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Arbeitsgericht Nur ein großes Missverständnis?

Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau beschäftigt sich mit einem Fall aus Zerbst. Es geht um eine Abmahnung, die noch reichlich Fragen aufwirft.

Von Andreas Behling 11.02.2020, 06:00

Dessau/Zerbst l Arbeitsrichterin Petra Platzer war bemüht, die Wogen zu glätten. „Nichts ist unmöglich“, formulierte sie. „Auch in einer zerrütteten Ehe kann man wieder zueinander finden.“

Besitzen ihre Worte die nötige Überzeugungskraft, die streitenden Parteien einander näher zu bringen? Ein Mann aus einem Zerbster Ortsteil sieht sich von seinem Arbeitgeber nicht korrekt behandelt. Er soll zum Beispiel knapp 10.800 Euro zurückzahlen.

Alles vielleicht nur ein großes Missverständnis? Zumindest versuchte sich auch der Rechtsanwalt, der den beklagten Betrieb vertritt, als Schlichter. Ja, der Arbeitnehmer habe im Unternehmen Kontrollen durchzuführen, die Produkteigenschaften zu erfassen und ein Auge auf die Qualität zu werfen. Das habe in einem Fall nicht zur Zufriedenheit funktioniert. Der Arbeitgeber habe mit einer Abmahnung reagieren müssen.

Ein Schritt, den der Jurist nicht überbetonen wollte. Schließlich diene die Abmahnung doch dazu, dass alles wieder ins Lot komme, meinte er. Es handele sich um eine Art „Versöhnungsangebot“.

Ob die Anstrengungen der Juristen Früchte tragen, muss sich freilich erst noch zeigen. In der Sache, die derzeit vor der 8. Kammer des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau verhandelt wird, findet der nächste Termin am 25. Februar im Saal 141 statt.

Im Gütetermin fanden die Parteien zu keinem Konsens. Zumal Rechtsanwältin Annegret Schumann, die den Kläger vertritt, mit einer Neuigkeit aufgewartet hat. Ihr zufolge befasst sich inzwischen die Staatsanwaltschaft mit einer Anzeige. Die ist von Seiten ihres Mandanten gegen die Geschäftsleitung des Betriebes erstattet worden. Staatsanwalt Olaf Braun, Pressesprecher der Behörde, bestätigt Schumanns Information.

„Es liegt eine Strafanzeige wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen vor. Die Ermittlungen dauern an“, teilt er auf Anfrage mit. Das Strafmaß, welches gegebenenfalls zu erwarten sei, ergebe sich aus dem Gesetz.

Braun verweist auf den Paragrafen 201 a des Strafgesetzbuches. Der regelt, dass mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

Gleiches gilt für jemanden, der eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt oder für jemanden, der eine befugt hergestellte Bildaufnahme wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

Mit Strafe muss ebenfalls rechnen, wer Bildaufnahmen macht, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden oder wenn es sich um Aufnahmen handelt, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand haben. Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet haben, können eingezogen werden.

Die Ermittlungen in dem von Annegret Schumann geschilderten Fall betreffen den Einsatz einer Drohne. Diese soll ein Mitglied der Geschäftsführung über dem Grundstück des Arbeitnehmers fliegen gelassen haben. Ihr zufolge wurde das Gerät eine Woche nach einer Operation gesichtet, der sich ihr Mandant unterziehen musste.

Nun kann das Arbeitsgericht Anzeige und Ermittlungen zwar zur Kenntnis nehmen, im eigenen Verfahren allerdings nicht bewerten oder juristisch einordnen. Aus der Warte von Richterin Petra Platzer sollte die bis Ende Februar verbleibende Zeit genutzt werden, die Dinge mal einfach sacken zu lassen. Für das nächste Treffen ordnete sie das persönliche Erscheinen des Geschäftsführers an. „Seine Anwesenheit ist nötig“, begründete die Richterin.

Von der Firmenspitze wird zudem erwartet, bis zum neuen Termin die Gründe für die Abmahnung darzulegen sowie die Aufgaben- und Verantwortungsbereiche des Arbeitnehmers zu schildern. „Es geht um den Umfang der Arbeitspflichten. Wir haben eine Menge aufzuklären“, sagte Petra Platzer, die nicht verhehlte, dass es derzeit so aussehe, „als würde die Eskalationsschraube nach oben gezogen“.