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Lederfabrik-Villa aus dem Dornröschenschlaf geküsst Neues Wohnen in alten Mauern

Von Regina Malsch 14.08.2010, 05:47

In der Ohrestadt wird fleißig gebaut. Am Lindhorster Weg wachsen jetzt die Einfamilienhäuser wie Pilze aus der Erde. Die AWG hat mit dem Bau von weiteren Reihenhäusern begonnen und in der Geschwister-Scholl-Straße bringt die Umwandlung von einem WWG-Fünfgeschosser in drei Mehrfamilienhäuser die Wolmirstedter zum Staunen. Daneben geht es auch mit der Sanierung von Altbauten weiter. Ein sehr gutes Beispiel ist dafür die lange leerstehende Villa an der Ecke Angerstraße/Neue Straße, besser bekannt als Lederfabrik-Villa.

Wolmirstedt. Die Fabrikgebäude in der Angerstraße wurden bereits 1999 abgerissen. Allein das Wohngebäude, damals noch bewohnt, blieb stehen. Das Haus hat kürzlich eine Bauherrengemeinschaft in Berlin vom Bund ersteigert. Seit Juli läuft die sehr aufwendige Rekonstruktion. Henry Pfalz, der mit seinem Partner Dr. Konrad Mahlfeld hinter dem Projekt steht, kennt die Villa schon von Kindesbeinen. Seine Mutter war in der Lederfabrik in leitender Stellung, die Familie wohnte nur einen Katzensprung entfernt. Deshalb und weil er als Bauexperte die gute Bausubstanz erkannte, wurde das Vorhaben in Angriff genommen. "Natürlich ist man bei einem solch alten Haus nie vor Überraschungen sicher. Und man muss zu Kompromissen bereit sein. Schließlich geht es darum, in alten Mauern modernes Wohnen zu realisieren", sagt Pfalz. Modern heißt in dem Fall in erster Linie energiesparend, die vom Bund durch zinsgünstige Darlehen gefördert wird.

Das sogenannte Effizienzhaus wird in ein 18 Zentimeter dickes Wärmedämmverbundsystem gepackt und bekommt eine effektive Fußbodenheizung. Eine Thermosolaranlage sorgt für Heizung und Warmwasser. "Letztlich werden das die Bewohner an niedrigen Betriebskosten merken", so Pfalz. Dem liegt nicht nur aus Nostalgie sehr viel daran, dass der Charme der Villa erhalten bleibt und einige unsinnige bauliche Veränderungen korrigiert werden. "Der Villencharakter soll sich auch in einer höherwertigen Ausstattung widerspiegeln", betont er.

Richtig aufgekratzt präsentiert Pfalz einige "Fundstücke", die später den nach Wandabrissen vergrößerten Eingangsbereich schmücken werden. So soll das schmiedeeiserne Gitter mit der Jahreszahl 1936/37 und den Initialen FH aus der Eingangstür, die erneuert werden muss, geborgen werden. Fritze Heim war zu der Zeit Besitzer der Lederfabrik. Pfalz und sein Partner haben im Vorfeld lange nach Bauplänen gesucht. In Berlin fanden sie lediglich Unterlagen von der Fabrik. Erst im Wolmirstedter Stadtarchiv wurden sie fündig und kamen aus dem Staunen nicht heraus. "Die Zeichnung zeigte ein ganz anderes Haus. Ganz verspielt mit Türmchen und Erkern", so Pfalz. Vermutlich hat Fritze Heim das Haus, gebaut 1906, nach dem damals angesagtem Bauhausstil ziemlich rigoros umgebaut. Neben seiner Wohnung befanden sich hier auch Büroräume, was dann viele Jahrzehnte so beibehalten wurde.

1971 wurden aus den Büros Wohnungen. Insgesamt waren es sechs, alle zwischen 80 und 90 Quadratmeter groß. Das bleibt auch nach dem Umbau so, allerdings zählen zur Sanierung neben der Erneuerung der Fenster auch der Anbau von Balkonen. Außerdem soll eine Treppe zum Garten, die zu DDR-Zeiten zugebaut wurde, wiedererstehen. Besonders die Ostansicht, wo sich die Fabrikgebäude anschlossen, ist gewöhnungsbedürftig. Trotzdem soll die große fensterlose Fläche bleiben. "Wir überlegen uns noch ein passendes Wandgemälde", sagt Pfalz. Noch in diesem Jahr könnten die ersten Mieter einziehen. Im Frühjahr soll dann das Umfeld gestaltet werden. Zu den bereits erwähnten kleinen Kostbarkeiten im Haus gehört auch ein Holzrelief, das ein Schiff auf hoher See zeigt. Darunter der Spruch: "Wie der Kiel dem stürmischen Meer trotz auch du der stürmischen Zeit". Den Bauherren ist zu wünschen, dass sie bei der Realisierung der interessanten Pläne das Ruder fest in der Hand behalten.