Aufsichtsrat Stadtwerke Wolmirstedts Stadträte streiten wie die Kesselflicker um ihre Kandidaten
Die stärkste Fraktion des Stadtrates hat keinen Vertreter in den Aufsichtsrat der Stadtwerke entsandt. Die Debatte darüber war heftig, das Ergebnis ist nicht akzeptiert. Wie geht es weiter?

Wolmirstedt - Eine gute Stunde lang zankten die Stadträte um die Besetzung des Stadtwerke-Aufsichtsrates. In einem Punkt waren sie sich jedoch schnell einig: Die Bürgermeisterin ist als Aufsichtsratsmitglied gesetzt. Doch wer nimmt die anderen beiden Plätze Wolmirstedts ein? Darüber entbrannte ein heftiger Streit. Am Ende ging die stärkste Fraktion, bestehend aus SPD, Linke und Grüne, leer aus. Rot-Rot-Grün hatte sich für die Bürgermeisterin stark gemacht und musste dafür den eigenen Kandidaten opfern. Zufrieden geben will sich die Fraktion um Vorsitzende Waltraud Wolff mit diesem Ergebnis nicht.
Im Wesentlichen rangen die Stadträte in der Debatte um die Deutungshoheit darüber, ob die SPD-Linke-Grüne-Fraktion ein oder zwei Vorschläge eingebracht hatte. Sie wollten eigentlich Ingolf Meller zu entsenden, doch da die Bürgermeisterin nirgends auftauchte, brachten sie zusätzlich Marlies Cassuhn ins Spiel. Die Bürgermeisterin wurde den Rot-Rot-Grünen als zweiter Vorschlag ausgelegt, auch, weil die parteilose Marlies Cassuhn von der SPD im Bürgermeisterwahlkampf unterstützt worden war.
Ist die Bürgermeisterin SPD-Kandidatin oder nicht?
Diese Interpretation will die SPD-Linke-Grüne-Fraktion nicht gelten lassen. Sie hielten an ihrem eigentlichen Kandidaten Ingolf Meller fest. „Die Bürgermeisterin ist nicht als politische Vertreterin im Aufsichtsrat, sondern als Hauptverwaltungsbeamte“, betonte Waltraud Wolff. Demnach bliebe es dabei, dass SPD-Linke-Grüne als stärkste Fraktion ihren Kandidaten Ingolf Meller entsenden kann, die CDU als zweitstärkste Fraktion Fritz-Georg Meyer.
Dann wäre die drittstärkste Fraktion, KWG-WWP-FDP-FUWG, leer ausgegangen. Die dachten aber nicht daran, ihren Platz kampflos aufzugeben. Fraktionsvize Rudolf Giersch machte deutlich: „Wir sind ja dafür, die Bürgermeisterin zu entsenden, aber es geht nicht, dass die SPD zwei Personen benennt und damit der drittstärksten Fraktion den Vertreter wegnimmt.“ Sie hatten Mike Steffens ins Rennen geschickt.
Stadtratsvorsitzender gerät auf die Palme
Der Stadtratsvorsitzende Heinz Maspfuhl, der eigentlich zur SPD gehört, als Stadtratsvorsitzender jedoch neutral sein muss, geriet zunehmend auf die Palme. „Herr Giersch, Sie scheinen bestimmte Dinge nicht erfasst zu haben...“, fauchte er den KWG-WWP-FDP-FUWG-Vize an.
Was genau Rudolf Giersch nicht erfasst haben sollte, blieb bis zum Schluss unklar. Klar wurde jedoch, dass „bestimmte Dinge“ bei allen Stadträten offen geblieben waren. Dazu gehört, dass laut Kommunalverfassungsgesetz die Bürgermeisterin automatisch einen Sitz in der Gesellschafterversammlung und im Aufsichtsrat hat, die Kommunalaufsicht jedoch - grob gesagt - das Gegenteil schrieb, deutlich machte, dass die drei stärksten Fraktionen des Stadtrates Vertreter entsenden müssen und empfahl: „Sollte sich die Fraktion SPD/Linke/Grüne ... nicht auf eine Person einigen können, obliegt es dem Stadtrat in einem vorhergehenden Wahlakt die zu entsendende Person zu bestimmen.“ Also Marlies Cassuhn oder Ingolf Meller.
Am Ende siegte die Wortklauberei
Am Ende siegte vorerst die Wortklauberei. Waltraud Wolff betonte, die Bürgermeisterin gehöre in den Aufsichtsrat, ebenso zwei Vertreter des Stadtrates. Diese Formulierung diente Rudolf Giersch als Steilvorlage. „Dann ist ja alles gut“, konstatierte er und zielte darauf ab, das der SPD-Kandidat Ingolf Meller kein Mitglied des Stadtrates ist. Er beantragte also, die Bürgermeisterin sowie zwei Stadträte in den Aufsichtsrat zu entsenden, Fritz-Georg Meyer für die CDU und Mike Steffens für die KWG-WWP-FDP-FUWG-Fraktion. Dem stimmte der Stadtrat mehrheitlich zu.
Damit hätte die Debatte beendet sein können, doch der Stadtratsvorsitzende Heinz Maspfuhl beharrte darauf, eine Mehrheitsentscheidung sei keine Einigkeit. Er setzte Einigkeit mit Einstimmigkeit gleich.
Am Ende blieben zwei Fragen offen
So blieben zwei Fragen offen: Gilt die Bürgermeisterin als SPD-Vorschlag oder nicht? Und: Bedeutet Einigkeit Einstimmigkeit? Letzteres soll nun ein Anwalt klären.
Während des Streits konnten sich die Vertreter von CDU und AfD zurücklehnen. Die CDU, weil sie als zweitstärkste Kraft ihren Vertreter sicher hatte, die AfD, weil sie sowieso keinen Vertreter entsenden konnte.
Der Aufsichtsrat der Stadtwerke kontrolliert unter anderem den Jahresabschluss, überwacht Tarifpreise und redet bei Preisänderungen mit. Von den fünf Sitzen fallen drei auf die Stadt Wolmirstedt und zwei auf die Avacon AG Helmstedt. Im Geschäftsjahr 2020 wurden Aufsichtsratsvergütungen in Höhe von 3900 Euro gezahlt.Stadtr