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Heimatfotorätsel weckt viele Erinnerungen Als sich die Reithalle der Zerbster Fürsten in ein denkwürdiges Theater verwandelte

Das Heimatfotorätsel stellte diesmal keine Hürde dar. Viele erkannten sofort, dass es sich bei dem Schwarz-Weiß-Bild um eine Innenaufnahme der barocken Zerbster Stadthalle handelte. Mancher erinnerte sich sogar noch an die längst verschwundenen Theaterränge.

Von Daniela Apel 25.05.2021, 08:00
Vom 3. November 1950 stammt das Schwarz-Weiß-Foto, das den Umbau der ehemaligen Reithalle in ein Theater mit Bühne, Orchestergraben und einer schrägen Bestuhlung zeigt.
Vom 3. November 1950 stammt das Schwarz-Weiß-Foto, das den Umbau der ehemaligen Reithalle in ein Theater mit Bühne, Orchestergraben und einer schrägen Bestuhlung zeigt. Foto: Stadtarchiv Zerbst

Zerbst - „Das ist die frühere Reithalle“, wusste Isolde Wallendorf sofort, welches Motiv die Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt. Anfang der fünfziger Jahre sei diese umgebaut worden. „Ich bin 1957 das erste Mal als Kind mit meinen Eltern drin gewesen“, erinnerte sich die Zerbsterin an eine Aufführung des Märchens „Der gestiefelte Kater“. Zwar wurde das zum Schlossgarten-Ensemble gehörende Gebäude damals schon als Stadthalle bezeichnet. Im Inneren sah es aber noch völlig anders aus als heute. „Der Fußboden besaß ein Gefälle“, schilderte Harald Neupert.

Von einer Gesamtneigung von 2,2 Metern schrieb Rainer Frankowski im Zerbster Heimatkalender von 2002 über die Stadthalle. „Das waren acht Zentimeter Höhenunterschied zur nächsten Sitzreihe“, was eine gute Sicht auf die Bühne gewährte. Davor befand sich ein Orchestergraben für 40 Musiker, denn der am 28. August 1950 gestartete Umbau sah vor, die mächtige Halle in eine Kulturstätte umzuwandeln. „Der Fußboden wurde betoniert und mit Parkett ausgelegt. 800 Sitz- und zusätzlich 100 Notsitzplätze entstanden“, so Frankowski.

Vielfältige Veranstaltungen locken Besucher

Am 21. Januar 1951 fand die feierliche Einweihung der Stadthalle statt, die fortan als Theater genutzt wurde, wie sich auch Ursula Hackemesser entsinnen konnte. „Künstler des Landestheaters Dessau und des Elbe-Elster-Theaters Wittenberg sorgten ebenso für Höhepunkte wie der Thomanerchor im Juni 1951 oder der sechsmalige Auftritt der Dresdner Philharmoniker. Innerhalb von zehn Jahren wurden über eine halbe Million Besucher bei etwa 1000 Veranstaltungen gezählt“, hatte Rainer Frankowski für seinen Heimatkalender-Beitrag recherchiert. Eine der Schauspielerinnen, die in Zerbst auftrat, war Thea Elster, wie Helmut Lehmann berichtete. Sie sei mit dem Schwiegervater seiner Frau weitläufig verwandt gewesen und habe auch in Fernsehfilmen mitgespielt.

Für Schulklassen wurde das Musikmärchen „Peter und der Wolf“ aufgeführt, das auch Harald Neupert als Schüler erlebte. „1966 fand unsere Jugendweihefeier in der Stadthalle statt, da gab es immer noch die Theatersitze“, blickte er zurück. Denn bereits 1969 fiel der Entschluss zum erneuten Umbau. Bestuhlung und Schräge wurden entfernt, der Orchestergraben geschlossen, die Stadthalle erhielt ihr jetziges Aussehen und bot fortan die Kulisse für verschiedenste Veranstaltungen.

Ob Konzerte, Frauentagsfeiern, Frühschoppen oder Karnevalssitzungen - jede Woche fand etwas statt, erinnerte sich Andreas Indenbirken. Er selbst hatte mit sechs, sieben Jahren angefangen, Trompete zu spielen. Unter Leitung von Heinz Alex stand er damals mit anderen auf der Bühne, um die Zuhörer mit Blasmusik zu unterhalten.

Von Dean Read bis Achim Mentzel

Aber auch später zog es Andreas Indenbirken in den Barockbau mit seinen „ganz tollen Stuckarbeiten“ an Decke und Wänden. Dann nämlich, wenn die Abc-Disco aus Magdeburg anreiste und für Stimmung unter den 400 bis 500 Jugendlichen sorgte. „Das hat Spaß gemacht“, blickte der Zerbster zurück. „Früher wurde die Stadthalle öfter genutzt und war immer voll“, bedauerte er, dass dies inzwischen nicht mehr so ist.

An ein Konzert von Dean Reed erinnerte sich Detlef Teßmann genauso wie an die Messe der Meister von Morgen, für die das frühere Reithaus ebenfalls als Veranstaltungsort diente. Er selbst feierte dort seinen Tanzstundenball, „obwohl nicht mehr viel hängengeblieben ist“, wie der Zerbster lachend gestand.

Helmut Lehmann berichtete derweil von einem Auftritt von Achim Mentzel mit einem großen Schauorchester. „Das war so laut, dass man sich nicht miteinander unterhalten konnte“, schilderte er. „Ab und an wurden in der Stadthalle auch Federball und Badminton gespielt“, erzählte Helmut Lehmann. „1971 und 1975 fanden hier die DDR-Meisterschaften der Senioren statt“, wusste er. Die beiden Zerbster Gerhard Rinke und Walter Hahn hätten damals dritte Plätze belegt.

Gemüse türmt sich im barocken Saal

Zur wechselhaften Geschichte der fürstlichen Reithalle gehört auch, dass sie als Ausstellungsraum genutzt wurde. Nicht nur die Preise der Pferdemarktlotterie wurden präsentiert. So hinterließen riesige Kürbisse nachhaltigen Eindruck bei Helmut Lehmann, die dort nach dem Zweiten Weltkrieg zu sehen waren. Mit seinem Großvater besuchte er damals die Gemüseausstellung in der Stadthalle, während draußen auf der Turnierwiese Schweine und Kühe standen.

Die richtige Lösung wussten ebenfalls die DRK-Rateschwestern um Stefanie Alarich, das Rateteam der Firma Rheingold aus Loburg und des Wohnbereichs 5 des Zerbster Seniorenheims „Willy Wegener“, Gernot Reinald und Sylvia Thiem aus Zerbst, Carsten Schöneborn aus Gommern sowie Doris Krieg, Simone Riebe, Bärbel Krüger, Karin Baranski und Petra Schulze von der Facebook-Gruppe „Zerbster Kaffee & Gesprächsrunde“.

Heute gibt es keine schrägen Ränge mehr, sondern einen geraden Fußboden im jetzigen Katharina-Saal der Stadthalle, in dem regelmäßig auch der Stadtrat tagt.
Heute gibt es keine schrägen Ränge mehr, sondern einen geraden Fußboden im jetzigen Katharina-Saal der Stadthalle, in dem regelmäßig auch der Stadtrat tagt.
Foto: Thomas Kirchner