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Anschlag Berlin Appell zur Besonnenheit

Der Berliner Anschlag hat auch in Zerbst Bestürzung ausgelöst. Die Politiker mahnen zur Besonnenheit.

Von Emily Engels 21.12.2016, 16:42

Zerbst/Berlin l „Ich habe die Nacht vor dem Fernseher verbracht“, sagte Andreas Dittmann (SPD), Bürgermeister von Zerbst, gegenüber der Volksstimme. Solch einem Ereignis stehe man zunächst fassungslos gegenüber. Dittmann betitelte die Tat, gerade wegen des Angriffs auf einen Weihnachtsmarkt und in der Vorweihnachtszeit als „Schlag ins Gesicht“. „An erster Stelle steht das Denken an die Opfer und das Mitgefühl für die Hinterbliebenen. Das führt uns einmal mehr vor Augen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt und dass wir ein ganzes Stück weit auch ohnmächtig sind.“ Er fügte an: „Wir dürfen uns in der Form, in der wir leben, in einer offenen Gesellschaft, nicht einschüchtern lassen. Sonst würden die Falschen Recht bekommen.“ Als unmittelbare Reaktion habe er Dienstagfrüh veranlasst, dass die am Rathaus halbmast geflaggt werde. Er verstehe das als Zeichen des Mitgefühls für die betroffenen Menschen.

Für Zerbst sehe er keine Bedrohung. Zum einen gebe es in nächster Zeit keine Großveranstaltungen, zum anderen habe die Verwaltung einen guten Draht zu den Sicherheitsbehörden. „Genau da müssen wir jetzt aufpassen. Wir dürfen nicht in Panik verfallen, mit der wir uns selbst lähmen.“

Er erinnere sich noch daran, dass am Tag vor der Übergabe des Rathausschlüssels an die Narren im vergangenen Jahr das Attentat von Paris gewesen sei. „Auch damals haben wir diskutiert: Wie gehen wir damit um?“, sagte er. Auch damals habe man sich dagegen entschieden, sich einzuigeln. „Wir müssen aufpassen, dass wir keine überschnellen Entscheidungen treffen, die wir dann nicht mehr einfangen können“, warnte der SPD-Politiker.

„Es saß nur einer am Lenkrad.“

Karin Zander, Flüchtlingsbeauftragte

Karin Zander, Zerbster Flüchtlingsbeauftragte vom Diakonischen Werk, sprach gegenüber der Volksstimme von einer „abscheulichen Tat.“ Sie sagte weiter: „Es macht uns zutiefst betroffen.“ Gleichzeitig betonte sie, dass – so sehr man die Tat als solche verurteile – sie nichts mit der Herkunft des Täters zu tun habe. „Es saß nur einer am Lenkrad. Jeder ist für sich selbst verantwortlich“, stimmte sie nachdenklich. Gerade aufgrund der gestern noch unklaren Nachrichtenlage bezüglich des oder der Täter betonte sie wie wichtig es sei, die Wahrheit herauszufinden.

Emotional zeigte sich Landrat Uwe Schulze (CDU) in seinen Worten gegenüber der Volksstimme. „Mit großer Bestürzung habe ich von dem schlimmen Ereignis in Berlin erfahren“, sagt er. Er ergänzte: „Ich trauere um die Vielzahl von unschuldigen Todesopfern, die in der Vorweihnachtszeit doch nur einen friedlichen Abend auf dem Weihnachtsmarkt verbringen wollten.“

„Ich wünsche den Angehörigen der Opfer Kraft.“

Uwe Schulze (CDU), Landrat

„Mit meinen Gedanken bin ich bei den vielen Verletzten und den Angehörigen der Opfer und wünsche Ihnen viel Kraft, die schwere Zeit zu überstehen“, so Schulze. Außerdem sei er davon überzeugt, dass gerade in schweren Zeiten das Miteinander wichtiger denn je sei. „Wir sollten jetzt erst recht eng beieinander stehen und uns nicht gegeneinander aufbringen lassen. Denn dann hätten die Täter ihr eigentliches Ziel erreicht“, fasste er zusammen.

SPD-Landtagsmitglied Holger Hövelmann aus Zerbst meinte: „Das ist das Schlimmste, was passieren konnte.“ Für die Betroffenen sei es eine unfassbare Situation, in der Vorweihnachtszeit sei das doppelt tragisch und dramatisch, fügte er an. Die Tat müsse polizeilich und rechtlich ausgewertet werden, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. „Ich hoffe, dass wir jetzt nicht politisch überreagieren“, pflichtete er seinem Parteikollegen Andreas Dittmann bei und hofft, dass alle einen kühlen Kopf bewahren.

Insgesamt bereitet die gesamte Nachrichtenlage dem Landespolitiker einige Sorgen. „Der Amoklauf in der Züricher Moschee, das Attentat auf den russischen Botschafter in Ankara, in Berlin gibt es das schreckliche Ereignis mit vielen Toten; das ist ja nichts was Ruhe und Frieden für Weihnachten ankündigt, sondern das Gegenteil. Das macht mit schon Sorgen“, sagte er. Im Parlament herrschte gestern Fassungslosigkeit. „Jeder, mit dem ich gesprochen habe, war betroffen. Man hat da auch nicht innerhalb von fünf Minuten die perfekten Antworten“, sagte Hövelmann. „In Sachsen-Anhalt haben wir glaube ich noch eine relativ stabile Sicherheitslage und trotzdem kann auch hier immer noch etwas passieren“, sagte er.

Auch er ist der Meinung: „Wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen, nicht die Weihnachtsmärkte schließen. Das ist ja das Ziel der Angreifer. Es soll trotzdem jeder die Gelegenheit haben, dieses wunderbare Weihnachtsfest im Kreise der Familie zu begehen und auch ein bisschen an diejenigen denken, denen es nicht so gut geht.“

„Wenn es passiert, ist man erstmal baff.“

Dietmar Krause (CDU)

„Dass so etwas in der Hauptstadt passieren kann, damit muss man immer rechnen“, sagte Landtagsmitglied Dietmar Krause (CDU). „Wenn es dann aber passiert, ist man erstmal richtig baff.“ Jetzt müsse man ganz schnell ermitteln, wer für die Tat verantwortlich sei. Sollte es sich wirklich um eine Person handeln, die in Deutschland um Asyl gebeten hat, dann wäre das beschämend und mehr als grausam, sagte Krause.

„Das zeigt auch immer wieder, dass Leute, die sich hier nicht benehmen können, dass die gar nicht schnell genug abgeschoben werden können“, so Krause. Wer sich nicht nach Recht und Gesetz benehmen könne, habe in diesem Land nichts zu suchen, fügte er an.

„Möge es uns als Deutsche gerade jetzt nach diesem abscheulichen Anschlag gelingen friedlich zu bleiben und nicht Rache mit Rache zu vergelten“, hoffte auch Pfarrer Thomas Meyer von der St. Trinitatisgemeinde in Zerbst. „Das war nie Hintergrund der christlichen Botschaft.“ Man müsse endlich etwas dagegen setzen, nämlich das Friedensangebot, auch wenn es kurzfristig nicht zu gelingen scheine. „Wir bleiben bei unserem Appell: Keine Gewalt!“, fügte er an.

„Man muss seine Meinung äußern dürfen.“

Thomas Meyer, Pfarrer in Zerbst

„Manche wollen die Flüchtlinge für das Geschehen verantwortlich machen. Aber in ihrem tiefsten inneren Herzen wissen die, die das tun, dass man sie nicht für diesen Anschlag verantwortlich machen kann“, so der Pfarrer weiter. Es handele sich um ein Konflikt, der um die ganze Welt gehe. „Deswegen sind sie ja zu uns gekommen. Sie können nicht der Auslöser für etwas sein, wovor sie selber auf der Flucht sind“, betonte der Geistliche. Die Ursache sei der Konflikt an sich. Das könne man nicht einfach umdrehen. „Menschen müssen nicht immer einer Meinung sein. Man muss seine Meinung äußern dürfen, gerade in einer Demokratie. Nur sollte dies immer gewaltfrei geschehen, nicht auf Kosten anderer Menschen, egal wo sie herkommen“, forderte er. „Pauschalisierungen haben uns noch nie weiter gebracht. Diese Erfahrungen mussten die Deutschen doch in ihrer Geschichte zur Genüge machen, wohin solche Pauschalurteile führen können, in eine Katastrophe“, konstatierte der Pfarrer.