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Soziales Warmes Essen für die Seele

Die Wolmirstedter Bürgerinitiative für gegenseitige soziale Hilfe will armen Menschen eine warme Mahlzeit zur Verfügung zu stellen.

Von Gudrun Billowie 21.12.2019, 00:01

Wolmirstedt l Guido Fuchs und Annegret Engelhardt kennen Menschen, denen es viel bedeuten würde, zweimal in der Woche eine warme Mahlzeit zu bekommen. Drei dieser Menschen waren bereit, mit der Volksstimme zu sprechen. Ihre Namen möchten sie jedoch nicht in der Zeitung lesen, deshalb nennen wir sie Christa, Marita und Hannes.

Christa hat in ihre Küche eingeladen. Ein Adventsgesteck steht auf dem Tisch, der große schwarze Hund weicht ihr nicht von der Seite, der Kaffee wird in einer Thermoskanne warm gehalten. Die Küche ist kalt, Christa wagt nicht, die Heizung aufzudrehen. Schon jetzt hat sie Ärger wegen der Gasrechnung. Vom Jobcenter kommt seit November kein Heizkostenzuschlag, weil irgendetwas an der vorherigen Gasrechnung noch geprüft werden muss. Deshalb heizt Christa einzig ihren Kamin. „Jeder, der sie kennt, bringt ihr Holz vorbei“, sagt Guido Fuchs, „wir sammeln alle.“ Nicht jedes Holz eignet sich, die Stube dauerhaft zu erwärmen, oft lässt Christa Holz in Flammen aufgehen, das zu schnell verbrennt. Dann breitet sich die Kälte schnell wieder aus.

Christa nutzt die Tafel in Wolmirstedt, bringt von dort zumeist Obst und Gemüse mit. Gern würde sie daraus ein Mittagessen kochen, doch ihr Herd ist kaputt. Das Geld für die Reparatur ist nicht da. Sie schränkt sich ein beim Essen, Hauptsache, der große schwarze Hund wird satt und ausreichend mit notwendigen Medikamenten versorgt. Da macht Christa keine Kompromisse. Annegret Engelhardt kennt viele Menschen, die wie Christa empfinden und handeln. „Ein Hund gibt Halt, Wärme und hilft gegen die Einsamkeit.“

Die Einsamkeit ist ein großes Problem für viele Bedürftige, wer kein Geld hat, kann nur schwer am Leben teilhaben, Friseurbesuche, ein Urlaub... „Was ist das“, lacht Christa bitter. Manchmal bleiben ihr nur 20 oder 30 Euro im Monat, die sie ausgeben kann. Sie sieht keinen anderen weg, als sich zurückzuziehen.

Die 60-jährige lebt auf einem uralten Vierseitenhof, Haus und Scheune haben schon bessere Zeiten gesehen, das Anwesen ist noch lange nicht abbezahlt. Die Rate ist relativ klein, aber dennoch nicht durch die Kosten für die Unterkunft gedeckt, die vom Staat für Menschen wie Christa übernommen werden. Verkaufen und in eine kleine Wohnung umziehen kommt für Christa dennoch nicht infrage. „Hier sind meine Hunde begraben“, sagt sie. Der alte Hof sei so etwas wie ein heiliger Ort.

Das Gehöft hat Christa 1998 gekauft, da hatte sie einen guten Job, das Geld stimmte. Dann ging das Unternehmen, bei dem sie angestellt war, den Bach runter, sie wurde 2006 arbeitslos, hielt sich mit kleineren Jobs über Wasser. „Es kann schnell gehen, das man bedürftig wird“, bestätigt Annegret Engelhardt.

Deshalb verfolgt sie zusammen mit Guido Fuchs den Plan, bedürftige Menschen mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Die soll in einer Profiküche gekocht werden, weil dort die hygienischen Bestimmungen eingehalten sind. Guido Fuchs und Annegret Engelhardt wollen das Essen für etwa 50 Personen von einem Wagen aus verteilen. So einen Wagen gibt es schon, doch der muss ebenfalls so hergerichtet werden, dass er den hygienischen Standards entspricht.

Unter anderem dafür hätte sich Guido Fuchs von der Stadt eine Anschubfinanzierung gewünscht und hat das Anliegen im Stadtrat vorgetragen. Dort wurde die Initiative zur Kenntnis genommen. Bürgermeisterin Marlies Cassuhn hatte Guido Fuchs und Annegret Engelhardt empfohlen, den Kontakt zu anderen Hilfsorganisationen aufzunehmen. Zudem sei die Bürgerinitiative kein Verein, sodass es ohnehin schwierig sei, öffentliche Gelder zu überweisen.

Den Kontakt zur Tafel haben die beiden bereits gesucht. Die wird vom Deutschen Roten Kreuz betrieben, in der Heinrich-Heine-Straße werden Lebensmittel ausgegeben. Etwa 450 Bedarfsgemeinschaften werden dort mit Lebensmitteln versorgt, jede Bedarfsgemeinschaft ist eine Familie, oft gehören mehrere Personen dazu. Eine Küche ist nicht vorhanden und auch nicht geplant.

Marita nutzt ebenfalls die Tafel. Auch sie lebt in einem Haus, zusammen mit ihrem Mann. Das Geld ist knapp, das Jobcenter unterstützt zwar, aber Marita musste am Ende schon öfter Geld zurückzahlen, beispielsweise, als der Sohn seine Ausbildung begonnen hatte und plötzlich alles anders berechnet wurde. Nun ist die Gastherme kaputt, die Rohrreinigung musste kommen, solche Ausgaben stürzten das Paar noch tiefer in die finanzielle Krise. Da helfen auch die beiden Jobs nicht, mit denen Marita versucht, das Einkommen zu steigern.

Es war eine große Erleicherung, als jemand vor drei Jahren geagt hat, Marita solle doch einmal mitkommen zur Tafel. Und doch: Obwohl die Gaben beim Leben helfen, daran gewöhnt hat sich Marita immer noch nicht. „Man steht dort bei Wind und Wetter in der Schlange und kann von jedem gesehen werden. Und auf dem Nachhauseweg baumeln die Tüten am Fahrrad...“ Die eigene Bedürftigkeit vor den Augen anderer zu zeigen, das sei kein schönes Gefühl.

„Die Scham ist groß“, weiß auch Guido Fuchs. „Deshalb wollen wir das Essen zwar in der Stadt ausgeben, aber an einem Platz, der nicht sofort von jedem einsehbar ist.“ Außerdem soll dieser Platz ein Ort der Begegnung sein, ein Anlaufpunkt werden, damit Menschen mit wenig Geld wenigstens dort der Einsamkeit entfliehen können.

Obwohl Marita und ihr Mann einen Herd haben, würden auch sie so eine Essenausgabe nutzen. „Es ist nicht immer leicht, allein mit den Lebensmitteln der Tafel zu kochen“, erzählt sie. Zwar bekomme sie Suppengemüse, aber es fehlt oft am Nahrhaften wie Fleisch oder Butter. Außerdem sei ihr Mann Diabetiker, sodass viele Lebensmittel gar nicht erst in den Kochtopf wandern dürfen.

Hannes, der dritte im Bunde, hat gar keinen Herd, kocht nie. Er freut sich über Essenseinladungen bei Bekannten und würde so einen anlaufpunkt mit warmer Mahlzeit gerne nutzen.

Annegret Engelhardt und Guido Fuchs wollen ihr Projekt weiterverfolgen, Partner suchen, vielleicht mit der Volkssolidarität und dem Bodelschwingh-Haus sprechen. „Wir wollen gucken, wie wir es hinkriegen.“

Christa wird am ersten Weihnachtstag bei Verwandten zu Gast sein, freut sich auf das Festessen in geselliger Runde. Und die anderen Tage? „Die kriegen wir irgendwie rum“, sagt sie und streicht dem großen, schwarzen Hund übers Fell.