser probieren oder das Wasserwerk Colbitz bei einem der alljährlich im Juni angebotenen Tage der offenen Tür besuchen. Informieren kann man sich auch in einer Wasserausstellung im Technikmuseum der Stadt Magdeburg.